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Auszug Die Kunst des Coachens -

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Ensō – der Kreis auf dem Cover – symbolisiert die Offenheit des Prozesses, das Vertrauen ins Werdendeund die Einladung, das Unvollständige als Kraftquelle zu sehen.Deine Martina 1

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Impressum!©2025 Martina M. Schuster 1. Auage, Mai 2025 Verlag boxoappiness by conaquila Hrsg. ConAquila GmbH Hallbergmoos info@conaquila.de Umschlaggestaltung & Layout: ConAquila GmbH Bildquelle Cover: Canva Pro Druck und Veröffentlichung: epubli 2

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Die Kunst des Coachens Impulse, Haltung und bewährte Werkzeuge für eine neue Coaching-Zeit!von Martina M. Schuster 3

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Impressum 2Vor wort 18Einleitung 20Kapitel 1: Grundlagen des Coachings 22Deine Motivation 22Coaching in der aktuellen Zeit 23Denition Coaching 24Ziele und das humanistische Menschenbild 25Lösungsorientierung im Coaching 27Abgrenzungen 28erapie 29Mentoring 30Training 31Beratung 32Rahmenwechsel 33Anliegen im Coaching 34Ethik und Standards im Coaching 35Vertraulichkeit 35Integrität 36Ehrlichkeit im Coaching 37Authentizität im Coaching 38Authentizität und Ehrlichkeit 39Respekt und Empathie 41Professionelle Kompetenz 42Die drei Freiheiten eines Coaches 43Spielregeln im Coaching 44Die Rolle des Coaches 46Die Erwartungen der Klienten 47Die Bedeutung der Offenheit des Klienten 50Rapport im Coaching - Das verbindende Band 52Der Unterschied zwischen Empathie und Rapport 54Grundfähigkeiten eines Coaches 564

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Das Selbstwertgefühl - Eine wichtige Quelle 58Das Energie-Haushalt-Modell 61Das Energie-Haushaltsmodell im Coachingprozess 69Das Potenzialentwicklungsmodell 71Emotionen und Gefühle im Coaching 76Die trügerische Sicherheit der Homöostase im Coaching 77Das Bewusstsein für die innere Welt 78Bewusst wahrgenommene Gefühle machen exibel 79Gefühle in Coachingsitzungen 80Drei „Gedankenexperimente“ zur Übung: 82Die Triade: Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Verhalten 82Die Triade als Werkzeug für Veränderung im Coachingprozess 83Die Kunst der Wahrnehmung 84Denition Wahrnehmung 85Wir erschaffen unsere Wirklichkeit selbst 86Wohin richtest Du den Taschenlampenkegel? 86Wahrnehmungsthematik im Coaching 87Die Hypothesentheorie der Wahrnehmung 87Dimensionen menschlicher Wahrnehmung im Coaching 90Somatische Marker im Coaching: Einuss und Anwendung 91VAKOG im Coaching 92Glaubenssätze im Coaching 94Denition von Glaubenssätzen 95Die Rolle von Glauben und Wissen 96Glaubenssätze als Motor oder Bremse 98Arbeit mit Glaubenssätzen im Coaching 99Individuelle, familiäre und kulturelle Glaubenssätze 99Bedürfnisse und Bedarf 101Begriffsdenitionen 101Die Bedürfnispyramide von Maslow 102Die Entwicklung der Bedürfnispyramide 102Beschreibung der fünf Stufen 103Dezitbedürfnisse und Wachstumsbedürfnisse 107Integration in die Coaching-Praxis 109Die Anderen und ich 110Der Mensch lebt in seiner Insel 1105

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Inselüberschneidungen 112Inseln und Distanz 113Die eigene Insel vergrößern und die Angst wird kleiner 115Brücken bauen 116Erziehungsprogramme 118Das individuelle Stressniveau 122Stressdenition 123Biologische Auswirkungen von Stress 125Psychische Auswirkungen von Stress 126Non-produktiver oder produktiver Stress? 126Belastungsanalyse im Coaching 128Was ist eine Belastung? 129Belastungsanalyse: Eine strukturierte Methode 129Durchführung der Belastungsanalyse 129Ziele beim Coaching zur Stressbewältigung 131Fünf Stressverhaltensmuster 132Stressbewältigungsstrategien 133Kurzfristige Stressbewältigungsstrategien 133Langfristige Stressbewältigungsstrategien 135Hauptstressoren des Menschen am Arbeitsplatz 137Hauptstressoren des Menschen im privaten Umfeld 139Lebensphasen und ihre Stressoren 141Abschließende Gedanken zu Stressoren und Stressbewältigung 143Coaching stärkt Gesundheit und Resilienz 144Was ist Gesundheit? 144Resilienz ist wichtig für uns alle 145Die Selbstregulation als Folge der Selbstreexion 145Volition als Voraussetzung der Zielerreichung 146Der Gegenspieler der Selbstregulation und Volition: Stress 147Coaching stärkt den Menschen durch zahlreiche Interventionen 148Coaching deckt wesentliche Gesundheitsbereiche ab 149Spiritualität im Coaching 150Eine große Ressource 151Integration von Spiritualität in das Coaching 152Ansätze zur Integration 152Integration von Gebeten 1536

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Gewaltfreie Kommunikation im Coaching 154Vorteile der gewaltfreien Kommunikation 155Ursprünge und Philosophie der gewaltfreien Kommunikation 156Tiefergehende Einblicke in die Entwicklung 156Kernannahmen der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg 158Unterscheidung zwischen Beobachtung und Interpretation 158Respekt vor der individuellen Sichtweise und Erfahrung 160Empathisches Zuhören 161Ehrliche Selbstkundgabe 161Die drei Säulen der Gewaltfreien Kommunikation 161Einfühlsames Zuhören 162Selbstempathie 162Achtsamer und ehrlicher Selbstausdruck 163Rosenbergs Konzept der Wolfs- und Giraffensprache 165Das Modell der vier Schritte 166Unterscheidung zwischen Beobachtung und Bewertung 166Unterscheidung zwischen Gefühlen und Gedanken 166Unterscheidung zwischen Bedürfnissen und Strategien 167Unterscheidung zwischen Bitten und Forderungen 167Work-Life-Balance als Grundpfeiler des Coachings 168Die Bedeutung der Balance im Leben 169Work-Life-Balance und Selbstfürsorge 169Der Coach als Begleiter bei der Work-Life-Balance 170Beispiel: Prioritäten setzen für eine gesunde Work-Life-Balance 170Interventionsmöglichkeiten bei Work-Life-Balance 172Kapitel 2: Das Handwerkszeug - Grundlagen I 175Offene und explorative Fragen 176Aktives Zuhören - Königsweg der Kommunikation 178Die Säulen des aktiven Zuhörens nach Rogers: 179Empathie: Die Grundlage empathischer Verbindung 179Akzeptanz: Der Schlüssel zu einem sicheren Raum 180Authentizität: Echtheit in der Kommunikation 180Techniken des aktiven Zuhörens 180Spiegeln 181Paraphrasieren 181Reektieren von Gefühlen 1827

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Nachrichtenübermittlung Verbalisieren 182Der Königsweg der Kommunikation 183Beispielhaes Coaching-Protokoll 183Die Stille im Coaching 184Die Bedeutung der Stille 185Warum Stille zum Reektieren benötigt wird 185Die Herausforderung der Stille für Coaching-Anfänger 186Gründe für die Schwierigkeit im Umgang mit Stille 186Überwindung der Herausforderungen 187Techniken zur Integration von Stille in Coaching-Sitzungen 188Die Tiefenstruktur des Wortes 189Emotionale Intelligenz im Coaching 190Die Säulen der emotionalen Intelligenz 190Selbstbewusstsein und Selbstregulierung 191Empathie: Das Herzstück der Coaching-Beziehung 191Die Rolle der emotionalen Intelligenz im Coaching-Prozess 191Schaffung einer unterstützenden Umgebung 191Umgang mit Herausforderungen 192Beispiel aus der Praxis 192Techniken zur Stärkung der emotionalen Intelligenz 192Selbstreexionstagebuch 193Achtsamkeitsmeditation 193Emotionale Vokabulararbeit 195Empathie-Rollenspiele 197Empathie-Vertiefungsübungen 198Kollegiales Feedback und Supervision 201Kollegiales Feedback 201Supervision 202Emotionsregulation 203Die transformative Kra von Feedback und Feedforward 206Feedback im Coaching: Ein Werkzeug zur Reexion und Entwicklung 207Feedforward im Coaching: Navigation in die Zukun 208Unterschied: Coaching-Feedback und traditionellem Feedback 209Bewertung vs. Entwicklung 209Rückblickend vs. Zukunsorientiert 209Kritik vs. Konstruktivität 2108

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Autorität vs. Partnerscha 210Einseitig vs. Dialogorientiert 210Nonverbale Kommunikation und Körpersprache 211Präsenzcoaching 212Online-Coaching 213Individualität im Coaching: Die Essenz der Einzigartigkeit 215Die Wissenscha hinter der Individualität 215Die Individualität in der Coaching-Praxis 216Verstehen heißt nicht einverstanden sein 217Die Bedeutung der empathischen Neutralität 218Schaffung eines sicheren Raumes 218Förderung der Selbstreexion und des Wachstums 218Validieren im Coaching-Kontext 219Anerkennung der individuellen Wahrnehmung 219Verbale und nonverbale Validierung 219Die Grenzen der Validierung 220Psychoedukation im Coaching 220RAIN-Methode – Achtsame Selbstwahrnehmung, emotionale Regulation 222Integration der RAIN-Methode im Coaching-Prozess 223Beispiel: RAIN-Methode im Coaching 223Kapitel 3: Das Handwerkszeug - Grundlagen II 225Effektive Interventionsstrategien 226Voraussetzungen für wirksame Interventionen 226Förderung des Bewusstseins 226Freiwilligkeit und Transparenz 227Orientierung am Coachingkonzept 227Berücksichtigung der äußeren Bedingungen 228Orientierung am Zeitrahmen 228Einordnung und Differenzierung von Interventionstechniken 229Systemische Ansätze 229Fragetechniken im systemischen Coaching 229Aktionsverfahren und Psychodrama 230Analytische und strukturierte Verfahren 232SWOT-Analyse 232SMART-Ziele 2339

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Anwendung strukturierter Methoden 233Imaginative Techniken in der Förderung von Veränderungsprozessen 233Fantasiereisen und geleitete Meditationen 234Zeitreisen 234Trance und Hypnose 235Weitere Ansätze im Coaching: EMDR, AuditiveCoaching©, NLP 235Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) 235Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP) 236AuditiveCoaching© - ein klangvoller Ansatz 236Kreative und künstlerische Methoden im Coaching 239AuditiveCoaching© 239Kunst- und Ausdruckstherapie 240Körperorientierte Techniken 240Muskeltests 241Klopechniken (EFT-orientiert) 242Die körperorientierte Dimension des AuditiveCoaching© 242Transpersonale und integrale Coaching-Techniken 243Achtsamkeitstraining 244Meditation 245Fragetechniken allgemein 247Offene Fragen 247Merkmale offener Fragen 247Nutzen im Coaching 248Reexive Fragen 249Nutzen für den Coach 249Nutzen für die Klientin 250Beispiele reexiver Fragen 250Skalierungsfragen 250Visualisierung von Fortschritt und Zustand 252Die Vielfalt der Skalierungsfragen 253Die Psychologie hinter der Wirksamkeit von Skalierungsfragen 256Fragen, die tiefer ins Problem führen. 257Gründe, die zur Vorsicht mahnen: 257Anwendung mit Bedacht 258Lösungsorientierte und ressourcenfokussierte Fragestellungen 259Zirkuläre Fragen 260Konzept und Anwendung 26110

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Beispiele für zirkuläre Fragen 261Vorteile und Nutzen 262Paradoxe Fragen 262Beispiele paradoxer Fragen 263Vorteile und Nutzen 264Die Wunderfrage 264Beispiele für die Wunderfrage: 265Vorteile und Nutzen 266Hypothetische Fragen 266Vorteile 267Verschlimmerungsfragen 268Nutzen 269Generalisierungen auösen 270Visualisierungstechniken 272Verschiedene Visualisierungstechniken im Coaching 273Vision Board 274Visualisierungsgeschichten 275Timeline-Visualisierung 277Beispiel: Timeline bei einem Umzug ins Ausland 279Das Konzept des ‚Inneren Teams‘ nach Schulz von un 280Grundlagen des Konzepts 281Funktionen des Inneren Teams 281Struktur des Inneren Teams 281Anwendung des Inneren Teams 282Umgang mit inneren Konikten 283Beispiel 1: Entscheidungsndung 283Beispiel 2: Persönliche Entwicklung 283Vorgehensweise detailliert 284Reexionsübungen 286Journaling 286Selbstreexionsfragen 288Visualisierungsübungen als Reexion 289Selbstbewertung 290Zukunsvisualisierung 292Biograearbeit 294Kognitive Techniken 29711

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Kognitive Verhaltenstherapie und Coaching 297Kognitive Umstrukturierung 299Reframing 305Beispielhaes Gesprächsprotokoll 308Reframing vs kognitive Umstrukturierung 312Rationale Analyse 313Rationale Analyse vs kognitives Umstrukturieren 315Affirmationen 319Glaubenssatzbearbeitung 320Kapitel 4: Der Coaching-Prozess 324Die Kontaktaufnahme 324Das Erstgespräch 326Die Anliegenklärung 328Eine Leitschnur 329Detaillierten Analyse des Ist-Zustands 331Erfassung der aktuellen Lebens- und Arbeitssituation 331Identizierung von Herausforderungen und Hindernissen 331Ressourcenerfassung und -aktivierung 331Integration der Reexion in die Ist-Analyse 332Förderung der Selbstreexion 332Bereitstellung konstruktiven Feedbacks 332Analyse wiederkehrender Verhaltensmuster 333Das Wheel of Life – Ein praktisches Tool zur Selbstreexion 333Anwendung des Wheel of Life im Coaching-Prozess 333Coaching-Fall: Fokus auf Finanzen, Gesundheit und Karriere 334Zieldenition 336Grundlagen der Zieldenition 337Einsatz der SMART-Regel 337Interventionen zur Unterstützung der Zieldenition 338Aktionsplanung 338Die Umsetzungsphase 340Die Evaluation 342Der Abschluss 344Die Rolle der Interventionen in den Coaching-Phasen 345Beispiele von möglichen Interventionen der Phasen 34712

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Anliegenklärung und Zielsetzung im Erstgespräch 347Analyse des Ist-Zustands: 349Entwicklung von Handlungsoptionen: 350Umsetzung und Aktionsplanung 353Reexion und Evaluation 354Abschluss und Transfer 356Die Entwicklung von Zielen und Messgrößen 357Was sind geeignete Messgrößen? 358Werte im Coaching 359Die SMART-Methode 361Weitere Methoden zur Zielentwicklung 361OKR (Objectives and Key Results): 362GROW-Modell: 364Wertebasierte Zielsetzung: 365Backward Goal Setting: 366Positive Affirmationen: 367Das Pre-Session-Change 368Hausaufgaben für den Klienten im Prozess 369Kapitel 5: Bewältigung von Widerständen und Herausforderungen im Coaching-Prozess 372Veränderungswiderstand 373Mangelndes Engagement 377Ursachen des mangelnden Engagements 377Strategien zur Vitalisierung des Klientenengagements 377Konikte im Coaching 380Strategien zur Koniktbewältigung 380Selbstsabotage und limitierende Glaubenssätze 381Ursprünge 381Strategien zur Überwindung 382Unerwartete Hindernisse 383Übertragung im Coaching-Prozess 384Grundlagen der Übertragung 385Auswirkungen der Übertragung im Coaching 385Umgang mit Übertragung im Coaching 386Kognitive Dissonanz im Coaching 38713

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Grundlagen 387Auswirkungen der kognitiven Dissonanz im Coaching 387Umgang mit kognitiver Dissonanz im Coaching 388Der Mechanismus der Projektion im Coaching 388Auswirkungen der Projektion im Coaching 389Erkennen und Umgang mit Projektionen im Coaching 389Wenn das Coaching nicht fruchtet 390"Das habe ich schon vorher gewusst“ 392Verliebtheit im Coaching als Herausforderung 394Vermeidung emotionaler Erschöpfung des Coaches 396Unklare Erwartungen 399Kulturelle und sprachliche Unterschiede 400Übertragung von Verantwortung im Coachingprozess 401Die Herausforderung unrealistischer Erwartungen an schnelle Lösungen 403Digitales Coaching und die Herausforderungen der Technologieabhängigkeit 404Messung des Coaching-Erfolgs: Herausforderungen und Strategien 406Kapitel 6: Der Reichtum an Coachingtechniken 408Die logischen Ebenen nach Dilts aus dem NLP 409Die Ebenen 410Vorbereitung 411Protokoll: Anwendung der logischen Ebenen nach Dilts 413Schritt 1: Denieren des Ziels und SMART-Regeln: 413Schritt 2: Vorbereitung der Bodenanker 413Schritt 3: Durchführung der Bodenankerübung: 413Schritt 4: Zusammenfassung und Reexion 414Schritt 5: Vereinbarung von Handlungsschritten 415Schritt 6: Abschluss: 415Schritt 6: Rückkehr zur Ausgangsebene und Abschluss: 415Schritt 7: Evaluierung 418Weitere Beispiele 419Die Identitätsebene genauer betrachtet 421Praktische Übungen zur Unterstützung der Identitätsebene 422Positive Psychologie und stärkenbasiertes Coaching 423PERMA-Modell 42414

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Positive Emotionen (P) 424Engagement (E) 424Beziehungen (R) 425Sinn (M) 425Leistung (A) 425Stärken und Tugenden 426Resilienz und Wachstum 428Positive Psychologie - Anwendung im Alltag und Coaching 431Stärkebasiertes Coaching 432Schritt 1: Stärkenidentikation 433Schritt 2: Stärkenentwicklung 435Schritt 3: Anwendung von Stärken in neuen Kontexten 436Schritt 4: Auau von Resilienz durch Stärken 437Schritt 5: Stärkenbasiertes Feedback 438Integration positiver Psychologie und stärkebasiertem Coaching 439Beispiele zur Positiven Psychologie im Coaching 441Führungskra ndet Sinn und Engagement 441Karrierewechsel mit Positiver Psychologie 442Beispiele zu stärkebasiertem Coaching 442Positive Emotionen fördern 444Resilienz und Bewältigung 446Zielorientierung und Selbstwirksamkeit 447Fokus auf das Positive 449Praktische Beispiele 450Weitere Techniken 452Die WOOP-Methode: Systematischer Ansatz zur Zielsetzung 452Übung: Visualisierung eines optimalen Lebens 454Achtsamkeitsbasierte Stärkenpraxis: Integration im Coaching 455Positive Psychotherapie für Coaches in Heilberufen 457Der Dankbarkeitsbesuch 457Stressbewältigungspräparation: Ein proaktiver Ansatz 459Active-Constructive Responding im Coaching 460Stärken-Spotting bei Anderen 462Job Craing im Coaching: Gestaltung erfüllender Arbeitsrollen 464Stärkenbasiertes Feedback im Coaching 466Systemisches Coaching und die Arbeit mit Organisationen 467Systemisches Denken 47015

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Naturbasierte Methoden 523Integrale Anwendung - Voraussetzungen 523Förderung der Kreativität im Coaching 525Cross-Disziplinäre Inspiration 525Kreativitätsworkshops für Coaches 526Einsatz von Kreativitätstechniken im Coaching 527Reexion und Supervision 533Co-kreative Prozesse mit dem Klienten 534Einsatz visueller Tools und Medien 537Rollen- und Zukunssimulationen 540Feedback-Loops und Reexion 541Ganzheitliche Zielsetzung im integralen Coaching 542Merkmale der ganzheitlichen Zielsetzung 543Unterschiede zur klassischen Zieldenition 544Weitere Interventionen für ganzheitliches Coaching 548Reexion über Lebenssinn und Zweck: 548Achtsamkeitspraxis im integralen Coaching 552Begriffsklärungen vorab: Visualisieren, Visioning und Imagination 558Visualisierung und Meditation im Coaching 560Visioning-Übungen im integralen Coaching 561Imaginationen 564Techniken zur Förderung der Imagination im integralen Coaching 565Anleitung zur Durchführung einer geführten Fantasiereise 569Entwicklung individueller Fantasiereisen 571Rituale und Zeremonien 573AuditiveCoaching© - Coaching mit Musik, Klang und Gesang 576Musikalische Interventionen im AuditiveCoaching© 577Funktionen der Musik im AuditiveCoaching© 577Vorteile des AuditiveCoaching© 578Schlusswort 581Über die Autorin 583Stichwortverzeichnis 584Weiterführende empfohlene Literatur 592Von der Autorin erschienene Bücher 59417

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Vorwort Mein Weg in die Welt des Coachings begann viel früher, als ich es je erwartet hätte. Erste Erfahrungen sammelte ich als 12jährige in der Leitung von Kindergruppen. Damals ahnte ich nicht, dass diese Erlebnisse mein Leben so tiefgreifend prägen würden. Diese frühe Erfahrung war der Anfang einer Reise voller Entdeckungen und Einsichten. Später, in meiner internationalen Tätigkeit in der Geschäsleitung eines Technologieunternehmens, wurden diese Erfahrungen weiter bereichert. Die dort gesammelten Eindrücke eröffneten mir neue Perspektiven und vertieen mein Verständnis für die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Dynamik des Wandels in unserer schnelllebigen Welt. Getrieben von der Neugier, was das Leben wirklich ausmacht und warum manche Menschen selbst in den schwierigsten Zeiten ein Lächeln bewahren, vertiee ich mich in das Studium der menschlichen Natur. Hinzu kam, meine Reise durch die Welt der Musik. Diese ließ mich die emotionalen Tiefen des Daseins erkunden, und als aufmerksame Beobachterin des Lebens sammelte ich unauörlich neue Erkenntnisse. Die Veränderungen, die ich in Menschen sah, die mit ihren tiefsten Ängsten und größten Freuden konfrontiert wurden, berührten mich zutiefst. Dieser tiefe Wunsch zu verstehen und zu unterstützen, führte schließlich zur Gründung meiner Coachingakademie und letztendlich zur Entstehung dieses Buches, ‚Die Kunst des Coachens‘. Dazwischen liegen mehr als 15 Jahre. Dieses Werk ist mehr als ein einfacher Leitfaden; es ist das Ergebnis unzähliger Stunden in Coaching-Sitzungen, intensiver Forschung und persönlicher Reexion. Es spiegelt meine feste Überzeugung wider, dass Coaching eine Kunst ist, die es uns ermöglicht, das verborgene Potenzial in anderen zu entdecken und zur vollen Entfaltung zu bringen. Genau in dieser Zeit des Umbruches, die voller Herausforderungen und Veränderungen ist, habe ich 'Die Kunst des Coachings' als Inspirationsquelle und Wegweiser für dich konzipiert. Mein Ziel ist es, dich zu einer tieferen Beschäigung mit den Kernprinzipien des Coachings zu ermutigen - von der Entwicklung vertrauensvoller Beziehungen zu Klienten bis hin zur Meisterung der Kunst effektiver Kommunikation und emotionaler Intelligenz. Ich lade dich ein, dieses Buch nicht nur zu lesen, sondern es zu erleben, zu fühlen und es als Begleiter auf deinem eigenen Weg zu sehen. Ich hoffe sehr und wünsche mir, dass dir dieses 18

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Buch Licht in Momenten der Frustration ist als auch Freude und Inspiration auf deiner Reise bringt, die Liebe zum Leben, denn darum geht es letztendlich immer, in uns allen zu entdecken und zu entfalten. Namasté, Deine Martina M. Schuster Mai 2025 P. S. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich im Buch meist das generische Maskulinum. Diese Entscheidung dient ausschließlich dem Schreibuss und der Klarheit. Selbstverständlich sind immer alle Menschen gemeint – unabhängig von Geschlecht oder geschlechtlicher Identität. 19

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Einleitung Pantha Rei ... alles ist im Fluss. Veränderung ist die einzige Konstante, die uns das Leben bietet. Die Welt wandelt sich unauörlich – persönlich wie beruich – und genau darin liegt die wachsende Bedeutung des Coachings. Denn Menschen brauchen heute mehr denn je Unterstützung, um ihre innere Stärke zu entfalten und ihre Potenziale zu erkennen. Coaching ist mehr als das Anwenden von Methoden – es ist eine Kunst. Eine Kunst, die Menschen hil, sich selbst zu reektieren, neue Perspektiven zu gewinnen und kreative Lösungen zu nden. Doch was bedeutet es wirklich, Coach zu sein? Welche Fähigkeiten braucht es, um echte Veränderung zu ermöglichen? Dieses Buch ist eine Reise durch die wesentlichen Prinzipien des Coachings – sorgfältig kuratiert, fundiert und praxisnah. Du erhältst Einblicke in emen wie Vertrauensauau, Kommunikation, emotionale Intelligenz und Selbstreexion. Neben theoretischem Wissen wirst du viele praktische Werkzeuge nden, die dir helfen, deine Coachingpraxis zu vertiefen. Ein zentrales Fundament dieses Buches ist das humanistische Menschenbild. Es sieht den Menschen als autonomes Wesen, das alle notwendigen Ressourcen in sich trägt, um zu wachsen. Für uns Coaches bedeutet das: Wir begegnen dem Menschen auf Augenhöhe – mit Respekt, Vertrauen und dem Bewusstsein, dass er selbst Gestalter seines Lebens ist. Coaching heißt, Raum zu geben für Entfaltung. Es bedeutet, zuzuhören, zu begleiten – nicht zu lenken, oder zu beraten. Die Aufgabe des Coaches ist nicht, Lösungen vorzugeben, sondern die Ressourcen und das Potenzial des Gegenübers zu aktivieren. Wir beschäigen uns in diesem Buch auch mit den ethischen Grundlagen des Coachings – denn sie sind die Basis jeder vertrauensvollen Beziehung. Du wirst lernen, wie Rapport entsteht, was empathisches Zuhören wirklich bedeutet und wie kravolle Fragen den Weg zu innerer Klarheit öffnen können. Der Coachingprozess wird dabei als Ganzes erlebbar: Von der Zielklärung über Analyse und Strategieentwicklung bis hin zur Umsetzung. Ergänzt durch Übungen und Beispiele soll dir dieses Buch helfen, deinen eigenen Stil zu nden und zu vertiefen. 20

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Dieses Werk ist nicht nur ein Handbuch – es ist eine Einladung. Eine Einladung, die Tiefe des Coachings zu entdecken und dich als Coach weiterzuentwickeln. Denn Coaching ist nicht bloß ein Beruf. Es ist Berufung, Haltung – und manchmal auch eine Lebenskunst. Hinweis zur Vertiefung und Weiterführung: Trotz seines Umfangs bildet dieses Buch nur einen Teil meiner Arbeit ab. Viele vertiefende Inhalte und Erfahrungswissen vermittle ich ausschließlich im Präsenzunterricht – dort, wo Beziehung, Intuition und erlebtes Lernen im Vordergrund stehen. Einige zentrale emen wie etwa die klassischen kognitiven Verzerrungen – also mentale Muster, die unser Denken beeinussen – konnten aus Platzgründen nicht vollständig behandelt werden. Weil sie jedoch für die Praxis besonders wertvoll sind, plane ich ein ergänzendes Arbeitshe. Es wird zentrale Verzerrungen erklären und praktische Übungen zur Selbstreexion enthalten – als zusätzliche Unterstützung für deine Entwicklung als Coach. Ich lade dich ein, dieses Buch als Inspiration und Begleiter zu nutzen – auf deinem Weg, Menschen achtsam und kravoll zu begleiten. 21

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Kapitel 1: Grundlagen des Coachings!In diesem Kapitel begegnen wir den essentiellen Grundlagen, die für jede angehende Coachin unentbehrlich sind. Beginnen wir mit der Frage, warum man sich für diesen Berufsweg entscheiden könnte bzw. entschieden hat, und erkunden die zunehmende Bedeutung von Coaching in unserer heutigen Gesellscha. Ich führe Dich durch die Denition von Coaching und stelle die Verbindung zum humanistischen Menschenbild her, das den Kern unserer Praxis bildet. Zentral ist dabei vor allem auch die Lösungsorientierung im Coaching, wir schauen aber auch auf die Unterschiede, die das Coaching von beratenden Berufen abgrenzt, wie dem Mentoring, dem Training oder der klassischen Beratung. Auch ist wichtig, dass Coaching nicht erapie ist. Wir sprechen über die Kunst der Wahrnehmung – eine Fähigkeit, die es uns ermöglicht, unsere eigene Realität und die unserer Klienten bewusst zu gestalten. Durch den Fokus auf Wahrnehmung und die Arbeit mit Glaubenssätzen erschließen wir, wie tief verankerte Überzeugungen uns antreiben oder bremsen können. Die Gesundheit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, und daher wirst du in diesem Kapitel auch erkennen, wie Coaching nicht nur die geistige und emotionale, sondern auch die körperliche Gesundheit fördern kann, indem es die Resilienz stärkt und zu einer ausgewogenen Selbstregulation beiträgt. Dieses Kapitel ist eine Einladung, die Vielschichtigkeit und Tiefe des Coachings zu entdecken, und bietet eine solide Basis, auf der Du Deine eigene Coaching-Praxis auauen kannst. Ich beginne nun unsere Reise mit einer klaren Landkarte, die dich durch die vielfältigen Landschaen des Coachings führt, immer mit dem Ziel, die besten Coaches auszubilden, die ihre einzigartigen Fähigkeiten in die Welt tragen. Deine Motivation Am Anfang steht ein Gedanke und ein Gefühl oder umgekehrt. Bevor wir in die tieferen Schichten des Coachings vordringen, möchte ich dich zu einer wichtigen Reexion einladen: Warum hast du dich für den Weg des Coachings entschieden, warum interessiert dich dieser Weg? Wenn du bereits in diesem Beruf tätig bist, was ist es, das dich jeden Tag aufs Neue inspiriert und motiviert? Welche Antwort gibst 22

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du dir selbst auf diese Frage? Es gibt vor allem zwei Hauptgründe, die Menschen zum Coaching ziehen oder sie darin bestärken, sich weiterzuentwickeln: -Persönliche Transformation: Vielleicht hast du selbst eine Phase tiefgreifender Veränderungen erlebt, in der du großen Herausforderungen gegenüberstandest. Coaching hat dir gezeigt, welche transformative Kra darin verborgen liegt – wie es befreit, den Horizont erweitert und neue Wege aufzeigt. Diese einschneidende Erfahrung hat in dir den Wunsch geweckt, auch anderen bei ihrer Selbstndung und beim Überwinden von Hindernissen zu helfen. Du möchtest sie unterstützen, ihre wahre Essenz zu entdecken und zu leben. -Intrinsische Faszination: Vielleicht hat dich schon immer ein starkes Interesse an emen wie Persönlichkeitsentwicklung, menschliches Verhalten und emotionale Intelligenz begleitet. Diese tiefe Leidenscha führte dich zum Coaching, angetrieben von dem Wunsch, das verborgene Potenzial in jedem Menschen zu erkennen und zu fördern. Du willst zu ihrem persönlichen und beruichen Wachstum beitragen. Welcher dieser Beweggründe tri auf dich zu? Oder gibt es eine andere, ganz persönliche Inspiration, die dich zum Coaching hingezogen hat? Coaching in der aktuellen Zeit Wir leben in einer Ära des Umbruchs, in der viele Menschen verunsichert sind und sich nach Orientierung sehnen. Die Konstante des Lebens ist der Wandel, und so stand der Mensch schon immer vor Herausforderungen, die es zu meistern galt. Die heutige Zeit bringt jedoch eine Fülle neuer Herausforderungen mit sich: Risiken, Ängste, Sorgen und ein Meer an Unsicherheiten, besonders in den bisher als 'sicher' geltenden Industrienationen. In solch turbulenten Zeiten ist es entscheidend, dass Menschen ihre individuelle Identität und ihr authentisches Selbst erkennen und entfalten. Warum? Weil sie daraus Kra und Energie schöpfen können und müssen. Denn es geht nicht darum, im Gleichschritt mit anderen zu marschieren, sondern darum, zu der Person zu werden, die man wirklich sein möchte – sein authentisches, originelles Selbst herauszuarbeiten. Dies erfordert Mut, Selbstreexion und eine tiefe Verbindung zu den eigenen Werten und Träumen. Jeder Mensch ist einzigartig, mit einzigartigen Fähigkeiten und Talenten, die dazu beitragen können, unsere Gemeinscha zu bereichern. Wir stehen an einem 23

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Wendepunkt, an dem wir die Möglichkeit haben, die Welt zu einem besseren und freieren Ort zu machen. Die weltweiten gesellschalichen Veränderungen und das Aurechen alter Strukturen zeigen uns, dass es so nicht weitergehen kann. Oberächlichkeiten und Machtkämpfe haben bereits viele Opfer gefordert. In einer Gesellscha, die zunehmend von äußeren Einüssen, Erwartungen und Normen geprägt ist, kann es eine Herausforderung sein, die eigene Individualität zu bewahren und zu entfalten. Hier kommt die entscheidende Rolle des Coachings ins Spiel. Coaching hat schon immer – und wird zukünig noch mehr – eine zentrale Bedeutung dabei, Menschen zu unterstützen, ihre inneren Ressourcen zu erkennen und zu nutzen, um ein erfülltes und authentisches Leben zu führen. Durch gezielte Fragen, Reexionsübungen und persönliche Unterstützung hil ein Coach seinen Klienten, Klarheit über ihre Ziele, Werte und Bedürfnisse zu gewinnen und mutige Schritte in Richtung ihres gewünschten Lebens zu unternehmen. Gerade weil o äußere Einüsse und gesellschaliche Normen über das individuelle Wohlbenden und die Selbstverwirklichung gestellt werden, ist es heute in dieser Zeit der Umbrüche, wichtiger denn je, dass Menschen lernen, auf ihr eigenes Gefühl zu vertrauen und ihrem inneren Kompass zu folgen. Ein Coach bietet dabei nicht nur praktische Werkzeuge und Techniken zur persönlichen Entwicklung, sondern auch eine unterstützende und einfühlsame Begleitung auf dem Weg zu einem authentischen und erfüllten Leben. Definition Coaching Nachdem es wichtig ist, dass wir von der identischen inhaltlichen Bedeutung ausgehen, soll nun ‚Coaching‘ deniert werden. Denn Coaching ist ein Begriff, der zwar weit verbreitet, jedoch nicht einheitlich deniert ist und keinem geschützten Gebrauch unterliegt. Die Herkun des Wortes „Coach“ lässt sich auf das englische Wort für „Kutsche“ zurückführen, ein Fortbewegungsmittel, das Menschen von einem Ort zum anderen bringt. In einer ähnlichen Metapher wird Coaching als Vehikel betrachtet, welches den Coachee, den Fahrgast, begleitet. Der Coach fungiert hierbei als neutraler Begleiter, während der Coachee selbst sein Ziel festlegt. Diese Analogie liefert ein anschauliches Bild der Coaching-Rolle. 24

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Hier wird Coaching als lösungs- und zielorientierte Unterstützung verstanden, die Menschen dabei hil, in den Spannungsfeldern ihres Privatlebens, ihrer Karriere oder innerhalb von Organisationen zurechtzukommen. In der kooperativen Arbeit mit dem Coach sollen Klienten mehr Klarheit, Handlungsfähigkeit und Bewältigungskompetenz entwickeln. Coaching wird somit als handlungsorientierte und fördernde Interaktion angesehen, die auf einer gleichberechtigten und partnerschalichen Zusammenarbeit basiert. 1Ziele und das humanistische Menschenbild Warum entscheidet sich eine Person dazu, die Unterstützung einer Coachin in Anspruch zu nehmen? Im Kern zielt Coaching darauf ab, die Selbstreexion zu fördern und die Klienten dazu zu befähigen, ihre Wahrnehmung, ihr Erleben und ihr Verhalten aus eigener Kra zu verbessern. Eine Coachin begleitet ihre Klienten auf dem Weg zur Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele oder zur Lösung spezischer Probleme. Dabei ist es stets der Coachee selbst, der die Richtung und das spezische Ziel des Coaching-Prozesses deniert. Coaching zeichnet sich durch seine Effizienz aus, indem es eine Vielfalt an Interventionstechniken nutzt, die aus den reichhaltigen Feldern der Psychologie, Verhaltensforschung und weiteren wissenschalichen Disziplinen schöpfen. Diese Methodenvielfalt ermöglicht maßgeschneiderte und wirkungsvolle Ansätze zur persönlichen Entwicklung. Die Philosophie, die sowohl diesem Buch als auch meinen Coaching-Sitzungen aber vor allem meinen Coachingausbildungen zugrunde liegt, fußt auf dem humanistischen Menschenbild. Dieser Ansatz vertritt die Überzeugung, dass jeder Mensch bereits alle notwendigen Ressourcen in sich trägt, um seine Herausforderungen eigenständig zu meistern. Diese Ressourcen mögen dem Einzelnen momentan verborgen sein oder noch nicht vollständig erschlossen. Eine Coachin unterstützt den Coachee dabei, diese inneren Schätze zu entdecken und nutzbar zu machen. Sie scha einen vertrauensvollen und sicheren Raum, in dem Siehe Greif, S., Schmidt, A. M., & amm, A. (2017). Coaching und Beratung: 1Wissenschaliche Grundlagen und praktische Anwendung. Springer. Siehe auch Bachkirova, T., Spence, G., & Drake, D. R. (2019). e SAGE Handbook of Coaching. 25

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der Coachee neue Perspektiven gewinnen und transformative Einsichten erlangen kann. Dieser Prozess befähigt die Klienten, ihre selbst gesteckten Ziele effektiv zu erreichen und sich als Urheber ihrer eigenen Veränderung zu begreifen. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, proaktiv zu handeln und die notwendigen Schritte zur Verwirklichung ihrer Ambitionen einzuleiten. Das humanistische Menschenbild hebt die Würde, Selbstbestimmung und die inhärenten Fähigkeiten des Menschen hervor. Der Mensch steht dabei im 2Zentrum, und seine individuellen Bedürfnisse, Werte und Potenziale werden als wesentlich erachtet. Ein Schlüsselelement dieses Weltbildes ist die Betonung des Rechts jedes Einzelnen auf Selbstbestimmung und die persönliche Verantwortung für das eigene Leben. Es unterstreicht die Auffassung, dass jeder Mensch das Potenzial zur Selbstverwirklichung und zur Entfaltung seiner individuellen Fähigkeiten in sich trägt. Im Coaching-Kontext wird dieses Menschenbild durch die Erschaffung einer unterstützenden und bestärkenden Umgebung gefördert, die den Coachee dazu anregt, seine eigenen Stärken zu erkennen, zu nutzen und seine Ziele zielstrebig zu verfolgen. Dieser Ansatz würdigt die Einzigartigkeit jedes Individuums und seine Fähigkeit, das eigene Leben aktiv zu gestalten und kontinuierliches persönliches Wachstum zu verfolgen. Er trägt entscheidend dazu bei, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen, in der Coachees ermutigt werden, ihr volles Potenzial zu entfalten und ein Leben im Einklang mit ihren tiefsten Werten und Überzeugungen zu führen Die hinter Coaching stehende Philosophie steht in einem engen und bedeutsamen Zusammenhang mit den Zielen des Coachings. Diese tiefe Verwurzelung der Philosophie in den Coaching-Prozess ist keineswegs zufällig, sondern bildet das Fundament, auf dem die Ziele und Methoden des Coachings auauen. Im Mittelpunkt des humanistischen Ansatzes steht die Überzeugung, dass jeder Mensch von Natur aus nach Wachstum, Entwicklung und der Verwirklichung seines individuellen Potenzials strebt. Diese grundlegende Annahme spiegelt sich direkt in den Zielen des Coachings wider, welche die Inhärente Fähigkeiten beziehen sich auf die angeborenen oder von Natur aus vorhandenen 2Talente, Stärken und Potenziale, die jeder Mensch mit sich bringt. Diese Fähigkeiten sind nicht durch äußere Umstände oder Einüsse erlernt oder erworben, sondern sie sind tief in der Persönlichkeit und dem Wesen eines Menschen verankert. Das humanistische Menschenbild betont, dass jeder Mensch diese inhärenten Fähigkeiten besitzt und dass es wichtig ist, sie zu erkennen und zu entwickeln. Die Idee dahinter ist, dass jeder Mensch das Potenzial hat, sich selbst zu verwirklichen und seine individuellen Stärken und Talente zu entfalten.26

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Förderung der Selbstreexion, die Steigerung der Selbstwahrnehmung und das Erreichen von selbstgesteuerter Verbesserung in verschiedenen Lebensbereichen umfassen. Durch die Annahme, dass alle Menschen bereits die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten in sich tragen, um ihre Ziele zu erreichen und Herausforderungen zu bewältigen, betont das Coaching die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Coachees. Dies steht im Einklang mit dem Ziel des Coachings, den Coachee zu befähigen, eigene Lösungswege zu nden und umzusetzen. Der Coach agiert dabei als Katalysator, der die Selbstentdeckung und -verwirklichung des Coachees unterstützt, ohne direktive Lösungen vorzugeben. Darüber hinaus fördert die humanistische Perspektive ein tiefes Verständnis für die Einzigartigkeit jedes Individuums. Dies respektiert und würdigt die individuellen Bedürfnisse, Werte und Ziele des Coachees, was wiederum eine maßgeschneiderte und personenzentrierte Herangehensweise im Coaching-Prozess ermöglicht. Die Ziele des Coachings sind somit eng mit der dahinterstehenden Philosophie verwoben, da sie die Autonomie, das Wachstum und die persönliche Entwicklung des Coachees in den Vordergrund stellen. Die Betonung der persönlichen Verantwortung und des Selbstbestimmungsrechts innerhalb des humanistischen Menschenbildes fordert den Klienten heraus, selbst aktiv an seinem Ent-wicklungsprozess teilzunehmen und die Verantwortung für seine Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen. Dies stärkt das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit des Coachees, was essenziell für die Erreichung seiner Coaching-Ziele ist. 3Lösungsorientierung im Coaching Die lösungsorientierte Ausrichtung im Coaching ist tief im humanistischen Menschenbild verwurzelt, welches die Würde, Selbstbestimmung und die inhärenten Ressourcen des Individuums hervorhebt. Dieser Ansatz priorisiert die Aktivierung und Stärkung der individuellen Potenziale und Ressourcen des Klienten, im Einklang mit den Prinzipien des humanistischen Weltbildes. Im Mittelpunkt dieses Prozesses steht nicht die Problemzentrierung, sondern eine Siehe hierzu als weiterführende Quelle: Rogers, Carl, Entwicklung der Persönlichkeit, 3Original: On Becoming a Person (1961), Verlag: Klett-Cotta (deutsche Ausgabe). Maslow, Adam Motivation und Persönlichkeit" (Original: "Motivation and Personality", 1954)27

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konsequente Fokussierung auf die einzigartigen Stärken, Kompetenzen und bisherigen Erfolge des Klienten. Dabei begleitet der Coach den Klienten unterstützend auf seinem Weg, eigene Lösungswege zu entdecken und zu beschreiten, indem er dessen Selbstwahrnehmung schär und zur Mobilisierung persönlicher Ressourcen anregt. Es wird, wie oben dargestellt, davon ausgegangen, dass der Klient grundsätzlich über alle notwendigen Fähigkeiten verfügt, um sein Leben proaktiv zu gestalten und Herausforderungen erfolgreich zu meistern. In dieser partnerschalichen Beziehung ermutigt der Coach den Klienten, neue Perspektiven zu erkunden, die Selbstreexion zu vertiefen und zielführende Schritte zu denieren, die zur Realisierung persönlicher Anliegen beitragen. Durch die konstruktive Betonung der individuellen Ressourcen und Fähigkeiten unterstützt die lösungsorientierte Herangehensweise nicht nur die Stärkung des Selbstvertrauens und der Selbstwirksamkeit des Klienten, sondern ebnet auch den Weg zur Entfaltung seines vollen Potentials, was zu einem sinnerfüllten und authentischen Leben führt. Wichtig ist dabei, sich nicht übermäßig in der Problemanalyse zu verlieren, da der Schwerpunkt auf der Entwicklung und Umsetzung von Lösungen liegt. Eine übermäßige Fokussierung auf das Problem kann zu einer Pathologisierung führen, die dem lösungsorientierten und ressourcenbasierten Coachingansatz widerspricht. Stattdessen wird durch diesen Ansatz ein Rahmen geschaffen, in dem der Klient befähigt wird, über bestehende Schwierigkeiten hinauszublicken und seine Energie auf die Konstruktion positiver Veränderungen und Lösungen zu richten. Abgrenzungen In der Coachingliteratur aber auch im allgemeinen sprachlichen Umgang mit dem Wort ‚Coaching‘ treffen wir immer wieder auf folgende Begriffe: erapie, Beratung, Mentoring und Training. Diese sind jedoch inhaltlich streng vom Coaching abzugrenzen, vor allem die erapie. Da dies beim Coachen wesentlich ist, werden wir hier einen genaueren Blick darauf werfen. 28

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Therapie In der professionellen Praxis des Coachings ist eine präzise Differenzierung von therapeutischen Maßnahmen von größter Bedeutung. Während Coaching und erapie in der Anwendung bestimmter Interventionsmethoden Über-schneidungen aufweisen können, sind die beiden Disziplinen keinesfalls synonym zu verwenden. Ein zentraler Unterscheidungsfaktor liegt in der Zielgruppe: Coaching wendet sich an Individuen, die eine intakte Selbstregulierungsfähigkeit besitzen und nach strategischen Verbesserungen oder Veränderungen in spezischen Lebensaspekten suchen. Im Gegensatz dazu fokussiert die erapie häug auf die Heilung und Behandlung psychischer Störungen, wohingegen der Coach auf keinen Fall die Rolle eines Heilers einnehmen darf und dementsprechend auch keine Heilungszusagen macht. Insbesondere in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, sind aufgrund gesetzlicher Bestimmungen klare Abgrenzungen zwischen Coaching und erapie festgelegt. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen sind essentiell, um die Integrität und Autonomie des Coachings als eigenständige Profession zu wahren und seine Funktion als Begleitung zur persönlichen Weiterentwicklung unmissverständlich zu denieren. In der Praxis des Coachings können Situationen aureten, die eine sensible Navigation im Grenzbereich zur erapie erfordern. Nachfolgend werden einige Beispiele solcher Situationen skizziert und erläutert, wie eine professionelle Coachin in diesen Fällen agieren sollte: -Umgang mit traumatischen Erlebnissen: Ein Klient spricht im Coaching unerwartet über frühere traumatische Erlebnisse, die sein gegenwärtiges Verhalten beeinussen. Verhalten der Coachin: Sie anerkennt die Erfahrungen des Klienten und dessen Mut, sie zu teilen, macht jedoch deutlich, dass eine tiefgehende Aufarbeitung solcher Traumata den Rahmen des Coachings überschreitet. Sie empehlt dem Klienten, spezialisierte therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. -Angstzuständen oder Depressionen: Ein Klient spricht während des Coachings über Angststörungen oder depressiven Verstimmungen, die seine Lebensführung signikant beeinträchtigen. Verhalten der Coachin: Obwohl die Coachin unterstützend wirkt und Techniken zur Stressbewältigung anbieten kann, verdeutlicht sie, dass solche psychischen 29

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Zustände professionell bewertet und behandelt werden sollten. Sie ermutigt den Klienten, fachkundige Hilfe zu suchen. Sie kann und darf solche emen nicht mit dem Klienten bearbeiten. -Selbstwert- und Identitätskrisen: Ein Klient bendet sich in einer tiefgreifenden Selbstwert- oder Identitätskrise, die grundlegende Fragen des Selbstbildes und der Lebensausrichtung aufwir. Verhalten der Coachin: Die Coachin kann Rahmenbedingungen schaffen, in denen der Klient seine Stärken erkundet und positive Veränderungen initiiert. Sie achtet dabei sorgfältig darauf, die Grenzen zum therapeutischen Arbeiten nicht zu überschreiten und empehlt bei Bedarf entsprechende psychologische Fachleute aufzusuchen. In all diesen Fällen ist es für die Coachin entscheidend, ihre Kompetenzgrenzen zu erkennen und zu respektieren. Sie sollte stets transparent kommunizieren, dass das Coachingziel in der Entwicklung und Umsetzung konkreter, zukunsorientierter Strategien liegt und nicht in der Heilung psychischer Leiden. Die Bereitscha, bei Bedarf an geeignete Fachkräe zu verweisen, unterstreicht ihre professionelle Integrität und die Wahrung der Klienteninteressen. Mentoring Mentoring unterscheidet sich grundlegend vom Coaching durch die Art der Beziehung, die zwischen einem erfahrenen Mentor und einem weniger erfahrenen Mentee etabliert wird. In diesem Kontext fungiert der Mentor nicht nur als Ratgeber, sondern auch als Vorbild, indem er seine umfangreichen Erfahrungen, tiefgreifenden Kenntnisse und wertvollen Ratschläge teilt. Die Dynamik im Mentoring fokussiert weniger auf die Förderung von Selbstbewusstsein und Selbstreexion – Kernelemente des Coachings – sondern vielmehr auf die direkte Weitergabe von spezischem Wissen und praktischen Fähigkeiten. Im Gegensatz zum Coaching, das primär auf die Unterstützung des Coachees bei dessen individuellen Prozess der Selbstndung und persönlichen Entwicklung abzielt, legt das Mentoring den Schwerpunkt auf die Vermittlung von fachlichem Know-how und beruicher Expertise durch eine persönlich geprägte Beziehung. Diese Unterscheidung spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie Mentoren und Mentees interagieren und voneinander lernen. 30

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Ein illustratives Beispiel für eine effektive Mentoring-Beziehung könnte die Partnerscha zwischen einem erfahrenen Sowareentwickler und einem Berufseinsteiger in derselben Branche darstellen. Hier könnte der Mentor wertvolle Zeit investieren, um mit dem Mentee Codes zu analysieren, branchenübliche Best Practices zu erörtern und gemeinsam an konkreten Projekten zu arbeiten. Darüber hinaus könnte der Mentor unterstützend dabei wirken, den Mentee in die Unternehmenskultur zu integrieren, beim Setzen beruicher Ziele zu assistieren und Strategien zur beruichen Weiterentwicklung zu entwerfen. Durch eine solche Mentoring-Beziehung erhält der Mentee eine einzigartige Gelegenheit, unmittelbar von den reichhaltigen Erfahrungen und dem fundierten Wissen des Mentors zu protieren, was eine signikante Beschleunigung seiner beruichen Entwicklung zur Folge haben kann. Die Bereicherung, die Mentoring sowohl für den Mentor als auch für den Mentee mit sich bringt, liegt nicht nur in der Wissensvermittlung, sondern auch im Auau einer vertrauensvollen und unterstützenden Beziehung, die über beruiche Aspekte hinausgeht und persönliches Wachstum fördert. Training Training (Teaching) repräsentiert eine formalisierte Methode des Lernens, die primär darauf ausgerichtet ist, spezische Fertigkeiten, Kenntnisse oder Verhaltensweisen zu vermitteln und zu optimieren. Im Kontrast zu Coaching und Mentoring, welche die persönliche und beruiche Entwicklung des Einzelnen in den Fokus rücken, liegt der Kern des Trainings in der zielgerichteten Aneignung und Verbesserung denierter Kompetenzen. Diese Zielsetzung wird häug durch strukturiert aufgebaute Lernprogramme, instruktive Vorträge und praxisorientierte Übungseinheiten realisiert. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet ein Unternehmenskontext, in dem ein mehrere Tage umfassendes Schulungsprogramm implementiert wird, um Mitarbeitende in der Anwendung einer neu eingeführten Soware zu schulen. Hierbei könnten die Teilnehmenden durch eine Kombination aus theoretischen 31

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Einführungen und hands-on Trainingsmodulen die Funktionalitäten und 4optimalen Einsatzmöglichkeiten der Soware erlernen. Ein weiteres Beispiel effektiver Trainingsmaßnahmen ist ein Workshop zur Steigerung der Präsentationskompetenz, bei dem Fachkräe in die Kunst der Rhetorik und des überzeugenden Auretens eingeführt werden. Durch gezielte Übungen, beispielsweise zur Strukturierung von Präsentationen, zum Einsatz nonverbaler Kommunikationstechniken oder zur Bewältigung von Lampeneber, erwerben die Teilnehmenden wertvolle Fähigkeiten, um ihre Präsentationen wirkungsvoller und selbstbewusster zu gestalten. Beratung Beratung beziehungsweise Consulting, bezeichnet den Prozess, bei dem Expertenrat und gezielte Anleitungen von Spezialisten in einem bestimmten Fachgebiet bereitgestellt werden. Im Unterschied zum Coaching, wo der Coachee selbst für die eigenen Entscheidungen und resultierenden Handlungen verantwortlich ist, erwartet man von Beratern, dass sie spezische Lösungsansätze und präzise Empfehlungen unterbreiten. Beratungsleistungen sind in der Regel auf die Identizierung und Lösung konkreter Problematiken oder Herausforderungen ausgerichtet. In der Beratungsbranche kommt der Frage der Haung eine signikante Bedeutung zu, insbesondere im Vergleich zum Coaching. Im Coaching liegt die Zuständigkeit für Fortschritt und Resultate primär beim Coachee selbst. Da der Fokus hier auf persönlicher Entwicklung liegt, übernimmt der Coach keine Verantwortung für die Entscheidungen des Coachee. Im Beratungskontext, speziell in professionellen Settings wie der Unternehmensberatung, können jedoch klare vertragliche Vereinbarungen bezüglich der Haungsverhältnisse getroffen werden. Hands-on Trainingsmodule sind praxisorientierte Lernformate, die den Teilnehmenden 4ermöglichen, durch direktes Anwenden und Ausführen von Tätigkeiten die vermittelten Inhalte und Fähigkeiten zu erlernen und zu vertiefen. Im Gegensatz zu rein theoretischen Lernansätzen, die vor allem auf Wissensvermittlung durch Vorträge oder Lesematerial setzen, legen hands-on Trainings den Schwerpunkt auf das praktische Erleben und Experimentieren. Dieser Ansatz fördert das aktive Lernen, indem er die Teilnehmenden ermutigt, sich unmittelbar mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen, Probleme eigenständig zu lösen und das Gelernte in realen oder simulierten Arbeitsumgebungen anzuwenden. Die direkte Interaktion mit Materialien, Werkzeugen oder Soware im Rahmen von hands-on Trainings trägt wesentlich zur Verankerung des Gelernten bei und unterstützt den Transfer von theoretischem Wissen in praktische Anwendungskompetenz.32

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Berater können dabei vertraglich verpichtet sein, denierte Ziele zu erreichen oder bestimmte Problemstellungen zu adressieren. Sollten die vereinbarten Ergebnisse nicht erreicht oder die Leistungen als unzureichend bewertet werden, können Haungsansprüche geltend gemacht werden, die durch entsprechende vertragliche Regelungen und Versicherungen abgesichert sind. Ein praxisnahes Beispiel für Beratungsleistungen wäre der Einsatz eines externen Unternehmensberaters, der beauragt wird, Strategien zur Steigerung der Effizienz und Protabilität einer Organisation zu entwickeln. Der Berater würde detaillierte Analysen zur Identikation von Schwachstellen durchführen und darauf auauend gezielte Maßnahmen empfehlen, um diese zu beheben. Ein anderes Beispiel ist die rechtliche Beratung, in der Juristen ihren Klienten konkrete rechtliche Strategien und Maßnahmen vorschlagen, um juristische Herausforderungen zu bewältigen oder zu umgehen. In beiden Fällen liegt der Fokus auf der Bereitstellung spezischer Lösungsvorschläge durch den Berater, wobei die Haungsfrage eine zentrale Rolle einnimmt, um den Anforderungen und Erwartungen aller beteiligten Parteien gerecht zu werden. Rahmenwechsel Die Kenntnis der klaren Abgrenzungen zwischen Coaching, Mentoring, Training und Beratung ermöglicht es Coaches, ihre Rolle und Methodik präzise zu denieren. Diese Differenzierung ist essenziell, um die spezischen Bedürfnisse und Erwartungen der Klienten effizient zu adressieren. Während das Coaching primär die Selbstreexion und die persönliche Entwicklung des Coachees in den Vordergrund stellt, können Mentoring, Training und Beratung je nach Situation unterstützende Instrumente sein, um das individuelle Wachstum zu fördern. Die bewusste Entscheidung für einen Rahmenwechsel, insbesondere beim Übergang von Coaching zu anderen Unterstützungsformen wie der Beratung, ist von wesentlicher Bedeutung. Ein Rahmenwechsel ist insbesondere dann angezeigt, wenn die Dynamiken, Ziele und Erwartungshaltungen zwischen den verschiedenen Unterstützungsformen variieren. Coaching animiert den Coachee dazu, introspektiv zu agieren und eigenständige Lösungen zu generieren, während die Beratung durch die Bereitstellung konkreter Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen gekennzeichnet ist. Die bewusste Kommunikation eines solchen Wechsels im Rahmen ermöglicht es dem Klienten, sich mental auf die 33

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unterschiedlichen Herangehensweisen einzustellen und die spezische Art der Unterstützung, die er nun erhalten wird, zu verstehen. Ein praxisnahes Beispiel hierfür könnte die Situation sein, in der ein Coach im Verlauf der Sitzungen erkennt, dass der Coachee über die persönliche Entwicklung hinaus spezischen, fachlichen Rat benötigt, etwa in Bezug auf beruiche Strategien oder Entscheidungsndungen. In einem solchen Moment könnte der Coach den Übergang von einem Coaching- zu einem Beratungsmodus ankündigen. Dies würde dem Coachee verdeutlichen, dass sich der Schwerpunkt nun von einem introspektiven, selbstgesteuerten Lernprozess hin zu einer stärker geleiteten und beratenden Interaktion verlagert. Der Coach könnte zum Beispiel sagen: "Basierend auf dem, was wir besprochen haben, scheint es, dass du an einem Punkt bist, an dem spezische, fachliche Beratung hilfreich sein könnte. Mit deinem Einverständnis würden wir unsere nächsten Sitzungen nutzen, um konkrete Strategien und Maßnahmen zu erarbeiten, die dir in deiner Situation weiterhelfen können." Anliegen im Coaching Im großen Feld des Coachings spiegelt die Vielfalt der emen die Einzigartigkeit jedes Individuums wider. Die Bandbreite an Anliegen, mit denen Menschen in den Coaching-Prozess eintreten, ist so facettenreich und einzigartig wie die Menschheit selbst. Diese Vielfalt verlangt von uns Coaches nicht nur ein hohes Maß an Fachkompetenz, sondern auch Empathie, Intuition und die Fähigkeit, sich auf die individuelle Welt jedes Klienten einzustellen. Coaching transformiert sich daher von einer Methodik zu einer Kunst, einer Berufung, die weit über die reine Wissensvermittlung hinausgeht. Mögliche Anliegen im Coaching könnten beispielsweise umfassen: -Karriereentwicklung und beruiche Neuorientierung -Berufsndung -Verbesserung von Kommunikationsfähigkeiten -Stressmanagement und Work-Life-Balance -Persönliche Entwicklung und Selbstverwirklichung 34

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-Entscheidungsndung und Problemlösung -Führungskompetenz und Teammanagement -Finanzielle Planung und Management -Gesundheits- und Wellnessziele Diese emen illustrieren die Bandbreite der Anliegen, die im Coaching-Raum zur Sprache kommen können. In jedem dieser Bereiche erfordert die Arbeit des Coaches ein tiefes Eintauchen in die individuellen Erfahrungen, Werte und Überzeugungen des Klienten. Es wird eine maßgeschneiderte Herangehensweise entwickelt, die nicht nur auf fundierten Coaching-Techniken basiert, sondern auch auf einer intuitiven Verbindung zum Klienten. Dies unterstreicht die Auffassung von Coaching als hohe Kunst, bei der die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen, zu hören, was nicht gesagt wird, und die einzigartigen Potenziale jedes Klienten zu erkennen, von zentraler Bedeutung ist. Ich nenne dies die heiligen Momente. Die Vielfalt der Coaching-emen zeigt, dass jeder Mensch seine eigene, einzigartige Geschichte, Herausforderungen und Ziele hat. Dies macht Coaching zu einer hochindividualisierten und kreativen Praxis, die weit über starre Rahmen und Techniken hinausgeht und den Coach zu einem Wegbegleiter auf der einzigartigen und wertvollen Reise des Klienten macht. Ethik und Standards im Coaching Dieses ema werden wir etwas genauer beleuchten. Ein Coach sollte stets die folgenden Grundprinzipien im Auge behalten, um ethisch zu handeln: Vertraulichkeit Vertraulichkeit ist ein grundlegendes Prinzip im Coaching, das einen geschützten Raum für die Klienten scha, um offen über ihre Herausforderungen und persönlichen Anliegen zu sprechen. Coaches sind verpichtet, die Privatsphäre und Vertraulichkeit ihrer Klienten zu respektieren und sicherzustellen, dass alle Informationen, die während des Coaching-Prozesses offenbart werden, geschützt und vertraulich behandelt werden. Dies bedeutet, dass Coaches keine Informationen über ihre Klienten an Dritte preisgeben oder weitergeben dürfen, es 35

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sei denn, es besteht eine rechtliche Verp ichtung zur Offenlegung. Die Verpichtung zur Vertraulichkeit erstreckt sich auf alle Formen der Kommunikation, sei es während persönlicher Sitzungen, per Telefon, E-Mail oder anderen digitalen Medien. Vor allem die Vertraulichkeit ermöglicht es den Klienten, sich sicher zu fühlen, ihre tiefsten Gedanken und Gefühle zu teilen, ohne Angst vor einer Weitergabe ihrer persönlichen Informationen zu haben. Dies scha eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit in der Coaching-Beziehung und erleichtert es den Klienten, sich auf den Coaching-Prozess einzulassen und sich auf ihre persönliche Entwicklung zu konzentrieren. Coaches sollten ihren Klienten von Anfang an klar erklären, dass alle Informationen, die während des Coachings geteilt werden, vertraulich behandelt werden. Sie sollten auch die Grenzen der Vertraulichkeit deutlich kommunizieren und den Klienten darüber informieren, wann und unter welchen Umständen Informationen möglicherweise offengelegt werden müssen. In Fällen, in denen eine Offenlegung erforderlich ist, wie z.B. bei einer unmittelbaren Gefahr für das Leben oder die Sicherheit des Klienten oder anderer Personen, sollten Coaches ihre Klienten darüber informieren und mit ihnen zusammenarbeiten, um die bestmögliche Vorgehensweise zu nden. Integrität Integrität, abgeleitet vom lateinischen Wort ‚integer‘ (ganz, vollständig), bezieht sich auf die Eigenscha der Unversehrtheit, Vollständigkeit und Kohärenz in moralischen, ethischen und professionellen Standards. Sie manifestiert sich in der Konsistenz von Handlungen, Werten, Methoden und Prinzipien, unabhängig von äußeren Einüssen oder persönlichen Vorteilen. Im folgenden unterscheiden wir zwischen drei Arten der Integrität, die weiter unten genauer erklärt werden. In der Ethik und Moralphilosophie wird Integrität o als eine Tugend betrachtet, die sich in der Konsistenz von Handlungen, Werten, Methoden, Maßnahmen, Prinzipien, Erwartungen und Ergebnissen zeigt. Eine Person mit hoher Integrität handelt demnach in Übereinstimmung mit ihren moralischen oder ethischen Überzeugungen, auch wenn dies persönliche Nachteile mit sich bringt. Das heißt eben auch, dass man im Zweifelsfall das Coaching beenden muss. In beruichen oder institutionellen Kontexten bezieht sich Integrität auf die Ehrlichkeit und Fairness, mit der Personen und Organisationen agieren. Es 36

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impliziert eine Form von Echtheit, bei der externe Handlungen mit den internen Überzeugungen übereinstimmen. Damit dieses ema der Integrität klar und greiar wird, möchte ich im Folgenden etwas näher auf die drei Arten der Integrität schauen. 1. Moralische und ethische Integrität: Moralische Integrität kennzeichnet Personen, die ihre Überzeugungen und Werte konsistent in Handlungen umsetzen, selbst unter persönlichen Kosten oder Risiken. Ethische Integrität bezieht sich auf das Festhalten an allgemein akzeptierten sozialen und professionellen ethischen Richtlinien. 2. Professionelle Integrität: In beruichen Kontexten umfasst Integrität die Einhaltung von Industriestandards, Transparenz, Ehrlichkeit und Verantwortung gegenüber Stakeholdern . 53. Institutionelle Integrität: Institutionen, die Integrität priorisieren, zeichnen sich durch transparente Governance-Praktiken, Rechenschaspicht und eine starke ethische Grundlage aus. Die Bedeutung und Anwendung von Integrität kann variieren, einschließlich, aber nicht beschränkt auf, persönliche Entwicklung, Bildung, Wissenscha, Unternehmensführung und öffentliche Verwaltung. Überall dort, wo Entscheidungen und Handlungen ethische Überlegungen erfordern, ist Integrität ein zentrales Element. Ehrlichkeit im Coaching Ehrlichkeit bedeutet nicht, lautstark alles zu äußern, was man gerade denkt. Vielmehr beinhaltet Ehrlichkeit für Coaches eine offene und transparente Kommunikation, bei der Informationen weder verschwiegen noch beschönigt werden. Dies schließt die Bereitscha ein, Fehler einzugestehen und Verantwortung dafür zu übernehmen. Durch ehrliche Kommunikation schaffen Coaches eine Ein Stakeholder ist eine Person oder Gruppe, die ein Interesse oder einen Anspruch an einem 5Unternehmen, Projekt oder Prozess hat und davon direkt oder indirekt betroffen ist. Dazu gehören zum Beispiel: Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Investoren. Stakeholder können also sowohl Einuss nehmen als auch von Entscheidungen und Handlungen beeinusst werden. 37

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authentische Basis für die Coaching-Beziehung, auf die sich der Klient verlassen kann. Es ist entscheidend, dass Coaches ihre Qualikationen und Erfahrungen klar und präzise darlegen, damit Klienten die Hintergründe und die Expertise des Coaches nachvollziehen können. Coaches sollten auch transparent über die verwendeten Coaching-Methoden und die realistisch zu erwartenden Ergebnisse informieren. Diese Transparenz ermöglicht es den Klienten, gut informierte Entscheidungen zu treffen und realistische Erwartungen an die Coaching-Beziehung zu entwickeln. Authentizität im Coaching Auf dem Weg zur Authentizität, einem Prozess der tiefen Selbstentdeckung und des mutigen Ausdrucks des inneren Wesens, spielt der Coach eine entscheidende Rolle. Authentizität beginnt mit der Selbstkenntnis, dem Verständnis der eigenen Stärken, Schwächen, Werte und Überzeugungen. Doch es ist die Selbstakzeptanz, die uns erlaubt, diese Aspekte des eigenen Selbst voll und ganz anzunehmen, einschließlich der Unvollkommenheiten, die uns zu dem machen, was wir sind. Hier kann ein Coach als Spiegel dienen, der hil, sich selbst klarer zu sehen und zu akzeptieren. Das authentische Sein manifestiert sich in einer Kongruenz zwischen inneren Überzeugungen und äußeren Handlungen. Als Coach hilfst du, diese Übereinstimmung zu erkennen und zu fördern, indem du Wege aufzeigst, wie man seine echte Natur in jedem Aspekt des Lebens zum Ausdruck bringen kann. Diese Echtheit, ob in der Sprache, in Emotionen oder kreativen Ausdrucksformen, ist das Markenzeichen authentischer Personen, die nicht versuchen, sich anzupassen oder anderen zu gefallen, sondern einfach ihr wahres Selbst leben. In zwischenmenschlichen Beziehungen ist Authentizität ein Fundament für Vertrauen und tiefe Verbindung. Als Coaches können wir lehren, wie man seine eigene Wahrheit teilt und die Wahrheiten anderer mit Offenheit und Akzeptanz begrüßen kann, was zu erfüllenderen und bedeutungsvolleren Beziehungen führt. Durch das Vorleben und Fördern authentischer Interaktionen unterstützen wir als Coaches nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern auch den Auau starker, vertrauensvoller Gemeinschaen. Persönliches Wohlbenden, gesteigertes Selbstwertgefühl und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit sind weitere Früchte, die aus einem authentischen Leben erwachsen. Ein Coach kann dabei helfen, diese Zustände zu erreichen, indem er seine Klienten ermutigt, Entscheidungen zu treffen 38

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und Handlungen auszuführen, die in Einklang mit deren tiefsten Überzeugungen und Werten stehen. Allerdings ist der Pfad der Authentizität nicht frei von Herausforderungen, besonders wenn die inneren Wahrheiten mit äußeren Erwartungen kollidieren. Ein Coach kann in diesen Momenten ein unverzichtbarer Verbündeter sein, indem er hil, diese Herausforderungen als Gelegenheiten für Wachstum und Selbstverwirklichung zu begreifen. Die Begleitung durch eine Coachin in solchen Zeiten fördert nicht nur die Fähigkeit des Klienten, authentisch zu leben, sondern auch seine Entschlossenheit, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Insgesamt betrachtet, ist die Rolle eines Coaches im Prozess der Verwirklichung von Authentizität unermesslich wertvoll. Ein Coach unterstützt nicht nur das persönliche Wachstum und Wohlbenden, sondern fördert auch die Entwicklung von Beziehungen und Gemeinschaen, in denen Authentizität geschätzt und gelebt wird. Durch diese begleitete Reise zur Authentizität wird das Leben nicht nur reicher und erfüllter, sondern auch tiefer mit Sinn und Zweck erfüllt. Authentizität und Ehrlichkeit Im Coaching-Kontext werden die Begriffe 'Authentizität' und 'Ehrlichkeit' o verwendet. Um beide Konzepte besser zu verstehen, schauen wir uns zunächst nochmals deren Denitionen an und erörtern dann ihre spezischen Unterscheidungsmerkmale. Authentizität bezieht sich darauf, wie sehr eine Person ihrem eigenen Charakter, ihren Werten und Überzeugungen treu bleibt, unabhängig von externen Einüssen oder sozialen Erwartungen. Es ist das Maß der Übereinstimmung zwischen dem inneren Erleben und dem äußeren Verhalten einer Person. Authentizität ist entscheidend für die persönliche Entwicklung und den Selbstausdruck, da sie es Individuen ermöglicht, Entscheidungen zu treffen, die mit ihrem wahren Selbst im Einklang stehen. Authentische Menschen navigieren durchs Leben mit innerer Klarheit und einem festen Verständnis ihrer selbst, was zu Handlungen führt, die ihre persönlichen Werte widerspiegeln. Authentische Menschen pegen transparente und ehrliche Beziehungen, die zu tieferen und bedeutungsvolleren Verbindungen führen. In professionellen Kontexten, insbesondere in Führungsrollen, wird Authentizität als Schlüsselkompetenz angesehen, da sie Vertrauen, Respekt und Glaubwürdigkeit fördert. Das Streben nach Authentizität 39

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kann jedoch herausfordernd sein, besonders in Umgebungen, die soziale Konformität hoch bewerten. Ehrlichkeit dagegen beschreibt die Qualität, in Worten, Taten und Absichten wahrheitsgemäß, aufrichtig und frei von Betrug oder Täuschung zu sein. Ehrlichkeit ist eine Charaktereigenscha, die Vertrauen und Glaubwürdigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen bildet. Ehrliche Personen sprechen die Wahrheit und sind in ihren Aussagen konsistent, selbst wenn dies unbequem sein mag. Ehrlichkeit umfasst nicht nur die verbale Kommunikation, sondern auch Handlungen, die mit den ausgedrückten Werten und Überzeugungen übereinstimmen. Ehrlichkeit ist in vielen Aspekten des gesellschalichen Lebens präsent, einschließlich Bildung, Wirtscha, Politik und Recht. In beruichen Beziehungen ist Ehrlichkeit die Grundlage für Vertrauen und Respekt zwischen Kollegen, Vorgesetzten und Kunden. Die Praxis der Ehrlichkeit kann jedoch Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere wenn Wahrhaigkeit zu Konikten oder Missverständnissen führen kann. Unterschiede und Zusammenhänge: -Umfang und Anwendung: Authentizität umfasst das gesamte Sein einer Person – Handlungen, Gefühle und Gedanken – und verleiht ihr eine ganzheitliche Dimension. Ehrlichkeit fokussiert sich spezischer auf die Wahrhaigkeit in der Kommunikation und den Handlungen gegenüber anderen. -Interne versus externe Ausrichtung: Authentizität wurzelt tief im Inneren und bestimmt, wie eine Person ihre inneren Überzeugungen durch äußere Handlungen ausdrückt. Ehrlichkeit erfordert sowohl eine innere Wahrhaigkeit gegenüber sich selbst als auch eine äußere gegenüber anderen. -Offenlegung und Risiko: Authentische Personen müssen nicht alle Facetten ihres Inneren offenlegen, solange ihr äußeres Verhalten mit ihrem inneren Kern übereinstimmt. Ehrliche Menschen hingegen teilen die Wahrheit, auch wenn dies sie verletzlich macht oder Risiken birgt. -Komplexität und Tiefe: Authentizität erfordert ein tiefes Verständnis und Akzeptanz der eigenen Person, was sie zu einer fortwährenden inneren Reise macht. Ehrlichkeit ist in ihrer Konzeption einfacher und direkt an der Wahrheit der geteilten Informationen und Handlungen messbar. -Gesellschaliche Normen: Beide Qualitäten können gesellschaliche Normen und Erwartungen herausfordern. Authentizität kann schwierig sein, wenn das 40

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wahre Selbst einer Person den herrschenden Normen widerspricht. Ehrlichkeit kann den Wunsch nach sozialer Harmonie oder persönlichem Gewinn in Frage stellen. Insgesamt sind Authentizität und Ehrlichkeit komplementäre, aber unterscheidbare Qualitäten des menschlichen Charakters. Sie bereichern das menschliche Miteinander durch ihre Tiefe und Herausforderungen und sind essentiell für ein erfülltes und aufrichtiges Leben. Respekt und Empathie Respekt und Empathie sind grundlegende Elemente einer erfolgreichen Coaching-Beziehung und entscheidend für den Auau einer vertrauensvollen und unterstützenden Umgebung. Coaches sollten ihren Klienten stets mit Respekt begegnen und sich einfühlsam in ihre Bedürfnisse, Gefühle und Perspektiven hineinversetzen. Respekt bedeutet, die Würde und Autonomie der Klienten anzuerkennen und ihre Meinungen, Werte und Entscheidungen zu achten. Sie sollten ihren Klienten aufmerksam zuhören, ohne zu unterbrechen oder zu urteilen, und ihnen den Raum geben, ihre Gedanken und Gefühle frei auszudrücken. Durch respektvolles Verhalten schaffen Coaches eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit, in der die Klienten sich sicher fühlen können, ihre persönlichen Anliegen zu teilen. Man muss sich als Coachin selbst kritisch hinterfragen, ob man das leisten kann. Die vergangene Corona-Krise hat uns allen gezeigt wie respektlos mit Menschen umgegangen wurde, die eine andere Meinung als die Mainstreammedien vertraten. Wie hätte oder hat man hier selbst reagiert? Empathie bedeutet, sich in die Lage der Klienten zu versetzen und ihre Emotionen und Erfahrungen nachzuvollziehen. Coaches sind dazu angehalten, die Welt aus der Perspektive ihrer Klienten zu sehen und deren Gefühle und Herausforderungen zu verstehen. Das ist nur möglich, wenn man den anderen respektiert. Nur durch empathisches Verhalten können Coaches eine starke Verbindung zu ihren Klienten auauen und ein Gefühl der Unterstützung und Verbundenheit vermitteln. Es ist wichtig, eine unterstützende und nicht urteilende Atmosphäre zu schaffen, in der die Klienten sich akzeptiert und verstanden fühlen. Coaches sollten ihre Klienten ermutigen, offen über ihre Herausforderungen zu sprechen, ohne Angst vor Ablehnung oder Kritik zu haben. Indem man eine Atmosphäre des Respekts und 41

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der Empathie scha, kann man seinenKlienten helfen, sich wohl zu fühlen und sich auf den Coaching-Prozess einzulassen, um positive Veränderungen in ihrem Leben zu bewirken. Professionelle Kompetenz Die Professionalität und Wirksamkeit von Coaches gründet sich auf ein umfangreiches Repertoire an Kompetenzen, die von kommunikativen Fertigkeiten und empathischem Einfühlungsvermögen bis hin zu einem fundierten theoretischen und praktischen Wissen in Coaching-Methoden reichen. Dieses breite Spektrum an Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen ist essenziell, um Klientinnen auf ihrem individuellen Entwicklungsweg effektiv zu unterstützen und zu begleiten. Die Qualität der Coaching-Dienstleistungen und der Erfolg der Coaching-Beziehung hängen davon ab. Kommunikative Kompetenzen, wie das aktive Zuhören (wir kommen später ausführlich darauf zurück), die klare und präzise Verständigung sowie die Fähigkeit, tiefgründige Fragen zu stellen und konstruktive Dialoge zu führen, bilden das Fundament einer vertrauensvollen und unterstützenden Beziehung zu den Klienten. Es ist zudem unabdingbar, eine Atmosphäre des Respekts, der Wertschätzung und des Verständnisses zu schaffen, um eine Basis für wirkungsvolle Veränderungsprozesse zu legen. Als Coach solltest du nicht nur mit einer Vielzahl von Modellen, Techniken und Ansätzen vertraut sein, sondern auch die Flexibilität besitzen, diese an die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Klientinnen anzupassen. Ein tiefgreifendes Wissen über menschliches Verhalten und ps yc holo gi s ch e G ru ndl agen , ei ns ch lie ßli ch de r Pri nzipi en d er Wahrnehmungspsychologie, bildet dabei die Basis. Die Relevanz der Wahrnehmungspsychologie im Coaching-Kontext kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Verständnis darüber, wie Menschen Informationen aufnehmen und verarbeiten, ermöglicht es uns, die individuellen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse der Klienten besser zu verstehen und zu berücksichtigen. Dieses Wissen trägt maßgeblich dazu bei, maßgeschneiderte Interventionen zu entwickeln, die nicht nur auf der kognitiven, sondern auch auf der emotionalen und sensorischen Ebene wirken. Denn genau dadurch können tiefergehende Einsichten und nachhaltigere Veränderungen erreicht werden. Natürlich sind praktische Erfahrungen ebenfalls ein unverzichtbarer Bestandteil der 42

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professionellen Kompetenz, denn nur durch die direkte Arbeit mit Klientinnen und die Bewältigung diverser Herausforderungen können Coaches ihre Fertigkeiten schärfen und ihr Verständnis für die Dynamik von Coaching-Prozessen vertiefen. Und da wäre noch etwas: Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, sei es durch Peer-Supervision oder Mentoring, spielt ebenso eine entscheidende Rolle bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung und Qualitätssicherung. Natürlich steht jeder Coach am Anfang ohne praktische Erfahrungen da, hier gilt es, mit Mut und Wissbegier zu starten, um Erfahrungen zu sammeln. Übung und Mut zum Handeln macht auch hier den Meister. Abschließend ist die Bereitscha zur kontinuierlichen Weiterbildung und Selbstreexion ein zentrales Element, um als Coach auf dem neuesten Stand zu bleiben und exzellente Dienstleistungen anzubieten. Fortbildungen, Workshops sowie die regelmäßige Reexion des eigenen Tun und Handelns, sowie das Einholen von Feedback reihen sich ein in die Bedingungen, eine hohe und fortwährende Professionalisierung und Effektivität in der Coaching-Arbeit zu gewährleisten. Die drei Freiheiten eines Coaches Die wichtigen drei Freiheiten eines Coaches bilden ein Fundament, das es ihnen 6ermöglicht, ihre Rolle mit Integrität und Unabhängigkeit auszuführen. Diese sind entscheidend, um eine unvoreingenommene, effektive und ethisch verantwortungsvolle Coaching-Beziehung zu gewährleisten. Lass uns nun konkret betrachten, um welche Freiheiten es sich hierbei handelt. -Die materielle Freiheit: Die materielle Freiheit bewahrt den Coach davor davor, in systemische Verstrickungen verwickelt zu werden, die seine Unparteilichkeit und Urteilsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Ein Coach, der nanziell nicht direkt von den Coaching-Sitzungen abhängig ist, besitzt die Freiheit, authentisch und im besten Interesse seiner Klienten zu handeln, ohne durch nanzielle Notwendigkeiten kompromittiert zu werden. Diese nanzielle Unabhängigkeit ermöglicht es, eine klare Grenze zwischen den Bedürfnissen des Klienten und Siehe www.ProC-association.de, Professional Coaching Association, Ethik643

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eigenen materiellen Interessen zu ziehen, und genau das schützt die Integrität des Coaching-Prozesses. -Die inhaltliche Freiheit: Die inhaltliche Freiheit unterstreicht die Wichtigkeit, dass die Gestaltung und Durchführung des Coachings nicht von den Zielen Dritter beeinusst oder gesteuert wird. Dies gewährleistet, dass der Coaching-Prozess vollständig auf die individuellen Bedürfnisse, Ziele und Werte des Klienten zugeschnitten ist, ohne externen Einüssen oder Vorgaben unterworfen zu sein. Diese Freiheit scha einen Raum, in dem Klienten sich sicher fühlen können, ihre persönlichen Anliegen und Entwicklungsziele offen zu erforschen und zu verfolgen. -Die persönliche Freiheit: Die persönliche Freiheit bezieht sich darauf, dass ein Coach nicht von der Anerkennung oder dem Lob anderer abhängig ist. Diese innere Unabhängigkeit erlaubt es dem Coach, objektiv und selbstbewusst zu agieren, ohne durch das Streben nach Bestätigung von außen beeinusst zu werden. Diese Freiheit stärkt die Authentizität und Selbstsicherheit des Coaches, was wiederum eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung zum Klienten fördert. Diese Freiheiten tragen also dazu bei, dass Coaches in ihrer Arbeit authentisch bleiben, ethische Standards hochhalten und ihren Klienten den bestmöglichen Rahmen für persönliches Wachstum und Entwicklung bieten können. Die materielle Freiheit spielt dabei eine besondere Rolle, da sie die Grundlage scha, auf der inhaltliche und persönliche Freiheit erst möglich werden. Spielregeln im Coaching Im Coaching-Prozess etablieretn sich gewisse Spielregeln , die den Rahmen für eine 7erfolgreiche und ethisch fundierte Beziehung zwischen Coach und Klient bilden. Diese Regeln reektieren zwar in Teilen die ethischen Grundprinzipien des Coachings, bieten jedoch aus einer praktischen Perspektive einen Leitfaden für die Interaktionen und den Prozessablauf. Die Einhaltung dieser Spielregeln Vgl. hierzu auch https://coachingfederation.org/ethics/code-of-ethics, Smith, Wendy-Ann, 7Passmore, Jonathan, Turner, Eve, e Ethical Coaches’ Handbook. Siehe auch Schmidt-Tanger, Martina, Stahl, ies, (2007), Change Talk.44

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gewährleistet, dass beide Parteien - Coach und Klient - eine klare Vorstellung von den Erwartungen, Rechten und Pichten innerhalb der Coaching-Beziehung haben. 1. Freiwilligkeit ist das erste und fundamentale Prinzip. Die Entscheidung eines Klienten für das Coaching und die aktive Teilnahme am Prozess müssen freiwillig erfolgen. Diese Freiwilligkeit ist die Basis für echtes Engagement und Offenheit seitens der Klienten.. 2. Verschwiegenheit bildet das Rückgrat des Vertrauens zwischen Coach und Klient. Die strikte Wahrung der Vertraulichkeit aller im Coaching besprochenen Inhalte ist essenziell, um eine sichere und offene Kommunikation zu ermöglichen. 3. Die Unabhängigkeit des Coaches von externen Einüssen und Interessen sichert eine objektive und klienenzentrierte Begleitung. Diese Unabhängigkeit ermöglicht es dem Coach, ausschließlich im besten Interesse des Klienten zu handeln. 4. Selbstverantwortlichkeit des Klienten bedeutet, dass der Klient die Verantwortung für seine Entscheidungen, Handlungen und deren Konsequenzen übernimmt. Der Coach unterstützt und begleitet den Klienten, jedoch ohne dessen Eigenverantwortung zu übernehmen. 5. Die Freiheit des Klienten, die Inhalte des Coachings frei zu wählen, stellt sicher, dass die individuellen Bedürfnisse und Ziele des Klienten im Mittelpunkt stehen. Diese Flexibilität erlaubt eine maßgeschneiderte und relevante Unterstützung. 6. Im Coaching ist der Coach kein Besserwisser, der fertige Lösungen präsentiert, sondern ein Begleiter auf dem Weg des Klienten. Diese Rolle betont die partnerschaliche und unterstützende Funktion des Coaches. 7. Der methodische Rahmen im Coaching wird bewusst offen gehalten, um Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse des Klienten zu ermöglichen. Diese Offenheit fördert kreative und individuell zugeschnittene Lösungsansätze. 8. Coaching ist eine professionelle Beziehung und somit eine zu bezahlende Dienstleistung. Diese Professionalität grenzt das Coaching von persönlichen Beziehungen wie Freundschaen ab und unterstreicht seinen Wert und seine Ernsthaigkeit. 45

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9. Schließlich soll das Coaching in einem geschützten und leistungsfreien Raum stattnden. Diese Umgebung ermöglicht es dem Klienten, sich frei von äußeren Erwartungen und Bewertungen zu entfalten und sich voll und ganz auf den persönlichen Entwicklungsprozess zu konzentrieren. Nur indem du diese Spielregeln einhältst, schaffst du einen klaren, sicheren und effektiven Rahmen für den Coaching-Prozess, in dem sich dein Klient frei entfalten und seine Ziele erreichen kann. Die Rolle des Coaches Deine Rolle als Coach im dynamischen Prozess des Coachings ist komplex und tiefgreifend und erfordert ein hohes Maß an Fachwissen, Empathie und ethischer Verantwortung. Als kundiger Weggefährte und Partner begleitest du den Klienten auf seiner Reise der Selbstentdeckung, Reexion und persönlichen Weiterentwicklung. Dabei wird eine vertrauensvolle und unterstützende Beziehung aufgebaut, die dem Klienten einen sicheren Raum bietet, um sich frei zu äußern und authentisch zu entfalten. Ein zentraler Aspekt dieser Rolle ist die Unterstützung des Klienten bei der Klärung seiner Ziele, Werte und Bedürfnisse. Durch gezielte Fragen, Reexionsübungen und konstruktives Feedback hilfst du als Coach, deinen Klienten, Prioritäten zu denieren und klare, erreichbare Ziele zu formulieren. Auch wird der Klient bei der Entwicklung effektiver Strategien und Handlungspläne, die auf die Erreichung dieser Ziele ausgerichtet sind unterstützt. Damit ist aber längst nicht alles gesagt. Denn zusätzlich hil msn dem Klienten, Hindernisse zu identizieren und zu überwinden, die den Weg zur Zielerreichung blockieren könnten. Dies umfasst die Auseinandersetzung mit limitierenden Glaubenssätzen, Ängsten und Selbstzweifeln sowie die Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Der Coach agiert als Impulsgeber und motivierender Unterstützer, der den Klienten dazu anregt, über bestehende Grenzen hinauszudenken und sein volles Potenzial zu entfalten. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, dem Klienten zu helfen, seine eigenen Ressourcen und Potenziale zu erkennen und zu nutzen. O sind sich Klienten ihrer eigenen Stärken und Fähigkeiten nicht vollständig bewusst. Durch gezielte Interventionstechniken und anregende Fragen fördert man als Coach die 46

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Selbstwahrnehmung des Klienten und unterstützt ihn dabei, neue Perspektiven zu erschließen und seine individuellen Ressourcen effektiv einzusetzen. Doch Achtung, es ist wichtig anzuerkennen,, dass die Coachin im Coaching-Prozess keine direkten Ratschläge erteilt oder konkrete Anweisungen gibt. Stattdessen konzentriert sie sich darauf, den Klienten in seiner Selbstreexion und Eigenverantwortlichkeit zu stärken und ermutigt ihn, eigene Antworten und Lösungswege zu nden. Im Coaching gilt der ‚berühmte‘ Spruch: ‚Ein Ratschlag ist ein auch Schlag.‘ Ein weiterer Bestandteil, der in der Rolle des Coaches erwähnenswert ist, ist das kontinuierliche, konstruktive Feedback und die Anerkennung der Fortschritte des Klienten. Diese Anerkennung stärkt das Selbstvertrauen und die Motivation des Klienten, die persönliche und beruiche Entwicklung voranzutreiben. Obwohl der Coach eine entscheidende Rolle im Coaching-Prozess spielt, liegt die Verantwortung für den Erfolg ebenso und gleichermaßen beim Klienten. Denn die aktive Beteiligung, Offenheit und Bereitscha zur Selbstreexion seitens des Klienten bilden die Basis für eine fruchtbare Coaching-Beziehung und die Erreichung der persönlichen Ziele. Die Erwartungen der Klienten Klienten treten mit vielfältigen und individuellen Erwartungen an ein professionelles Coaching heran, die sowohl ihre persönlichen Ziele als auch ihre Vorstellungen von der Coaching-Beziehung und dem Prozess selbst umfassen. Diese Erwartungen solltest du erkennen und entsprechend adressieren können. Im folgenden habe ich einige wichtige zusammengetragen. -Klare und messbare Ergebnisse: Viele Klienten erwarten, dass das Coaching zu konkreten, positiven Veränderungen in ihrem Leben führt. Sie suchen nach messbaren Ergebnissen, sei es in Form von verbesserten Leistungen, der Erreichung spezischer Ziele oder einer gesteigerten Lebensqualität. -Verständnis und Empathie: Klienten erhoffen sich einen Coach, der ihnen mit Verständnis und Empathie begegnet. Sie wünschen sich eine Person, die ihre Situation und Herausforderungen nachvollziehen kann, ohne zu urteilen, und die eine vertrauensvolle und unterstützende Umgebung scha. 47

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-Individuelle Betreuung: Jeder Klient ist einzigartig, und dementsprechend erwarten sie einen Coaching-Ansatz, der auf ihre individuellen Bedürfnisse, Ziele und Persönlichkeiten zugeschnitten ist. Sie suchen nach maßgeschneiderten Strategien, die auf ihre spezische Situation abgestimmt sind. -Professionalität und Kompetenz: Klienten erwarten selbstverständlich einen hohen Grad an Professionalität und fachlicher Kompetenz von ihrem Coach. Dazu gehören nicht nur fundierte Kenntnisse im Bereich Coaching und relevante Methodenkompetenz, sondern auch eine kontinuierliche Weiterbildung und die Einhaltung ethischer Richtlinien. -Vertraulichkeit: Die Gewissheit, dass alle im Coaching besprochenen Informationen vertraulich behandelt werden, ist für Klienten von entscheidender Bedeutung. Sie erwarten eine sichere Umgebung, in der sie sich frei äußern können, ohne Sorge vor der Weitergabe sensibler Informationen. -Aktive Unterstützung und Begleitung: Klienten suchen nach einem Coach, der sie aktiv unterstützt, motiviert und durch den Coaching-Prozess begleitet. Sie erwarten, dass der Coach als kritischer Sparringspartner fungiert, der ihnen hil, ihre Perspektiven zu erweitern und ihre Ziele zu erreichen. -Autonomie und Selbstbestimmung: Während Klienten die Unterstützung und Anleitung eines Coaches suchen, erwarten sie auch, dass ihre Autonomie und Selbstbestimmung respektiert werden. Sie möchten als gleichberechtigte Partner im Coaching-Prozess betrachtet werden, deren Meinungen und Entscheidungen Wert geschätzt werden. -Nachhaltige Veränderung: Klienten erhoffen sich von einem Coaching nicht nur kurzfristige Lösungen, sondern nachhaltige Veränderungen und Entwicklungen, die langfristig Bestand haben. Sie erwarten Strategien und Erkenntnisse, die sie auch nach Abschluss des Coachings in ihrem Alltag anwenden können. -Wertschätzung und Anerkennung: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wertschätzung ihrer Erfahrungen, Stärken und Potenziale durch den Coach. Klienten erwarten, dass ihre Leistungen anerkannt und ihre Fortschritte im Coaching-Prozess gewürdigt werden. -Überschaubare Dauer und Kostentransparenz: Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Erwartungen an ein professionelles Coaching betri die Dauer und die damit verbundenen Kosten. Klienten gehen in der Regel davon aus, dass Coaching eine zielgerichtete und überschaubare Intervention darstellt, die nicht 48

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auf eine langfristige Beziehung ausgelegt ist. Der Grund hierfür liegt nicht nur in der Effizienz des Prozesses, sondern auch in den potenziell hohen Kosten, die mit einer langfristigen Coaching-Beziehung einhergehen können. Klienten schätzen es, wenn von Beginn an Klarheit über den voraussichtlichen Zeitrahmen sowie die Struktur des Coachings besteht. Sie erwarten eine realistische Einschätzung darüber, wie viele Sitzungen erforderlich sein könnten, um ihre spezischen Ziele zu erreichen. Zusätzlich ist Transparenz hinsichtlich der Kosten eine fundamentale Erwartung. Klienten möchten und sollten daher von Anfang an über die Investition, die sie für das Coaching tätigen, informiert sein. Dazu gehört ein klares Verständnis über Stundensätze, Paketpreise oder etwaige Zusatzkosten. Diese nanzielle Transparenz hil Klienten, eine fundierte Entscheidung über die Inanspruchnahme des Coachings zu treffen und stellt sicher, dass keine versteckten Gebühren oder unerwarteten Kosten entstehen. -Transparenz in Methodik und Interventionen: Neben der Kostentransparenz legen Klienten Wert darauf, Einblick in die angewandten Methoden und Interventionstechniken zu erhalten. Sie erwarten, dass der Coach die verwendeten Techniken und deren Zweck erläutert, sodass sie die Prozesse im Coaching verstehen und nachvollziehen können. Diese Transparenz fördert das Vertrauen in den Coach und den Coaching-Prozess und ermöglicht es den Klienten, aktiv und informiert am Prozess teilzunehmen. Indem Coaches diese Erwartungen hinsichtlich der Dauer, der Kosten und der methodischen Transparenz erkennen und proaktiv adressieren, können sie eine Basis für eine erfolgreiche und zufriedenstellende Coaching-Beziehung schaffen. Dies stärkt das Vertrauen und die Zufriedenheit der Klienten und unterstützt sie effektiv bei der Erreichung ihrer persönlichen und beruichen Ziele. Als Coaches sollten wir diese Erwartungen kennen und darauf eingehen, denn nur dann können wir eine effektive und erfüllende Coaching-Beziehung mit unseren Klienten auauen, und sie dabei unterstützen, ihre Ziele zu erreichen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. 49

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Die Bedeutung der Offenheit des Klienten Lass uns hier noch etwas genauer auf die Offenheit des Klienten schauen. Die Bereitscha eines Klienten, sich voll und ganz auf den Coaching-Prozess einzulassen, ist ein kritischer Faktor für den Erfolg dieser entwicklungsorientierten Beziehung, denn Offenheit und Engagement seitens des Klienten bilden das Fundament, auf dem transformative Erkenntnisse und nachhaltiges Wachstum gedeihen können. Eine solche Offenheit befähigt den Klienten, neue Perspektiven zu erkunden, tief verwurzelte Überzeugungen zu hinterfragen und adaptive Verhaltensweisen anzunehmen, die eine positive Entwicklung in seinem Leben und seiner Karriere vorantreiben. Diese Offenheit manifestiert sich in der Bereitscha, persönliche Gedanken, Gefühle und Erfahrungen zu teilen, sich neuen Ideen gegenüber zu öffnen und konstruktives Feedback anzunehmen. Nur Offenheit ermöglicht es. in einen produktiven Dialog zu treten, der durch ehrliche Selbstreexion und eine Kultur des Vertrauens geprägt ist. Dies verstärkt die Effektivität des Coachings, indem sie eine tiefe und bedeutsame Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Klient fördert, in der Ziele nicht nur gesetzt, sondern auch erreicht werden können. Die Offenheit tangiert auch die Freiwilligkeit, die wir zuvor besprochen haben. Ein Klient, der aus eigenem Antrieb und mit einer intrinsischen Motivation an den Coaching-Prozess herantritt, zeigt in der Regel ein höheres Maß an Offenheit und Engagement. Diese Eigenmotivation ist ein natürlicher und starker Indikator dafür, dass der Klient bereit ist, aktiv an seiner persönlichen und beruichen Entwicklung zu arbeiten. Im Gegensatz dazu kann ein Klient, der durch externe Kräe – sei es durch den Arbeitgeber, Familienmitglieder oder Freunde – zum Coaching gedrängt wird, möglicherweise Widerstand oder Ambivalenz gegenüber dem Prozess zeigen, was den Fortschritt so erschwert. Manchmal gibt es auch Situationen, in denen es notwendig sein kann, ein Coaching frühzeitig zu beenden. Solche Umstände ergeben sich in der Regel, wenn klar wird, dass der Klient trotz anfänglicher Bemühungen nicht vollständig offen für den Prozess ist oder wenn eine produktive Zusammenarbeit aufgrund von anhaltenden Widerständen oder fehlender Engagementbereitscha nicht möglich ist. In solchen Fällen ist es im besten Interesse beider Parteien, das Coaching zu beenden, um weitere Frustrationen zu vermeiden und dem Klienten die Möglichkeit zu geben, 50

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alternative Unterstützungsformen zu erkunden. Ein vorzeitiges Beenden des Coachings kann auch dann in Betracht gezogen werden, wenn nach mehreren Sitzungen kein erkennbarer Fortschritt erzielt wurde, wenn der Klient das Interesse verliert oder explizit den Wunsch äußert, das Coaching zu beenden. Zudem kann es angebracht sein, das Coaching abzubrechen, wenn der Coach feststellt, dass die Bedürfnisse des Klienten außerhalb seines Fachgebiets liegen und eine Weiterempfehlung an einen anderen Spezialisten sinnvoller ist. In jedem dieser Fälle ist eine offene und ehrliche Kommunikation zwischen Coach und Klient über die Gründe für die Beendigung des Coachings entscheidend. Ein professioneller Coach wird den Klienten stets mit Würde und Respekt behandeln und gegebenenfalls Unterstützung bei der Suche nach alternativen Lösungswegen anbieten. Beispiel: Wenn ein Klient verschlossen und nicht offen für das Coaching ist oder kooperativ mitarbeitet, ist es wichtig, dass der Coach einfühlsam und professionell vorgeht, um die Situation zu bewältigen. Eine typische Kommunikation könnte wie folgt aussehen: Coach: "Ich habe bemerkt, dass unser Coaching bisher nicht den gewünschten Fortschritt gemacht hat. Ich möchte sicherstellen, dass wir das Beste aus unseren Sitzungen herausholen und Ihre Ziele erreichen. Können Sie mir sagen, was Sie möglicherweise daran hindert, sich vollständig zu öffnen und/oder mit mir als Coach zu kooperieren?" Klient: "Ich bin mir nicht sicher. Ich fühle mich einfach nicht wohl dabei, über einige Dinge zu sprechen, oder ich sehe nicht den Nutzen darin." Coach: "Ich verstehe. Es ist wichtig, dass Sie sich wohl fühlen und den Wert des Coachings erkennen. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um herauszunden, was Sie brauchen und was Sie möglicherweise daran hindert, sich zu öffnen, und wie wir diese Hindernisse überwinden können. Es kann auch sein, dass das Coaching derzeit nicht das Richtige für Sie ist, und das ist völlig in Ordnung. Ich möchte sicherstellen, dass Sie die bestmögliche Unterstützung erhalten, unabhängig davon, ob es durch Coaching oder andere Mittel ist. Was denken Sie darüber?" Klient: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich bereit bin, das Coaching fortzusetzen. Vielleicht brauche ich etwas Zeit, um darüber nachzudenken." Coach: "Das ist völlig verständlich. Es ist wichtig, dass Sie sich wohl fühlen und die Entscheidung treffen, die für Sie richtig ist. Ich stehe Ihnen zur Verfügung, um zu 51

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unterstützen, egal wie Sie sich entscheiden. Wenn Sie sich dafür entscheiden, das Coaching fortzusetzen, können wir gemeinsam nach Wegen suchen, um Hindernisse zu überwinden und den Nutzen des Coachings zu maximieren. Wenn Sie sich jedoch dafür entscheiden, das Coaching zu beenden oder eine Pause einzulegen, unterstütze ich Sie voll und ganz bei Ihrer Entscheidung und stehe Ihnen für weitere Gespräche zur Verfügung, wenn Sie es wünschen." Rapport im Coaching - Das verbindende Band Rapport ist ein zentrales Element im Coaching, das als das verbindende Band 8zwischen Coach und Klient verstanden wird. Es bezeichnet eine Qualität der Beziehung, die von gegenseitigem Vertrauen, Verständnis und einer harmonischen Verbindung gekennzeichnet ist. Der Begriff ‚Rapport‘ stammt ursprünglich aus dem Französischen und bedeutet ‚Beziehung’ oder ‚Verhältnis‘. Im Kontext des Coachings beschreibt es die tiefe, positive und produktive Beziehung, die zwischen Coach und Klient entsteht und die eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist. Die Bedeutung von Rapport im Coaching lässt sich kaum überschätzen. Denn eine solide Rapport-Basis scha eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit, in der Klienten sich frei fühlen, ihre Gedanken, Gefühle und Ängste offen zu teilen. Diese Offenheit ist, wie bereits angesprochen, absolut entscheidend für den Coaching-Prozess, da sie es dem Coach ermöglicht, ein tiefes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse, Herausforderungen und Ziele des Klienten zu entwickeln. Rapport fördert eine effektive Kommunikation und erleichtert ein ehrliches und konstruktives Feedback, das für die persönliche und beruiche Die Verwendung des Begriffes in der Psychologie geht auf Franz Anton Messmer (1734–1815) 8zurück. Pierre Janet (1859–1947) führte ihn als spezische Bezeichnung für die Beziehung zwischen Hypnotiseur und Hypnotisiertem ein, Sigmund Freud (1856–1939) erweiterte die Verwendung dann auf die erapeut-Klienten-Beziehung. Später tauchte er in der NLP auf, dieser weicht hier inhaltlich ab. Denn im NLP geht es auch um ‚Mirroring‘, ‚Pacing‘, bei dem man z. B. den Klienten im Denken und in seinen Bewegungen imitiert. Das bedeutet also, die Haltung, den Atem, den Sprachrhythmus, die Wortwahl etc. des Coachees zu übernehmen, so lange, bis der Klient dem Coachee bzw. Berater folgt (man nennt dies Leading). Siehe hierzu auch Radatz, S. (2009). Beratung ohne Ratschlag: Systemisches Coaching für Führungskräe. Wien: Verlag Orac., S. 263 ff.52

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Entwicklung des Klienten unerlässlich ist. Die Entwicklung von Rapport im Coaching basiert auf mehreren Schlüsselfaktoren: 1. Aktives Zuhören: Die Fähigkeit des Coaches, aktiv zuzuhören und Empathie zu zeigen, trägt maßgeblich zum Auau von Rapport bei. Durch aktives Zuhören signalisiert der Coach seine volle Präsenz und sein Engagement für die Belange des Klienten. 2. Authentizität und Kongruenz: Die Authentizität des Coaches, also die Übereinstimmung zwischen seinen Worten und Taten, fördert die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen des Klienten. Echtheit im Verhalten des Coaches verstärkt die Verbindung und unterstützt den Auau von Rapport. 3. Respekt und Wertschätzung: Ein respektvoller Umgang und die Wertschätzung der Persönlichkeit des Klienten sind wesentlich für eine positive Coaching-Beziehung. Durch die Anerkennung der Einzigartigkeit jedes Klienten wird eine Atmosphäre geschaffen, in der sich Rapport natürlich entwickeln kann. 4. Anpassungsfähigkeit: Die Fähigkeit des Coaches, seine Kommunikations- und Interaktionsstile an die Bedürfnisse und Vorlieben des Klienten anzupassen, unterstützt ebenfalls den Auau von Rapport. Dies kann beispielsweise die Anpassung der Sprache, des Tempos oder der verwendeten Metaphern umfassen, um eine tiefere Verbindung herzustellen. Rapport ist somit eine grundlegende Komponente, die aktiv gepegt werden muss. Ein starker Rapport bildet das Fundament, auf dem transformative Veränderungen stattnden können. In der Essenz ist Rapport das Herzstück eines jeden erfolgreichen Coaching-Prozesses, das die Beziehung zwischen Coach und Klient nährt und stärkt. Es ist wichtig, von Anfang an Worte und Gesten auszutauschen, die Offenheit und Wertschätzung ausdrücken und dem Klienten Selbstvertrauen geben. Rapport sollte nicht mit Smalltalk verwechselt werden, sondern zielt darauf ab, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, die den gemeinsamen Coaching-Prozess unterstützt. Vor dem ersten Treffen mit dem Klienten ist es ratsam, sich auf ihn einzustimmen, beispielsweise durch Atemübungen, Tönen oder meditative Einstimmungen. Diese helfen dabei, den Geist zu klären und zu öffnen, um präsent und zugewandt für den Klienten zu sein. Die Fähigkeit zum Rapport kann nicht allein durch das Erlernen von Techniken erworben werden, sondern erfordert Selbstreexion, Selbstannahme und 53

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Selbstverständnis. Bevor jemand andere Menschen coacht, sollte er über eine integre Persönlichkeit verfügen und sich in Selbstreexion geübt haben. Es ist 9wichtig, dass der Coach seine eigenen emen des Lebens bereits bearbeitet hat, um den Klienten bestmöglich unterstützen zu können. Ein solider Rapport ist also das Herzstück einer erfolgreichen Coaching-Beziehung. Der Unterschied zwischen Empathie und Rapport In Ausbildungen und Dialogen stelle ich häug fest, dass die Konzepte von Empathie und Rapport miteinander verwechselt oder als synonym betrachtet werden. Es ist jedoch wichtig, eine differenziertere Betrachtung dieser beiden Begriffe vorzunehmen, da sie, obwohl eng miteinander verwoben, unterschiedliche Dimensionen zwischenmenschlicher Beziehungen und Kommunikation im Coaching-Kontext repräsentieren. Empathie ist die Fähigkeit eines Individuums, die emotionalen Zustände, Gedanken und Perspektiven einer anderen Person intuitiv zu erfassen und zu verstehen. Sie ermöglicht es dem Coach, eine tiefe emotionale Resonanz mit dem Klienten zu erleben und dessen innere Erlebniswelt nachzuvollziehen. Diese Fähigkeit zur emotionalen Einfühlung ist grundlegend, um eine Atmosphäre der Akzeptanz und des Vertrauens zu schaffen. Ein empathischer Coach ist in der Lage, die Emotionen Eine integre Persönlichkeit zeichnet sich durch Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und eine starke 9innere Kohärenz aus. Integrität bezieht sich auf die Übereinstimmung zwischen den Werten, Überzeugungen und Handlungen einer Person, sowohl in ihrem persönlichen als auch beruichen Leben. Eine integre Person handelt in Übereinstimmung mit ihren Prinzipien, selbst wenn es schwierig ist oder persönliche Opfer erfordert. Sie handelt in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen und hält sich an ihre Versprechen und Verpichtungen. Diese Menschen sind bekannt dafür, dass sie in schwierigen Situationen standha bleiben und sich nicht von äußeren Einüssen oder Versuchungen ablenken lassen. Darüber hinaus zeigt eine integre Persönlichkeit Konsistenz in ihrem Verhalten und ihren Entscheidungen, unabhängig von den Umständen. Sie handeln aus einem tief verwurzelten Sinn für Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit heraus. Eine solche Persönlichkeit wird o respektiert und sogar bewundert, da sie als zuverlässig, verlässlich und ethisch verantwortlich gilt. Menschen mit Integrität sind o in der Lage, positive Veränderungen in ihrem persönlichen Umfeld und in der Gesellscha insgesamt zu bewirken, da sie als Vorbilder für andere dienen und Vertrauen und Respekt verdienen. Insgesamt kann eine integre Persönlichkeit als eine Person deniert werden, die sich durch moralische und ethische Prinzipien leitet und danach strebt, in allen Bereichen ihres Lebens aufrichtig, ehrlich und integer zu handeln. Siehe hierzu Birnbacher, D. (2007). Analytische Einführung in die Ethik. Berlin: De Gruyter.54

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und Bedürfnisse seines Klienten zu erkennen, zu würdigen und zu validieren. Dies fördert nicht nur ein tieferes Verständnis auf beiden Seiten, sondern stärkt auch die Vertrauensbeziehung, was dem Klienten das Gefühl gibt, in einem sicheren Raum seine intimsten Gedanken und Gefühle teilen zu können. Rapport, hingegen, bezeichnet eine qualitativ hochwertige Beziehung, die sich durch Harmonie, gegenseitiges Verständnis, Respekt und eine empathische Verbindung auszeichnet. Rapport ist das Ergebnis erfolgreicher kommunikativer und relationaler Interaktionen zwischen Coach und Klient, die eine solide Basis 10für effektive Zusammenarbeit schaffen. Diese zwischenmenschliche Verbindung erleichtert eine ießende, offene Kommunikation und scha eine kooperative Atmosphäre, die für den Coaching-Prozess unerlässlich ist. Wenn Rapport vorhanden ist, fühlen sich beide Parteien verstanden und wertgeschätzt, was eine fruchtbare Grundlage für das gemeinsame Arbeiten an den Zielen des Klienten bildet. Obwohl Empathie als die Fähigkeit angesehen werden kann, die emotionalen und kognitiven Zustände einer anderen Person zu verstehen und nachzuvollziehen, ist Rapport das Resultat, wenn diese empathische Verbindung erfolgreich in die Praxis umgesetzt wird, um eine vertrauensvolle und harmonische Beziehung zu etablieren. Empathie ist somit eine Grundvoraussetzung für den Auau von Rapport, während Rapport das dynamische Zusammenspiel von Empathie, Verständnis und Respekt in der Coaching-Beziehung widerspiegelt. Der Begriff 'relationale Interaktionen’ hier bezieht sich auf die Art und Weise, wie Menschen 10in einer Beziehung miteinander interagieren, besonders in Bezug auf die Qualität und Tiefe ihrer Kommunikation und Verbindung. In einem Coaching-Kontext beschreibt er den dynamischen Austausch zwischen Coach und Klient, der darauf abzielt, eine tiefe, verständnisvolle und empathische Beziehung zu entwickeln. Relationale Interaktionen sind nicht nur einfache Gespräche oder den Informationsaustausch. Sie umfassen vielmehr eine bewusste Anstrengung, um eine Umgebung zu schaffen, in der Offenheit, Vertrauen und gegenseitiges Verstehen gedeihen können. Diese Interaktionen beinhalten aktives Zuhören, Empathie, Respekt vor den Gefühlen und Perspektiven des anderen und eine echte Beteiligung am emotionalen sowie psychologischen Erleben des Klienten. Ziel ist es, eine Basis zu schaffen, auf der der Klient sich sicher und unterstützt fühlt, was für den Coaching-Prozess essentiell ist. Vgl. hierzu Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie: Grundlagen, Diagnostik, erapie. Hogrefe und Siegel, D. J. (2010). Die neue Psychotherapie des Gehirns: Wie sich Erfahrungen im Gehirn widerspiegeln und es verändern. Klett-Cotta.55

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Grundfähigkeiten eines Coaches Die Kunst des Coachens basiert auf einem Fundament von Fähigkeiten und Eigenschaen, die Coaches befähigen, ihre Klienten durch den Prozess der persönlichen und beruichen Entwicklung zu navigieren. Diese Fähigkeiten sind essentiell, um eine eff ektive und transformative Coaching-Erfahrung zu gewährleisten. Hier eine detaillierte Betrachtung dieser Schlüsselfertigkeiten: 1. Wahrnehmungsfähigkeit: Ein versierter Coach besitzt eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit, die es ihm erlaubt, über die offensichtlichen verbalen Äußerungen hinaus, die subtilen nonverbalen Signale der Klienten zu erfassen. Dies umfasst die Feinheiten der Körpersprache, des Tonfalls und der Mimik, die o tiefer liegende Emotionen und ungesagte Gedanken verraten. Durch diese Fähigkeit kann der Coach nicht artikulierte Bedürfnisse und unbewusste Motivationen seiner Klienten erkennen, was eine tiefere Ebene der Unterstützung und maßgeschneiderte Interventionsstrategien ermöglicht. 2. Analytische Fähigkeit: Die analytische Kompetenz eines Coaches ermöglicht es ihm, komplexe Informationen zu entschlüsseln, Muster zu identizieren und essentielle Einsichten zu gewinnen. Dies ist besonders in Situationen von Bedeutung, in denen Klienten mit verworrenen Herausforderungen oder Entscheidungsdilemmata konfrontiert sind. Durch eine systematische Analyse kann der Coach den Kern des Problems isolieren und gemeinsam mit dem Klienten effektive Lösungsansätze entwickeln. 3. Synthetisch-ordnende Fähigkeit: Eng verbunden mit der analytischen Fähigkeit ist die Kompetenz, disparate Informationen und Perspektiven zu einem 11kohärenten Ganzen zu synthetisieren. Ein Coach muss in der Lage sein, die verschiedenen Lebensbereiche und Erfahrungen des Klienten zu einem stimmigen Bild zu vereinen. Diese synthetische Sicht ermöglicht es, Prioritäten Disparate Informationen beziehen sich hier auf verschiedene, o sehr unterschiedliche und 11scheinbar unzusammenhängende Daten oder Perspektiven, die ein Coach von einem Klienten erhält. Diese Informationen können aus verschiedenen Lebensbereichen des Klienten stammen, wie beruiche Erfahrungen, persönliche Erlebnisse, Werte, Ziele, Herausforderungen und mehr. Die synthetisch-ordnende Fähigkeit eines Coaches bedeutet daher, diese unterschiedlichen Informationen zu einem kohärenten, stimmigen Gesamtbild zu vereinen.56

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zu setzen, Zielkonikte zu erkennen und strategische Pläne für die persönliche Entwicklung des Klienten zu formulieren. 4. Emotional-aktivierende Kommunikation: Eine Schlüsselkompetenz im Coaching ist die Fähigkeit, durch Kommunikation eine emotionale Verbindung herzustellen und den Klienten zur Selbstreexion und -aktualisierung zu motivieren. Durch empathisches Zuhören, bestärkendes Feedback und gezieltes Hinterfragen kann der Coach eine Atmosphäre schaffen, in der Klienten sich emotional geöffnet und tief verstanden fühlen. Diese emotionale Aktivierung ist o der Katalysator für bedeutende Einsichten und Veränderungen. 5. Liebe und Faszination zum Menschen und dem Beruf des Coaches: Eine tiefe Leidenscha für die menschliche Entwicklung und die beruiche Rolle als Coach ist das Herzstück einer inspirierenden Coaching-Beziehung. Diese intrinsische Motivation treibt Coaches an, sich kontinuierlich weiterzubilden, ihre Methoden zu verfeinern und jeden Klienten mit frischer Energie und echtem Interesse zu begegnen. Die authentische Begeisterung des Coaches für den Entwicklungsprozess des Klienten kann ansteckend wirken und die Motivation des Klienten signikant steigern. 6. Bindungsfähigkeit und emotionale Flexibilität: Die Fähigkeit, eine starke, vertrauensvolle Bindung zu Klienten aufzubauen, gepaart mit der emotionalen Flexibilität, sich auf unterschiedliche Persönlichkeiten und Situationen einzustellen, ist entscheidend. Diese Flexibilität erlaubt es dem Coach, seine Herangehensweise individuell anzupassen und somit eine optimale Unterstützung für jeden Klienten zu gewährleisten. 7. Bescheidenheit und Weisheit: Ein Coach, der Bescheidenheit und Weisheit vereint, erkennt die Grenzen seines Wissens und ist offen für ständiges Lernen. Diese Haltung ermöglicht es dem Coach, reektiert und umsichtig zu handeln, was das Vertrauen der Klienten stärkt und eine Kultur der gemeinsamen Entwicklung fördert. Diese Grundfähigkeiten eines Coaches sind nicht nur Werkzeuge, sondern verkörpern die Essenz dessen, was es bedeutet, ein Coach zu sein. Sie ermöglichen es dem Coach, eine tiefgreifende und transformative Rolle im Leben seiner Klienten 57

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zu spielen, sie auf ihrem Weg zur Selbstverwirklichung zu unterstützen und dabei eine bereichernde und erfüllende professionelle Praxis zu erleben. 12Das Selbstwertgefühl - Eine wichtige Quelle Das Selbstwertgefühl ist ein zentrales Element im Leben jedes Menschen, ein innerer Kompass, der uns durch die Unwägbarkeiten des Lebens navigieren lässt. Es ist die innere Stimme, die uns sagt, dass wir wertvoll, kompetent und würdig sind, Glück und Erfolg in unserem Leben zu erfahren. Dieses Gefühl ist nicht nur eine persönliche Ressource; es ist ein Eckpfeiler unserer psychischen Gesundheit und unseres Wohlbendens. In der Praxis des Coachings nimmt das Selbstwertgefühl eine besonders prominente Rolle ein. Coaches arbeiten mit Menschen, die o an einem Wendepunkt in ihrem Leben stehen, die Herausforderungen meistern oder sich persönlich und beruich weiterentwickeln wollen. Ein gesundes Selbstwertgefühl ist dabei eine unverzichtbare Grundlage. Es ermöglicht es dem Coachee, Herausforderungen mit Zuversicht zu begegnen, Rückschläge zu überwinden und aus Fehlern zu lernen, anstatt von ihnen niedergeschlagen zu werden. Nathaniel Brandons Denition des Selbstwertgefühls betont zwei fundamentale 13Aspekte: das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die grundlegenden Herausforderungen des Lebens zu meistern, und das Recht, glücklich und erfolgreich zu sein. Diese Denition unterstreicht die Notwendigkeit eines fundierten Glaubens an die eigene Wirksamkeit und den eigenen Wert. Ein gesundes Selbstwertgefühl manifestiert sich im Alltag durch Gelassenheit, Zufriedenheit, Stolz, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen, Selbstachtung und das Gefühl der Anerkennung. Diese Attribute sind entscheidend, um ein erfülltes Leben zu führen und die eigenen Träume und Ziele zu verwirklichen. Brandons "Sechs Säulen des Selbstwertgefühls" bieten eine praktische Anleitung, wie man ein solides Selbstwertgefühl auauen und erhalten kann: Siehe weiterführend auch https://coachingfederation.org/app/uploads/2021/07/Updated-12ICF-Core-Competencies_German_Brand-Updated.pdf. Vgl. Brandon, Nathaniel (2011), Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls, Piper.1358

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1. Bewusst leben: Dies bedeutet, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, sich der eigenen Entscheidungen, Handlungen und Gedanken bewusst zu sein. Ein bewusstes Leben fördert die Selbstbestimmung und das Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben. 2. Selbstannahme: Die Fähigkeit, sich selbst in allen Facetten anzunehmen, ist grundlegend. Dies schließt die Akzeptanz der eigenen Stärken und Schwächen sowie die Bereitscha ein, die eigene Vollkommenheit und Unvollkommenheit zu umarmen. 3. Eigenverantwortlich leben: Die Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben, einschließlich der Entscheidungen und Konsequenzen, ist ein Schlüssel zum Auau von Selbstwert. Dies beinhaltet auch, die Opferrolle abzulegen und das eigene Leben aktiv zu gestalten. 4. Sich selbstsicher behaupten: Die Fähigkeit, für sich selbst einzustehen, die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Werte zu kommunizieren und zu verteidigen, ist essenziell für ein gesundes Selbstwertgefühl. 5. Zielgerichtet leben: Die Ausrichtung auf Ziele und die Nutzung der eigenen Fähigkeiten zur Zielerreichung vermitteln ein Gefühl der Kompetenz und Leistung, das das Selbstwertgefühl stärkt. 6. Persönliche Integrität: Die Übereinstimmung von Handeln und Werten führt zu einem authentischen Leben und stärkt das Selbstvertrauen und den Selbstrespekt. Jeder dieser Aspekte trägt dazu bei, ein robustes Selbstwertgefühl aufzubauen, das es Menschen ermöglicht, ihre Potenziale voll auszuschöpfen. Als Coaches ist es unsere Aufgabe, unsere Coachees auf diesem Weg zu begleiten, sie zu ermutigen, diese Säulen in ihrem Leben zu verankern und sie dabei zu unterstützen, Hindernisse zu überwinden, die ihr Selbstwertgefühl untergraben könnten. Durch gezielte Reexion, praktische Übungen und kontinuierliche Selbstfürsorge können wir unsere Coachees dabei unterstützen, ein starkes Fundament für ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu legen. Erstelle jetzt dein eigenes Diagramm, damit du auf einen Blick sehen kannst, wo Handlungsbedarf besteht, um dein Selbstwertgefühl zu stärken. Bitte bewerte 59

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anschließend deine eigenen Säulen des Selbstwertgefühls: Dabei steht ‚1‘ für gering und ‚5‘ für sehr gut. Trage hier Deine jeweiligen Ergebnisse ein aus dem Schaubild der nächsten Seite. Bewusst leben: _______ Selbstannahme: _______ Eigenverantwortlich leben: _________ Sich selbstsicher behaupten: _______ Zielgerichtet leben: _______ Persönliche Integrität: ________ Verbinde nun die jeweiligen Punkte miteinander und markieren die zwei schwächsten Säulen. 60Bewusst lebenSelbstannahmeEigenverantwortlich lebenSich selbstsicher behauptenZielgerichtet lebenPersönliche Integrität12345123451234512345

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Die zwei schwächsten Säulen sind: _________________________ _________________________ Notiere hier, was du tun wirst, um diese zu stärken: 14_______________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ _________________________________________________________________ Vera F. Birkenbihl, die sich in einigen ihrer Bücher zu diesem ema geäußert hat, hat häug zwei aussagekräige Modelle verwendet, die ich dir vorstellen möchte. Das erste ist das ‚Energie-Haushaltsmodell‘ und das andere das ‚Potenzial-Entwicklungsmodell‘. Diese Modelle verdeutlichen besonders eindrucksvoll, wie wichtig das Selbstwertgefühl für unser Leben ist. Das Energie-Haushalt-Modell Das Energie-Haushalt-Modell wird vereinfacht durch ein Rechteck dargestellt, 15welches in fünf Bereiche (A, B, C, D und E) aufgeteilt ist. Alle Bereiche zusammen Tief in dir gibt es eine Instanz, die genau weiß, was du brauchst. Ich bin überzeugt, dass du auch 14weißt, wie du deine schwächsten Punkte stärken kannst. Modelle sind immer nur Annäherung an die mögliche Wirklichkeit, die keiner kennt. Alles was wir 15lesen und uns zu erklären versuchen, bedient sich des Modelldenkens. Das heißt, Modelle beschreiben vereinfacht die sich vorgestellte ‚Wirklichkeit‘, die sich um ein vielfaches komplexer gibt. Das gilt auch für dieses Modell, welches, wie ich nde ein wunderbares Lehrstück ist mit - wie ich hoffe - Aha-Erlebnis. Dafür war Birkenbihl weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.61

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beinhalten die gesamte zur Verfügung stehende Energie eines Individuums. Die Gesamtenergie verteilt sich also in diesen Bereichen. Man stelle sich der Einfachheit halber zunächst vor, dass jedes Abteil gleich groß ist und die gestrichelten Linien repräsentieren verschiebbare Trennwände. Siehe die folgende Abbildung. Wir werden nun jeden Bereich einzeln durchgehen, und ich erkläre dir die jeweiligen Inhalte und deren Auswirkungen. Beginnen wir mit den A-Energien. Die A-Energien repräsentieren „Autonome Prozesse“. Das „A“ steht für „autonom“, das heißt, es handelt sich um Energie, die für die autonomen Prozesse unseres Körpers benötigt wird. Dies umfasst automatisch ablaufende Vorgänge wie Atmung, Verdauung, Stoffwechsel und Temperaturregelung, beispielsweise Gänsehaut oder Schwitzen. Diese Prozesse werden vom Körper eigenständig und ohne unser bewusstes Eingreifen geregelt. Wir müssen hierfür keine Entscheidungen treffen. So zieht der Körper beispielsweise bei Krankheit die benötigte Energie heran, um wieder gesund zu werden. In solchen Zeiten verlieren wir o das Interesse an Dingen, die zuvor vielleicht wichtig waren, fühlen uns müde und schlapp oder bleiben im Bett, um uns auszukurieren. Der Volksmund sagt zu Recht: „Schlaf dich gesund.“ Über A-Energien kann der Mensch nicht frei verfügen. Die doppelten Striche in der Abbildung verdeutlichen, dass diese Barrieren nicht bewusst von uns verschoben werden können; der Körper regelt dies automatisch und selbstständig. Man sieht an der Abbildung, dass der Körper sich selbst mit mehr Energie für den Heilungsprozess versorgt, was dann in Zeiten der Krankheit für andere Bereiche fehlt. Bitte denke daran, dass auch Stresssituationen autonome Prozesse in unserem Körper hervorrufen können und ebenso als „Energiefresser“ fungieren. 62

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Die B-Energien stehen für „Bin ich ok?“ Das „B“ repräsentiert hier das Sein, wie du dich selbst wahrnimmst und beurteilst. Dieser Bereich betri dein Selbstwertgefühl und dreht sich vornehmlich um die innere Frage: „Bin ich ok?“ Wenn du dich als „ok“ empndest, benötigst du weniger Energie für diesen Bereich und hast mehr Ressourcen für die nachfolgenden Bereiche C, D und E – also für das eigentliche Leben – zur Verfügung. Fühlst du dich jedoch durch Kritik von Vorgesetzten, Lehrern, Eltern oder Freunden angegriffen oder stellst dich ständig selbst in Frage, dann dehnt sich der B-Bereich aus und beansprucht mehr Energie. Dies führt dazu, dass weniger Energie für die anderen Bereiche übrig bleibt. Was bedeutet das konkret? Wenn wir uns als nicht „ok“ empnden, fühlen wir uns unzulänglich. Wir grübeln ständig und sind mit Rechtfertigungen beschäigt, was o automatisch und meist unbewusst abläu. Die Folge kann sein, dass wir uns o angegriffen fühlen und ständig in der Defensive sind. Dies verbraucht eine erhebliche Menge an Energie. Manche Menschen mit geringem Selbstwertgefühl neigen dazu, andere zu erniedrigen, um sich selbst größer zu fühlen. Oder es entstehen innere Grübeleien, Rückzüge, Grabenkämpfe und Intrigen. Wie auch immer du versuchst, dein mangelndes Selbstwertgefühl auszugleichen, es kostet viel Energie, und die Trennwände zwischen den Energiebereichen verschieben sich entsprechend. In der folgenden Abbildung kannst du sehen, wie sich diese Trennwände verschieben und dass die verbleibende Energie für die nächsten Bereiche entsprechend abnimmt. Dies erklärt auch, warum ein Schüler möglicherweise nicht mehr leisten kann, wenn er von einem Lehrer herabgesetzt und verbal erniedrigt wird. Es handelt sich nicht nur um eine Verletzung seiner Würde, sondern auch um einen Eingriff in seine Zukun, da in der Schule 63

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maßgeblich die Weichen gestellt werden, wie ein Mensch mit neuen Lerninhalten umgeht. Abbildung: Energiehaushalt, Abteilung „B“ Du wirst feststellen, dass der B-Bereich – vorausgesetzt, wir sind körperlich weitgehend gesund – entscheidend dafür ist, wie viel Energie wir für alle wichtigen Aufgaben in den Bereichen C, D und E des Lebens zur Verfügung haben Obwohl ich dir die anderen Energieabteilungen noch nicht im Detail vorgestellt habe, lässt sich bereits erkennen, dass das Selbstwertgefühl ein zentraler Faktor ist, der unsere Erfolge ermöglicht: Fühlt sich eine Person ok, so hat sie viel Energie frei. Leidet jedoch das Selbstwertgefühl, wird viel Energie für Verteidigungsmanöver wie Rechtfertigungen, Schuldzuweisungen, andere herabsetzen und Grabenkämpfe verbraucht. Diese Energieverluste manifestieren sich dann negativ in Form von Frust, Ärger, Scham und Zorn. Ein Mensch mit einem Mangel an Selbstwert erwartet manchmal von anderen, dass sie ihm den Wert bestätigen, den er sich selbst nicht zuschreibt. Eine weitere Verhaltensweise ist, andere zu kritisieren und klein zu machen, um sich selbst größer und besser zu fühlen. Die Folgen solcher Manipulationen sind nicht nur im privaten, sondern vor allem im beruichen Kontext spürbar und führen zu erheblichen Reibungsverlusten. Diese haben nicht nur betriebswirtschaliche, sondern auch volkswirtschaliche Auswirkungen. Nicht zu vergessen sind die hohen Krankheitskosten, die durch die psychische Belastung entstehen. 64

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Die C-Energien stehen für „Chronos und Kairos“. Chronos und Kairos sind zwei Begriffe, die aus der griechischen Zeitphilosophie stammen und unterschiedliche Aspekte der Zeit darstellen. „Chronos“ bezieht sich auf die lineare Zeit, die unsere alltäglichen Abläufe strukturiert. Es ist die messbare Zeit, die unsere Termine, Fristen und Routinen bestimmt. Typische Tätigkeiten, die unter Chronos fallen, sind alltägliche Routinearbeiten wie Einkaufen, Zähneputzen, zur Arbeit fahren, Kochen, Putzen, E-Mails prüfen oder Telefonate führen. Chronos ist die treibende Kra unseres Tagesablaufs, und häug haben wir das Gefühl, davon nie genug zu haben. „Kairos“ hingegen betrachtet den entscheidenden, qualitativen Moment – das Hier und Jetzt. Wenn wir uns in einem Kairos-Moment benden, sind unsere visuelle und akustische Wahrnehmung o stark eingeschränkt. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Kinder, die im Spiel so vertie sind, dass sie die Außenwelt um sich herum vergessen und mehrmals gerufen werden müssen, bevor sie reagieren. Vergleicht man dies mit dem Erwachsenenalltag, in dem man geschäsmäßig von einer Aktivität zur nächsten hastet, erlebt man die Zeit als zu schnelllebig und fühlt sich o gehetzt. Dieses Gefühl, Opfer des Zeitdrucks zu sein, zehrt erheblich an unserer Energie. Die Herausforderung, ständig getrieben zu sein, ohne je ausreichend Zeit zu haben, untergräbt unser Selbstwertgefühl und lässt uns kralos fühlen. Umso wichtiger ist es, Kairos in dein Leben einzuladen – das bewusste Verweilen im gegenwärtigen Moment. Indem du mehr Kairos-Momente zulässt, wirst du weniger von Chronos, der linearen Zeit, bedrängt. Dies reduziert deinen Energieverlust im Bereich der C-Energien erheblich. Obwohl es poetisch klingen mag, ist dieser Ansatz sehr praktisch. Um den Moment wirklich genießen und erleben zu können, ist eine gewisse Gelassenheit erforderlich. Diese setzt wiederum voraus, dass du ein zufriedenstellendes Maß an Wohlbenden mit dir und deiner Umgebung hast. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Frage „Bin ich ok?“, denn nur wenn du diese Frage mit Ja beantworten kannst, bist du in der Lage, selbstbewusst Grenzen zu setzen. Wenn du beispielsweise feststellst, dass der Projektplan deines Vorgesetzten zu ambitioniert ist, benötigst du den Mut und die Energie, klar deine Grenzen zu ziehen und für dich selbst einzustehen. Die verschiedenen Energieabteilungen sind miteinander verknüp und beeinussen sich gegenseitig. Anhand deiner Routinetätigkeiten kannst du ablesen, ob dein Energiehaushalt derzeit ausgeglichen ist. Wenn diese Tätigkeiten dir auf die Nerven gehen und du sie nur unter Stress bewältigen kannst, gibt es zwei mögliche Gründe: Entweder sind die Tätigkeiten 65

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nicht sinnvoll oder der Zeitplan ist unrealistisch, oder du leidest unter einem B-Energie-Dezit und hast deshalb nicht genügend Energie, um diese Routinen ohne Stress zu bewältigen. Dies hat wichtige Implikationen: Wenn Routinearbeiten nicht mehr ohne Druck bewältigt werden können, beeinträchtigt dies das Selbstwertgefühl (der B-Bereich benötigt mehr Ressourcen und dehnt sich aus), und es bleibt noch weniger Energie für das eigentliche Leben in den Bereichen C, D und E übrig. Fehlt es bereits im Bereich der C-Energien an Ressourcen, kannst du sicher sein, dass auch in den Abteilungen D und E nicht genügend Energie für Weiterentwicklung, neues Lernen, wertschätzenden Austausch mit anderen und Gelassenheit vorhanden ist. All dies ist essentiell für das Stärken der Koniktfähigkeit. Siehe nun auch folgende Abbildung: Die D-Energien repräsentieren die „Durchführung“. Die Bereiche D und E markieren eine evolutionäre Entwicklung, die es in dieser Form zuvor nicht gab und die entscheidend ist, um das Potenzial eines „Homo sapiens“, eines wissenden und weisen Menschen, zu realisieren. Die Bereiche A bis C beschreiben hingegen Zustände, die stärker von primitiven Instinkten und einem kämpferischen Überlebensmodus geprägt sind. Das „D“ steht für die Durchführung von Tätigkeiten, die weitestgehend als „Arbeit“ deniert werden können. Hierzu zählen nicht nur beruiche Aktivitäten, die zum Lebensunterhalt beitragen, sondern auch nicht entlohnte Leistungen wie kreative Tätigkeiten, Hausarbeit oder das Üben eines Musikinstruments bzw. das Training in einer Sportart. In unserem 66

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Denkmodell benötigt dieser Bereich Energie für die bewusste Ausführung von Tätigkeiten, im Gegensatz zu den routinemäßigen Handlungen des C-Bereichs. Die Interdependenz der verschiedenen Bereiche habe ich bereits angedeutet. Es gibt jedoch einen kritischen Zyklus, auf den wir besonders achten müssen: Je weniger Energie im D-Bereich verfügbar ist, desto geringer ist unsere Leistungsfähigkeit. Dies wirkt sich negativ auf das Selbstwertgefühl aus, wodurch der B-Bereich sich ausdehnt und Energie aus anderen Bereichen abzieht. Das führt wiederum dazu, dass unsere Leistung weiter abnimmt. Die Folgen sind Unzufriedenheit und sich wiederholende negative Gedanken. Man ndet morgens schwer aus dem Bett und geht nur noch widerwillig zur Arbeit. Das gilt ebenso für Schüler, die zur Schule gehen. Diese Dynamik beeinträchtigt auch den C-Bereich, also die Routinearbeiten. Man fühlt sich zunehmend gehetzt und kann selbst gewohnte Tätigkeiten nicht mehr zufriedenstellend ausführen, sodass selbst alltägliche Erledigungen wie der Einkauf zur Belastung werden. Dies belastet das Selbstwertgefühl erneut und verschlechtert unsere Leistungsfähigkeit im D-Bereich weiter. Ein Teufelskreis, der sich fortsetzt. Die obige Abbildung veranschaulicht diesen Zusammenhang. Du erkennst nun die kontinuierlichen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Energiebereichen. Es wird deutlich, warum viele Menschen zu wenig Energie übrig haben, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Vermutlich ahnst du es schon: Der E-Bereich, der die Energie für unsere persönliche Entwicklung bereitstellt, ist entscheidend für unsere Lebensqualität. Die E-Energien repräsentieren die „Entwicklung“. In diesem Bereich werden Energien für die persönliche Erweiterung und Entwicklung benötigt. Dabei geht es um die Erfahrung von Entdeckungen mit Neugierde und Faszination. Es handelt 67

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sich um seelisches und geistiges Wachstum, die Evolution als intelligente Wesen. Ziel ist es, die eigenen Fähigkeiten und das angeborene Potenzial optimal zu entwickeln und die Person zu werden, die man sein könnte. Wenn in diesem Bereich ein Mangel herrscht, entsteht das Gefühl, noch nicht angekommen zu sein. Wir verspüren einen Hunger nach dem Leben, den wir nicht stillen können. Unabhängig davon, wie sich dieses De zit äußert, resultiert es in einem unbefriedigenden Gefühl, das wiederum Druck auf unser Selbstwertgefühl ausübt. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich folgendes Fazit: Wenn du zu viel Energie in den Bereichen A bis C verbrauchst, bleibt dir kaum noch Energie übrig, um Neues zu lernen und dich weiterzuentwickeln. Dies ist auch der Grund, warum viele Menschen große Angst vor allem haben, was neu oder anders ist. Folglich sind viele Situationen mit inneren Konikten behaet, da die nötige Energie, sich damit auseinanderzusetzen, fehlt. Diagnostiziere doch einmal selbst, wo dein persönlicher Energiemangel liegt. Unterteile hierfür deine einzelnen A-B-C-D-E-Energien je nach Energieverbrauch. Um dein Energiemanagement zu verbessern und effektiver in deinem Alltag zu agieren, solltest du dir die folgenden Fragen schrilich beantworten: 1. Betrachtung des Problemfeldes: Wo liegt heute mein Hauptproblem im Bereich meiner Energieverteilung? Welcher Bereich (A, B, C, D oder E) scheint am meisten betroffen? 2. Lernbedarf: Muss ich Neues lernen, lesen oder erarbeiten? Wenn ja, was genau ist das? 3. Energiemangel: Fehlt mir dazu die Energie? Wenn ja, woran merke ich das? Gibt es spezische Anzeichen wie Müdigkeit, Motivationsmangel oder Konzentrationsprobleme? 4. Übermäßiger Energieverbrauch: In welchem Bereich glaube ich, zu viel Energie verbraucht zu haben? 5. Bewältigung von Routineaufgaben: Kann ich meine alltäglichen Routineaufgaben gut erledigen, ohne im Stress zu sein? 6. Überuss an Routinearbeiten: Gibt es zu viele Routine-Tätigkeiten, die meine wertvolle Energie rauben, sodass ich zu wenig für meine eigentliche Arbeit übrig habe? 68

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7. Effizienz der Routinearbeiten: Welche Routinearbeiten sind im Hinblick auf meine Energieressourcen nicht sinnvoll? 8. Selbstwertprobleme als Energieverbraucher: Sind es die Selbstwertprobleme (Bereich B), die meine größten Energieräuber sind? Wenn ja, in welchem Bereich genau? 9. Weitere Gedanken: Was fällt mir noch dazu ein? Gibt es zusätzliche Beobachtungen oder Ideen, die mir helfen könnten, mein Energiemanagement zu optimieren? Indem du dir diese Fragen gründlich und ehrlich beantwortest, kannst du ein klareres Bild deines aktuellen Energiestatus erhalten und gezielte Maßnahmen ergreifen, um deine Energie effizienter zu nutzen. Das Energie-Haushaltsmodell im Coachingprozess Beim Coaching spielt dieses energetische Modell in meinen Sitzungen o eine zentrale Rolle, indem es das Verständnis der Energieverteilung und -nutzung im menschlichen Verhalten vertie. Das Energie-Haushaltsmodell, ein innovativer Ansatz zur Betrachtung des persönlichen Energiemanagements, bietet wertvolle Einblicke in die Art und Weise, wie Individuen ihre Energie auf verschiedene Lebensbereiche verteilen. Dieses Modell kann im Coachingprozess sehr effektiv genutzt werden, um Klienten dabei zu unterstützen, ihre Ressourcen besser zu managen und ihre Ziele effektiver zu erreichen. Wie wir gesehen haben, unterteilt das Energie-Haushaltsmodell die menschliche Energie in fünf Hauptbereiche: Autonome Prozesse (A), Selbstwertgefühl (B), Routinearbeiten (C), Durchführung (D) und Entwicklung (E). Jeder dieser Bereiche beansprucht einen Teil unserer täglichen Energie, wobei die Verteilung je nach persönlichen Umständen, Lebensphase und individuellen Zielen variiert. Lass uns nun auf die Anwendung im Coaching schauen. Ich schlage folgende Vorgehensweise vor: 1. Analyse der Energieverteilung: Der erste Schritt im Coachingprozess besteht darin, gemeinsam mit dem Klienten eine gründliche Analyse seiner aktuellen Energieverteilung vorzunehmen. Dies umfasst die Identikation von Bereichen, 69

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in denen übermäßig viel oder zu wenig Energie verbraucht wird. Diese Analyse hil dabei, Ungleichgewichte zu erkennen, die möglicherweise zu Burnout, Stress oder Motivationsverlust führen. 2. Identikation von Energielecks: Besondere Aufmerksamkeit gilt den Bereichen, in denen Energie unnötig verloren geht – beispielsweise durch ineffiziente Routinen, übermäßige Sorgen um das Selbstwertgefühl oder durch zu wenig investierte Zeit in die persönliche Entwicklung. Das Aufdecken und Adressieren dieser "Energielecks" ist entscheidend für die Verbesserung der Gesamtlebensqualität des Klienten. 3. Zielsetzung und Priorisierung: Auf Basis der Energieanalyse arbeiten Coach und Klient zusammen daran, Prioritäten neu zu ordnen und realistische, erreichbare Ziele zu setzen. Dies schließt die Neuausrichtung der Energieverteilung ein, um sicherzustellen, dass ausreichend Ressourcen für die wichtigen Bereiche des Lebens und der persönlichen Entwicklung zur Verfügung stehen. 4. Entwicklung von Strategien zur Energieerhaltung: Der Coach unterstützt den Klienten bei der Entwicklung von Strategien, um Energie effizient zu nutzen und zu erhalten. Dies kann das Erlernen von Zeitmanagement-Fähigkeiten, das Setzen von Grenzen und das Nein-Sagen beinhalten, um sicherzustellen, dass die Energie nicht durch weniger wichtige Aktivitäten verschwendet wird. 5. Bewusstsein und Selbstreexion fördern: Ein wesentlicher Teil des Coachingprozesses ist es, das Bewusstsein und die Selbstreexion des Klienten zu fördern. Indem Klienten lernen, ihre Energie bewusst zu steuern und ihre emotionalen und physischen Reaktionen auf verschiedene Situationen zu beobachten, können sie effektiver auf ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele hinarbeiten. Du siehst also, der Einsatz des Energie-Haushaltsmodells im Coaching bietet eine strukturierte Methode, um Klienten dabei zu unterstützen, ihre Energie besser zu verstehen und zu managen. Durch die gezielte Arbeit an der Optimierung der Energieverteilung können Klienten nicht nur ganz bewusst ihre Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit steigern, sondern auch ein nachhaltigeres Gleichgewicht in ihrem Leben schaffen. Dieser ganzheitliche Ansatz fördert eine tiefere Selbstkenntnis und ermöglicht eine effektivere persönliche und beruiche Entwicklung. 70

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Das Potenzialentwicklungsmodell Kennst du dein Potenzial? Als Coach ist es essenziell, nicht nur die eigene Sichtweise zu hinterfragen, sondern auch die Perspektiven anderer zu verstehen. O regen wir uns über Menschen auf, weil sie sich nicht so verhalten, wie wir es erwarten, und urteilen vorschnell sowie emotional mit der Bemerkung: "Das ist doch nicht normal!“ Hast du dich als Coach schon einmal gefragt, was "normal sein" überhaupt bedeutet? Wer deniert, was normal ist, und woher stammt dieses Urteil? Ist "normal sein" ein universell gültiges Maß? Nimm dir einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken, bevor du weiterliest. Dieses Verständnis ist für deine Coaching-Praxis entscheidend. Du wirst schnell feststellen, dass dies eine äußerst komplexe Angelegenheit ist, da keiner von uns jemanden kennt, der uns klar erklären kann, was genau normal ist. Es handelt sich um ein Gefühl, das sich in uns einstellt und uns herausfordert: "Hey, der oder die ist doch nicht normal." Doch welches Referenzsystem benötigen wir letztendlich, um zu einer solchen Schlussfolgerung zu kommen? Bleiben wir beim Begriff "normal", der uns zur "Norm" führt. Die Norm ist der Durchschnitt – jene Verhaltensweisen, Meinungen und Menschen, die uns täglich begegnen, sei es auf der Straße, im Zug oder durch die Nachrichten auf sozialen Medien. Wir nehmen eine Welt des Durchschnitts wahr. Das bedeutet auch, dass "normal sein" nicht zwangsläug mit "gesund sein" verbunden ist. Denn die Norm, die Normalität, ist per Denition lediglich ein Mittelmaß und nicht das "Maß aller Dinge", sondern eben nur der Durchschnitt. Als angehender oder praktizierender Coach ist es wichtig zu erkennen, dass dieses Mittelmaß nicht das Maß deines eigenen Lebens oder das deiner Klienten sein sollte. Möchtest du "Durchschnitt" sein? Glaubst du, dass dies dich oder deine Klienten glücklich macht? Beantworte dir diese Frage ganz ehrlich, denn sie ist grundlegend für deine Wirksamkeit als Coach. Normal sein führt weder zwangsläug zu Zufriedenheit noch zu Glück. Im Folgenden möchte ich das Potenzial-Entwicklungsmodell von Vera F. Birkenbihl vorstellen, um zu erläutern, 16worauf ich hinaus möchte. Dieses ema kann – wie alles im Leben – aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Ich beziehe mich hier wieder auf diverse Vorträge von Vera F. Birkenbihl. Dieses Modell 16beschreibt sehr gut, wie die Potenzialentwicklung eines Menschen zu verstehen ist, und vor allem lässt uns diese Veranschaulichung erkennen, das die Norm immer kleiner ist, als unser Potenzial, welches noch in uns schlummert.71

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Denke an den Zeitpunkt deiner Geburt, als du noch ein kleines Wesen warst, das schon über jene Menge Potenzial in sich trug, das du benötigst, um ein glücklicher Mensch zu werden. Die gestrichelte Figur oben stehenden Abbildung repräsentiert dieses ureigene Potenzial, das in jedem von uns ruht. Dieses Potenzial ist bereits zum Zeitpunkt unserer Geburt vorhanden und kann im Laufe unseres Lebens entwickelt werden. Es umfasst unsere Anlagen, Talente und persönlichen Eigenschaen. Unter optimalen Bedingungen könnten wir dieses volle Potenzial entfalten, was die Figur auf der rechten Seite darstellt: Ein zufriedener und glücklicher Mensch, der sich gemäß seinen Anlagen und Talenten entwickelt hat. Jedoch verläu unsere Entwicklung o nicht reibungslos. Häug interveniert die 17 Wir wickeln das auf, was in uns steckt.1772

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"Erziehung", die uns Richtung Durchschnitt, also zur Norm, zieht. Dies wird in der vorigen Abbildung dargestellt. Im Leben eines Individuums zeigt sich o, dass es sich weniger entfalten kann, als vielmehr zu einer gewünschten Norm erzogen wird. Diese Norm ist, wie bereits erwähnt, lediglich ein Durchschnitt und damit zwangsläug kleiner als das originäre Potenzial, das jeder Einzelne in sich trägt. Denn die allgemein akzeptierte Normalität kann niemals die volle Entfaltung des individuellen Potenzials bedeuten. Es ist eine beobachtbare Tatsache, dass Menschen, die ihr Potenzial optimal 18entwickeln und somit über den Durchschnitt hinausgehen, häug sowohl erfolgreich als auch zufrieden sind. Diese Menschen wirken auf ihre Umgebung o ‚anders‘ und bieten damit leider auch Angriffsäche für Neid und Eifersucht. Ein Mensch, der aus der Normalität ausbricht und sein eigenes Potenzial entdeckt und entwickelt, muss unweigerlich Energie in diesen Entwicklungsprozess investieren – wir bewegen uns hier im Bereich der Energie aus dem E-Bereich . 19Wenn wir uns weiterentwickeln möchten, müssen wir Erfahrungen sammeln – sowohl positive als auch negative – die unser Potenzial nicht nur fördern, sondern es uns auch offenbaren. Dies ist nur möglich, wenn ausreichend Energie vorhanden ist, um Neues zu entdecken. Schau noch einmal zurück und betrachte den E- Optimal bedeutet ‚optimal‘ aus der Sicht des Individuums, das sich und sein Lebens selbst 18beschaut. Der Mensch empndet dann sein Leben als gelungen und ist rundum zufrieden. Er weiß, dass er Herausforderungen bewältigen kann und ist selbstbestimmt, d. h. hat die Verantwortung für sich und sein Leben übernommen. Siehe Energie-Haushalt.1973EntwicklungEntwicklungein wahrer Homo sapiensnutzt sein Potenzial

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Bereich erneut. Wenn in diesem Bereich keine Energie mehr vorhanden ist, stellt sich früher oder später Unzufriedenheit ein. Es ist daher verständlich, dass wir Menschen, die diese Unzufriedenheit nicht ausstrahlen, sondern vor Kra und Energie strotzen und darüber hinaus ihre Ziele erreicht haben, mit Argwohn und vielleicht sogar Neid betrachten. Denn diese Menschen besitzen etwas, das wir nicht haben, und sie zeigen uns zusätzlich, dass Glück und Zufriedenheit möglich sind, auch wenn wir es selbst nicht gescha haben. Dagegen hil kein Jammern; der Mensch muss sich diesen Herausforderungen stellen, um seine inneren und damit auch die äußeren Konikte zu lösen. Da der Mensch nach Sinn und Zufriedenheit im Leben strebt, ist es entscheidend, dass er sein eigenes Potenzial entfaltet – nicht ‚wegen‘, sondern ‚trotz‘ der Erziehung. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben eines erfolgreichen Menschen: seine persönliche, individuelle Evolution! Dieser Weg der individuellen Evolution ist ebenfalls mit Konikten gespickt. Zum Zeitpunkt der Geburt hatte man keine Ahnung, was richtig oder falsch, akzeptabel oder inakzeptabel, wichtig oder unwichtig sein würde. Für das kleine Menschlein war alles wichtig, richtig und in Ordnung, und mit der Zeit begannen die Erwachsenen, die Welt zu erklären. Mit der Zeit lernte das Kind, was offensichtlich nicht akzeptabel war und wie darauf zu reagieren ist. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen, die ähnlich erzogen wurden, leichter miteinander auskommen. Wenn die Weltbeschreibung eines anderen mit der eigenen übereinstimmt, wird die Kommunikation als angenehm empfunden. Umgekehrt führt abweichendes Verhalten anderer zu Verunsicherung und kann Konikte auslösen. Zurück zur Entwicklung deines eigenen Potenzials: Um dieses zu entwickeln, musst du aktiv bleiben und Verantwortung für deinen eigenen Erfolg übernehmen. Es erfordert Mut, von der Norm abzuweichen. Trau dich, aus der Norm herauszutreten und zu dir selbst zu stehen. Dabei benötigst und stärkst du gleichzeitig dein Selbstwertgefühl, das unerlässlich ist, da Menschen, die nicht der Norm entsprechen und sich darüber hinaus entwickeln, häug angegriffen und negativ beurteilt werden. Aus dieser Perspektive wird die Bedeutung des Selbstwertgefühls deutlich. Es ist erforderlich, um sich laut Birkenbihl zum ‚wahren Homo Sapiens‘ zu entwickeln, der sein Potenzial tatsächlich nutzt. Siehe hierzu die folgende Abbildung. Und genau das wollen wir natürlich vor allem auch unseren Klienten mitgeben. 74

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Das Potenzial-Entwicklungsmodell von Vera F. Birkenbihl bietet zahlreiche Ansatzpunkte für das Coaching, sei es in der Psychoedukation oder als Interventionstechnik. Dieses Modell verdeutlicht die Unterschiede zwischen der reinen Anpassung an gesellschaliche Normen und der Entfaltung individueller Potenziale. Es ist besonders wirksam, um Coachees die o unbewussten Grenzen ihrer Entwicklung bewusst zu machen und sie zu ermutigen, über diese hinauszuwachsen. In der Psychoedukation dient das Modell dazu, den Coachees ein tieferes Verständnis ihrer eigenen Verhaltensweisen und Reaktionen zu vermitteln. Zum Beispiel kann ein Coach das Modell verwenden, um zu erklären, wie externe Erwartungen (die Norm) o das individuelle Wachstum und die persönliche Zufriedenheit begrenzen. Durch die Visualisierung des Modells wird den Coachees gezeigt, wie ihre eigenen Potenziale von Anfang an vorhanden waren, aber möglicherweise durch die Erziehung und gesellschaliche Erwartungen unterdrückt wurden. Als Intervention kann das Modell Coachees helfen, ihre persönlichen Ziele neu zu bewerten und Strategien zu entwickeln, um ihr volles Potenzial zu erreichen. Nehmen wir an, ein Coachee fühlt sich in seiner beruichen Rolle blockiert und unzufrieden. Der Coach kann das Potenzial-Entwicklungsmodell nutzen, um zu illustrieren, wie die „Norm“ des beruichen Umfelds möglicherweise nicht mit den individuellen Talenten und Leidenschaen des Coachees übereinstimmt. Gemeinsam könnten sie dann Möglichkeiten erkunden, wie der Coachee seine einzigartigen Fähigkeiten und Interessen in seiner aktuellen Rolle besser integrieren oder vielleicht sogar eine neue Richtung einschlagen kann, die eine bessere Passung bietet. Ein weiteres Beispiel wäre die Verwendung des Modells in einem Team-Coaching-Kontext, um Teammitglieder dazu zu bringen, die Vielfalt der Talente innerhalb des Teams zu erkennen und zu schätzen. Indem jeder Einzelne ermutigt wird, sein eigenes Potenzial zu entwickeln und einzubringen, kann das gesamte Team über die üblichen Normen hinauswachsen und innovative, kreative Lösungen für Arbeitsaufgaben nden. 75

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Emotionen und Gefühle im Coaching Gefühle und Emotionen spielen natürlich die essentielle Rolle im Coaching, denn durch sie erlebt der Klient seine Welt. Sie beeinussen nicht nur unsere Entscheidungen und Handlungen, sondern auch, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen und darauf reagieren. Im Coaching-Prozess helfen sie dabei, tiefer liegende Beweggründe und Blockaden zu erkennen und zu verstehen. Ein effektives Coaching zielt darauf ab, Klienten nicht nur bei der Identikation ihrer Gefühle zu unterstützen, sondern auch dabei, diese zu verstehen und konstruktiv zu nutzen. Es gibt bzgl. der Unterscheidung zwischen Gefühlen und Emotionen keine klare Denition zur Abgrenzung. O werden beide Begriffe als Synonym verwendet. Im Allgemeinen hat man sich jedoch auf ein Unterscheidungsmerkmal geeinigt, nämlich dass Emotionen eher automatische Antworten des Körpers auf eine bestimmte Situation sind - d. h. es handelt sich hier um eine mehr oder weniger ‚unbewusste‘ Reaktion. Gefühle dagegen erleben wir, wenn wir diese Emotionen bewusst wahrnehmen. Hier liegt der Schwerpunkt bei der Bewusstheit des Erlebens. Warum haben wir überhaupt Emotionen bzw. Gefühle? Zunächst einmal wird der Organismus von Emotionen gesteuert. Aber auch der Verstand benötigt Gefühle, Emotionen, um bestimmte Entscheidungen treffen zu können. Der Bauch entscheidet, wo der Kopf lange Ketten von Fürs und Widers bildet. Urteile speisen sich nicht aus logischen Schlüssen, sondern aus zwei Quellen, die beide der Vergangenheit entspringen: Einmal den Erfahrungen, die ihren Niederschlag in unseren Gefühlen und Emotionen haben, und zum anderen der genetischen Programmierung. Täglich erleben wir ca. 100.000 Gedanken und Gefühle , das 20 21sind Impulse, die sich direkt auf unser Energieempnden aber auch auf den körperlichen Zustand auswirken. Mal ehrlich, die meisten von uns kommen nicht auf den ‚Gedanken‘ dass die eigene Lebensenergie im direkten Zusammenhang Vgl. Klein, Stefan. (2003). Die Glücksformel: Oder wie die guten Gefühle entstehen. 20Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag. Vgl. Marx, Susanne (2015). HerzIntelligenz® kompakt: Gesund und gelassen, klar und 21kreativ. Kandern: VAK Verlag.76

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damit stehen. Statt dessen sind es meistens die äußeren Umstände, die anderen, denen wir die Schuld an unserem Unbehagen zuschieben. Die trügerische Sicherheit der Homöostase im Coaching Homöostase beschreibt das Streben nach innerem Gleichgewicht, doch dieses Gleichgewicht führt nicht immer zu gesunden Verhaltensweisen. Besonders im Coaching ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Aufrechterhaltung von innerer Stabilität nicht automatisch positive Ergebnisse für die persönliche Entwicklung bedeutet. Menschen, die ihr Leben lang in negativen oder dysfunktionalen Mustern gefangen waren, erleben eine Art "falsche Homöostase". Verhaltensweisen, die ihnen vermeintliche Sicherheit bieten, sind o tief in ihren Lebensgewohnheiten verankert – auch wenn sie diese langfristig schädigen. Ein anschauliches Beispiel dafür sind Menschen, die in Haushalten mit Gewalt, Sucht oder anderen dysfunktionalen Dynamiken aufgewachsen sind. Diese negativen Erfahrungen prägen das innere Gleichgewicht des Betroffenen. So wählen sie später im Leben, o unbewusst, Partner oder Situationen, die ihnen eine ähnliche dysfunktionale Dynamik bieten. Diese Wiederholung von destruktiven Mustern bietet eine Art trügerische Sicherheit, weil sie dem vertraut sind und das innere Gleichgewicht – so dysfunktional es auch sein mag – beibehalten wird. 22Im Coaching ist es von Bedeutung, diese trügerische Homöostase zu erkennen und dem Klienten zu helfen, sich bewusst aus diesen destruktiven Mustern zu lösen. Dies ist jedoch kein leichter Prozess, denn neue und gesündere Verhaltensweisen können sich zunächst unangenehm oder gar bedrohlich anfühlen. Das liegt daran, dass das Verlassen vertrauter Verhaltensmuster, selbst wenn sie schädlich sind, das Gefühl von Stabilität und Kontrolle ins Wanken bringt. Der Klient muss erkennen, dass die scheinbare Sicherheit der alten Muster trügerisch ist und ihn letztlich davon abhält, sein volles Potenzial zu entfalten. . 23Hier kommt die Aufgabe des Coaches ins Spiel: Dem Klienten die Mechanismen seiner bisherigen Verhaltensweisen aufzuzeigen und ihn behutsam dabei zu Siehe Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie: Grundlagen, Diagnostik, erapie. Hogrefe.22 Vgl. Siegel, D. J. (2010). Die neue Psychotherapie des Gehirns: Wie sich Erfahrungen im 23Gehirn widerspiegeln und es verändern. Klett-Cotta.77

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begleiten, diese dysfunktionalen Muster zu hinterfragen und durch neue, konstruktivere Verhaltensweisen zu ersetzen. Als Coaches haben wir auch die Aufgabe, das Verständnis zu fördern, dass das unangenehme Gefühl bei neuen, gesunden Verhaltensweisen lediglich ein Teil des Prozesses ist – ein Hinweis darauf, dass der Klient dabei ist, sein altes Gleichgewicht zu verändern und sich neu zu orientieren. Diese Phase der Unsicherheit und des Unwohlseins ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigeren und gesünderen inneren Gleichgewicht. 24Das Bewusstsein für die innere Welt Hast du dir jemals die Frage gestellt, wie deine Gedanken und Gefühle deine Energie beeinussen? Ich lade dich ein, einige Minuten für eine tiefgreifende Selbstreexion zu nutzen. Bist du dir der Dynamiken deines Innenlebens bewusst? Und falls ja, wie navigierst du deine Gedanken und Emotionen in eine förderliche Richtung? Als Coach ist es unsere Aufgabe, Klienten darin zu stärken, ein klares Bewusstsein für ihre emotionalen und kognitiven Prozesse zu entwickeln. Dieses Bewusstsein ist der grundlegende Schritt, um zu lernen, wie man seine inneren Vorgänge effektiv steuert und dadurch persönliches sowie beruiches Wachstum fördert. Im Coachingprozess unterstützen wir unsere Klienten nicht nur dabei, ihre Gedanken und Gefühle zu identizieren, sondern auch die Ursachen dafür zu verstehen. Dies ermöglicht es ihnen, ihre emotionalen und kognitiven Prozesse so zu steuern, dass sie ihre Ziele erreichen und ein erfüllteres Leben führen können. Überlege, welche Techniken du anwenden könntest, um deine Gedanken positiv zu beeinussen. Ob durch Tagebuchschreiben, meditative Reexion oder das Praktizieren von affirmierenden Mantras – der Schlüssel liegt in der regelmäßigen Praxis und der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Darüber hinaus ist es wichtig, sich bewusst zu machen, wie leicht sich hartnäckige Muster negativer Gedanken und Gefühle einschleichen können. Wenn solche Muster erst einmal etabliert sind, führen sie zur Ausschüttung von Stresshormonen, die kontinuierlich in unserem Körper zirkulieren und unsere Wahrnehmung auf diese zehrenden Impulse lenken. Siehe ebenda2478

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Bewusst wahrgenommene Gefühle machen flexibel Selbstbeobachtung hil, sich die eigenen Gefühle und Gedanken bewusst zu machen, denn nur so können wir selbstbestimmt handeln bzw. reagieren. Natürlich ist es wichtig und gut auf seine Gefühle zu hören, aber nicht immer ratsam, ihnen blindlings zu folgen. Ich will damit sagen, dass die schnellen Antworten aus dem Bauch heraus o nicht zielführend sind, da sie evtl. verdeckten Ängsten oder negativen Ereignissen aus der Vergangenheit entspringen, die jedoch mit der tatsächlichen Situation nichts zu tun haben. Im Kapitel der Homöostase wurde bereits dargelegt, dass wir uns an Gefühle - auch an negative - gewöhnen, wir sozusagen eine Vertrautheit entwickeln und mit der Zeit entsteht sogar eine Art biochemische Abhängigkeit . 25Die Freiheit, Emotionen bzw. Gefühlen zu folgen oder auch nicht zu folgen, haben wir nur dann, wenn uns viele unserer Aspekte bewusst sind. Das heißt nur Gefühle, die wir bewusst wahrnehmen, machen uns exibel und geben uns die Entscheidungsfreiheit, entsprechend durch Selbstbeobachtung, -wahrnehmung und -reexion zu intervenieren. Zum Beispiel können wir erst dann das Beben in unserer Stimme unterdrücken und bewusst leise sprechen, wenn wir spüren, dass wir wütend werden. Das hängt mit Achtsamkeit und Bewusstheit zusammen. Interessant ist nun, dass der Mensch einen Hang zur Tragik hat, denn negative Gefühle werden in der Regel intensiver erlebt als positive. So hat sich der Mensch auch angewöhnt in negative und positive Gefühle zu unterscheiden, die jedoch im Grunde erst einmal neutral sind. Sie möchten lediglich mitteilen, dass etwas in eine verkehrte Richtung geht. Doch die schmerzlichen Gefühle werden o für die missliche Lage verantwortlich gemacht, in der wir uns benden. Diese seien also dafür verantwortlich, dass wir uns schlecht fühlen, und sollen somit unter allen Umständen gemieden werden, denn sie verursachen Leid. Deshalb werden unangenehme Affekte wesentlich leichter ausgelöst als die angenehmen. Gefühle, die wir erleben und empnden, haben ihre Bedeutung und sollten nicht in gut oder schlecht eingeteilt werden. Jedes hat seine dringende Berechtigung, um Vgl. Marx, S. (2015). HerzIntelligenz® kompakt: Gesund und gelassen, klar und kreativ. 25Kandern: VAK Verlag.79

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dem Menschen etwas über seinen derzeitigen Daseinszustand mitzuteilen. In der buddhistischen Achtsamkeitslehre verursacht der Mensch weitgehend selbst sein ‚Leid‘, weil er z. B. von Erwartungen ausgeht, die nicht erfüllt werden, weil er nicht sieht, dass alles mit allem zusammenhängt und er selbst die Ursache seines Leides ist, weil er gewissen Illusionen nachhängt, und diese als Ursache von Glück und Zufriedenheit fälschlicherweise sieht etc. Geht der Mensch jedoch in Achtsamkeit durch diese als unangenehm empfunden Gefühle, so erkennt er darin meistens, dass das Ablehnen dieser Empndung den stärkeren Schmerz verursacht, als wenn dieser akzeptiert und honoriert wird, um schließlich zu verstehen, in welche Richtung des Handelns dieses Gefühl zeigt, damit sich wieder Harmonie einstellen kann, welches - wie bereits festgestellt - ein natürliches inneres Bestreben ist. Das ‚Unglück’ kommt - zumindest reden wir uns das o ein - von alleine, um das Glück müssen wir uns aber bemühen. Laut Aristoteles ist es die Folge einer Tätigkeit. Somit möchte ich hier zwei Sätzen herausheben: -Zu einer klugen Lebensführung ist nur fähig, wer seine Gefühle und Emotionen wahrnimmt. -Glücksgefühle sind kein Zufall, sondern eine Folge von Gedanken und Handlungen, die von den jeweilig aktiven Wahrnehmungsltern beeinusst werden. Gefühle in Coachingsitzungen In den Coachingsitzungen ist das Bewusstwerden der Gefühle wichtig. Hierzu gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Zum Beispiel möchte der Coach durch einfache Fragen wie „Wie geht es Ihnen, während Sie mir dies erzählen?“, „Was löst das in Ihnen aus“ oder „Was war das vorherrschende Gefühl dabei?“ zu dieser Bewusstheit führen. Wenn Du bereits als Coach arbeitest, kennst du sicherlich 26einige dieser Möglichkeiten. Wenn Du mit AuditiveCoaching© arbeitest, dem Coaching mit Musik, Klängen und den Gesängen , dann weißt du auch, dass diese 27 Ein schon seit vielen Jahren übliches Tool ist das „Gefühlsrad“. Dieses kommt ursprünglich 26aus Amerika, und stellt ein Rad dar, mit den unterschiedlichsten Gefühlsnennenungen und deren Ausprägung. Siehe hierzu Birkenbihl, Vera (2002), S. 182 ff. Schuster, Martina M. (2018). AuditiveCoaching©: Coaching mit Musik, Klang und Gesang – 27Einführung in eine neue Methode mit alten Wurzeln. Epubli.80

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Ressourcen sehr stark dazu prädestiniert sind, Gefühle und Emotionen so genau und präzise auszudrücken. 28Nach den bisherigen Ausführungen möchte ich betonen, wie stark Menschen durch ihre Einstellungen, Gefühle und Gedanken in ihrer Wahrnehmung und somit in der Erfahrung ihrer eigenen Wirklichkeit beeinusst werden. Diese Faktoren prägen auch, wie wir mit uns selbst und anderen umgehen. Stell dir nun folgende Frage: Glaubst du, dass sich eine Person, die sich in einem Dornengestrüpp verfangen hat, wohl fühlt und gleichzeitig freundlich und zuvorkommend gegenüber sich selbst oder anderen sein kann? Wahrscheinlich würdest du antworten: „Natürlich nicht.“ Ich stimme dem zu und glaube, dass dies auf die meisten von uns zutri. Aber sind wir uns dieser Analogie auch im Alltag bewusst, wenn es um störende Gedanken oder negative Glaubenssätze geht? Diese wirken nicht anders als das Dornengestrüpp, in dem wir hängen bleiben, uns verheddern und verletzen. Gedanken sind verantwortlich für Gefühle und natürlich auch umgekehrt. Wir können dies nachvollziehen und wissen, dass die Beurteilung unserer Lebensqualität das Ergebnis dessen ist, was in uns vorgeht. Doch dieses Wissen ist uns nicht immer bewusst, und o handeln Menschen aus einer gewissen Unachtsamkeit heraus. Sie sehen sich selbst als Mittelpunkt ihres eigenen Universums und manchmal sogar des gesamten Universums , was dazu führen 29kann, dass sie nicht verstehen, warum andere Menschen ihre Bedürfnisse übersehen und nicht darauf eingehen. Und ja klar, jeder Mensch ist der Mittelpunkt seines eigenen Universums, seines Körpersystems, seiner Person. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Einstellung und jede Erfahrung bestimmt seine individuelle und einzigartige Welt, die stets subjektiv ist und seine eigene Wirklichkeit prägt, die niemals allgemeingültig sein kann. Diese Einsichten sind von entscheidender Bedeutung, besonders wenn wir im Coaching Prozesse begleiten. Sie helfen uns, die Komplexität menschlicher Wahrnehmung zu Dr. Manfred Clynes hat genau dies nachgewiesen. Siehe hierzu die weiterführende Literatur 28Clynes, Manfred (1996), ders. (1977), ders.; Nettheim, Nigel (1982). Es gibt ein altes Lied, das da heißt: ‚Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich, nur ich 29denk‘ an mich.’ Das beschreibt dieses Dünken ganz gut.81

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verstehen und unterstützen unsere Klienten dabei, ihre eigene Realität bewusster zu gestalten und somit ein zufriedeneres und erfüllteres Leben zu führen. Drei „Gedankenexperimente“ zur Übung: 1) Stelle dir vor, jeder deiner Gedanken wäre eine Panze. Die positiven Gedanken sind dabei Blumen, die anderen eher wildes Gestrüpp mit Dornen und Stacheln. Jetzt stell dir vor, du gehst in deiner Gedankenwelt spazieren. Bist du von bunten Blumen oder von Gestrüpp umgeben? Bitte mache dir hierzu Notizen. 2) Stelle dir nun vor, jeder deiner Gedanken, deiner Erfahrungen und Erinnerungen wäre ein Gemälde. Wenn du nun durch deine Gedankenwelt spazierst, wie in einem Kunstmuseum, siehst du dann eher erhellende und erfreuliche oder doch trübe und negative Bilder? Was genau siehst du? Würdest du andere zu diesem Spaziergang einladen wollen? 3) Stelle dir vor, deine Gedanken wären Töne, Melodien, Musik. Wie hört sich das nun in deinem Kopf an? Wie sitzt du gerade, wie ist dein Atem? Die Triade: Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Verhalten Bevor wir uns im nächsten Abschnitt intensiv mit der Wahrnehmung beschäigen, ist es wichtig, ein zentrales Konzept des Coachings zu betrachten: die Triade aus Gedanken, Emotionen bzw. Gefühlen und Verhalten. Dieses Modell ist in der klassischen Coachingliteratur fest verankert und bildet eine wesentliche Grundlage, um Veränderungsprozesse im Coaching zu verstehen und zu gestalten. Die Triade zeigt auf, wie stark diese drei Elemente miteinander verwoben sind und wie sie unsere Lebensgestaltung beeinussen. Obwohl die Wahrnehmung, wie wir sie später noch vertiefen werden, eine eigenständige Rolle spielt, bleibt die Triade ein Schlüsselkonzept, um den Zusammenhang zwischen inneren Prozessen und äußeren Handlungen zu erklären. Im Coaching verstehen wir darunter das dynamische Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Verhalten. Diese drei Elemente wirken kontinuierlich aufeinander ein und bilden die Grundlage dafür, wie Menschen Situationen erleben, interpretieren und auf sie reagieren. Die Triade 82

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bietet daher einen strukturierten Ansatz, um festgefahrene Muster zu erkennen und positive Veränderungen herbeizuführen. -Gedanken: Gedanken sind der kognitive Teil der Triade und prägen unsere Bewertung von Situationen. Sie entstehen aus unseren Überzeugungen, Erfahrungen und Glaubenssätzen. Im Coaching erkennen wir o, dass Gedanken wie „Ich werde scheitern“ oder „Ich bin nicht gut genug“ zu negativen emotionalen Zuständen führen. Diese Gedankenmuster bestimmen, wie wir auf äußere Umstände reagieren, und können stressverstärkend wirken, wenn sie nicht hinterfragt werden. -Emotionen: Emotionen sind unsere inneren Reaktionen auf die Welt um uns herum. Sie beeinussen stark, wie wir Situationen erleben, und sind eng mit unseren Gedanken verbunden. Wenn negative Gedanken dominieren, wie etwa Angst vor Versagen, lösen sie Emotionen wie Unsicherheit, Angst oder Frustration aus. Umgekehrt können positive Gedanken wie „Ich habe die Ressourcen, um diese Herausforderung zu meistern“ zu Zuversicht und innerer Ruhe führen. Emotionen sind daher nicht nur die Folge von Gedanken, sondern haben auch die Fähigkeit, unser Verhalten direkt zu beeinussen. -Verhalten: Das Verhalten ist das sichtbarste Element der Triade. Es beschreibt, wie wir auf die Welt reagieren – sei es durch unser Handeln oder unsere Entscheidungen. Wenn Gedanken und Emotionen überwältigend negativ sind, führt dies o zu Vermeidungsverhalten, Prokrastination oder Rückzug. Positives Denken und unterstützende Emotionen hingegen fördern mutiges, konstruktives Handeln. Verhaltensänderungen können wiederum neue emotionale und kognitive Prozesse auslösen, indem sie dem Klienten Erfolgserlebnisse verschaffen, die seine inneren Überzeugungen stärken. Die Triade als Werkzeug für Veränderung im Coachingprozess Das Verständnis dieser Triade ist zentral im Coaching, weil es ermöglicht, Veränderung auf einer tiefen Ebene zu initiieren. Indem der Coach dem Klienten hil, seine Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen und sie zu reektieren, können neue Verhaltensweisen entwickelt werden. Veränderungen an einem dieser drei Elemente wirken sich immer auch auf die anderen aus. Durch die Arbeit an Gedankenmustern und dem bewussten Umgang mit Emotionen können nachhaltige positive Veränderungen im Verhalten erzielt werden. 83

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Ein Beispiel verdeutlicht diesen Zusammenhang: -Gedanke: „Ich kann das nicht.“ -Emotion: Angst und Unsicherheit. -Verhalten: Vermeidung der Herausforderung. Im Coachingprozess kann der Klient lernen, diese negativen Gedanken zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entwickeln. Ein Gedanke wie „Ich versuche es, und lerne dabei“ kann die emotionale Reaktion verändern, sodass der Klient Zuversicht und Mut empndet, was zu einem proaktiveren Verhalten führt. Nachdem wir das dynamische Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Verhalten in der Triade streien, ist es nun wichtig, den Fokus auf ein weiteres Schlüsselelement des menschlichen Erlebens zu lenken: die Wahrnehmung. Denn während die Triade uns zeigt, wie Gedanken, Gefühle und Handlungen miteinander verwoben sind, bietet der folgende Abschnitt die Grundlage dafür, wie wir die Welt überhaupt über die Wahrnehmung erleben. Sie ist der erste Schritt im Prozess, der zu Gedanken und Emotionen führt und somit das, was unsere Interpretation von Situationen und unser Verhalten prägt. Dieses Wissen eröffnet uns die Möglichkeit, tiefer zu verstehen, wie unser Blick auf die Welt geformt wird. Wahrnehmung ist dabei kein passiver Prozess, sondern ein sehr aktiver, der sowohl unter anderem von inneren Überzeugungen als auch von äußeren Erfahrungen beeinusst wird. In diesem Sinne bildet die Wahrnehmung die Basis der Triade, da sie den Filter darstellt, durch den wir die Realität sehen und interpretieren. Im nächsten Abschnitt werden wir uns daher intensiver mit der Wahrnehmung auseinandersetzen und betrachten, wie sie unsere Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen formt.. Die Kunst der Wahrnehmung Das Coaching, basierend auf dem humanistischen Weltbild, geht davon aus, dass die Klientin bereits alle Lösungen in sich trägt, die sie zur Bewältigung ihres Problems benötigt. Daher ist der Ansatz lösungsorientiert, um zu den vorhandenen Ressourcen vorzudringen. Es ist essenziell, die Wahrnehmung des Coachees anzuregen, damit diese Ressourcen erkannt werden können. Dazu müssen 84

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profunde Kenntnisse über Wahrnehmungsprozesse vorhanden sein. Der Coach muss verstehen, welche Einussfaktoren wirken, und entsprechende Methoden einsetzen, um beispielsweise Glaubenssätze zu bearbeiten oder Werte zu denieren. Der Einsatz von Musik bietet hier eine sinnvolle Erweiterung der Methodenpalette. Im Rahmen der Wahrnehmung werden uns verschiedene Sinneswahrnehmungen bewusst: das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten sowie die Temperatur- und Gleichgewichtswahrnehmung. Diese sensorischen Erfahrungen sind wissenschalich fundiert, obwohl die genaue Anzahl der Sinne je nach Klassikationssystem variieren kann. Es besteht Konsens darüber, dass es über diese bekannten Sinne hinaus weitere Wahrnehmungsbereiche gibt, doch eine detaillierte Ausführung würde den Rahmen dieser Betrachtung sprengen. Es genügt zu sagen, dass die Fähigkeit, sich untereinander zu verstehen, bereits ein faszinierendes Phänomen darstellt. Der Begriff ‚Wahrnehmung' setzt sich aus ‚wahr' und ‚nehmen’ zusammen, was darauf hinweist, dass wir das, was wir durch unsere Sinne aufnehmen, als unsere Realität betrachten. Diese individuelle Wahrnehmung führt zu der Frage, ob es eine universelle Wahrheit gibt, da unterschiedliche Interpretationen o zu Diskrepanzen führen. Definition Wahrnehmung Um zu verstehen, was unter ‚Wahrnehmung‘ zu verstehen ist, betrachten wir sie als den Prozess der Informationsaufnahme und -interpretation durch unser kognitives System. Eine solche Denition erscheint zunächst unzureichend, da sie die Komplexität menschlicher Wahrnehmung kaum abbildet. Genauer betrachtet, umfasst Wahrnehmung die Erzeugung einer inneren Repräsentation äußerer Reize, was ein erfahrbares Resultat dieses Prozesses darstellt. Dieses Phänomen ist weder an physikalische Objekte noch an proximale Reize wie das Netzhautbild gebunden, sondern bezieht sich vielmehr auf das individuelle Erleben. Dieses Erleben wird maßgeblich durch unsere inneren Einstellungen und Erfahrungen geprägt, was bedeutet, dass wir unsere Wahrnehmung aktiv konstruieren. Das Bewusstsein für 30 Vgl. Zimbardo, P. G., & Gerrig, R. J. (1999). Psychologie (5. Au.). Springer. Und 30Schönpug, W. (2006). Einführung in die Psychologie. Beltz. 85

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diese Konstruktion eröffnet die Möglichkeit, über die reine Diskussion von Fakten hinauszugehen und die Perspektive des Gegenübers zu erkunden. Wir erschaffen unsere Wirklichkeit selbst Die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, prägt unsere Realität. Stelle Dir vor, jeder deiner Gedanken wäre eine Panze: positive Gedanken als Blumen, negative als dorniges Gestrüpp. Ein Spaziergang durch diese Gedankenwelt würde aufzeigen, in welcher Umgebung du dich bendest. Ebenso könnten Gedanken, Erfahrungen und Erinnerungen als Gemälde in einem Museum betrachtet werden, was die Frage aufwir, ob diese Bilder erhellend oder düster sind. Die von uns gepegte Gedankenwelt beeinusst also maßgeblich unser Verhalten uns selbst und anderen gegenüber. Ein von negativen Gedanken geprägtes Umfeld führt kaum zu positiven Interaktionen. Es ist erwiesen, dass Gedanken Gefühle beeinussen und umgekehrt, was unsere Lebensqualität maßgeblich bestimmt. Ständige Konikte und Stresssituationen wirken sich negativ auf Psyche und Körper aus und können diese negative Stimmung auch auf andere übertragen. Wohin richtest Du den Taschenlampenkegel? Um diesem Muster entgegenzuwirken, können kreative Strategien wie der innere Dialog genutzt werden. Phrasen wie "Was ist das Positive an dieser Situation?" oder "Früher hätte mich das aufgeregt; heute regt das mein Denken an!" können helfen, Distanz zu schaffen und eine positive Haltung einzunehmen. Einfache Atemübungen, bei denen man beim Einatmen "ich atme ein und lächle" und beim Ausatmen "ich atme aus und bin leicht" denkt, können ebenfalls zur Beruhigung beitragen. Diese Techniken schaffen einen Abstand zu stressigen Situationen und fördern ein klares, ruhiges Denken, was das allgemeine Wohlbenden verbessert. Die Metapher von Vera F. Birkenbihl, die das Bewusstsein mit einem 1 mm breiten Taschenlampenkegel im Vergleich zu 11 km Unbewusstheit vergleicht, illustriert treffend, wie begrenzt unsere bewusste Wahrnehmung ist. Es ist also absolut entscheidend für unser Erleben, und somit für unser Leben, unser Lebensgefühl, wohin wir diesen schmalen Kegel unseres Bewusstseins lenken. Indem wir unsere Aufmerksamkeit gezielt ausrichten, können wir unsere Wahrnehmung und damit unsere Interpretation der Welt um uns herum beeinussen. Diese Erkenntnis ist für 86

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Coaching-Klienten von besonderer Bedeutung, da sie verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich bewusst zu sein, wo und wie wir unsere mentale Energie einsetzen. Wahrnehmungsthematik im Coaching Im Kontext des Coachings bedeutet dies, dass Klienten ermutigt werden, ihre Aufmerksamkeit auf Aspekte ihres Lebens zu lenken, die positiv, stärkend und wachstumsfördernd sind. Dies kann eine Verschiebung von einer problemorientierten zu einer lösungsorientierten Denkweise bewirken. Statt sich in den ‚Dornen und Gestrüpp' negativer Gedanken zu verfangen, können Klienten lernen, ihre ‚Taschenlampe‘ auf die ‚Blumen' – also auf die positiven Aspekte und Möglichkeiten in ihrem Leben – zu richten. Dieser Prozess kann zu einer signikanten Verbesserung des Wohlbendens und der Lebensqualität führen. Durch die Arbeit mit einem Coach können Klienten lernen, ihre Wahrnehmung bewusst zu steuern und zu erkennen, dass sie die Macht haben, ihre eigene Realität zu formen. Dies geschieht durch die Anerkennung der eigenen Gedanken und Gefühle und das bewusste Entscheiden, welche Gedanken genährt und welche verworfen werden sollen. Dieser Prozess erfordert Übung und Achtsamkeit, aber die Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und die allgemeine Lebenszufriedenheit können tiefgreifend sein. Die Hypothesentheorie der Wahrnehmung Die Erkenntnis, dass jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit konstruiert, ist ein fundamentaler Grundsatz, der unser Verständnis der menschlichen Wahrnehmung tiefgreifend verändert hat. Historisch betrachtet, ging man von der Annahme aus, dass die Wahrnehmung einem nahezu mechanistischen Prozess folgt, ähnlich einer fotograschen Aufnahme im Falle der visuellen oder einer Tonbandaufnahme im Falle der auditiven Wahrnehmung. Diese Perspektive implizierte eine direkte und vorhersehbare Korrelation zwischen objektiven Stimuli und subjektiven Empndungen, was den Menschen metaphorisch als eine 'Reiz-Reaktions-Maschine' darstellte. Die fortschreitende Forschung in der Psychologie und verwandten Disziplinen hat jedoch diese Auffassung grundlegend in Frage gestellt und widerlegt. Es hat sich gezeigt, dass der Prozess der Wahrnehmung keineswegs als passiv oder mechanisch angesehen werden kann. Der Mensch agiert nicht als neutraler Beobachter der 87

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Welt; vielmehr ist er ein aktiver Teilnehmer, der seine eigenen inneren Zustände, Erfahrungen, Gefühle und Erwartungen in den Prozess der Wahrnehmung einbringt. Diese individuellen Faktoren formen die Wahrnehmung der Realität entscheidend und machen den Menschen zu einem subjektiven und gestaltenden Beobachter seiner Umwelt. Die Interaktion zwischen persönlichen Motiven und Einstellungen ist dabei zentral. Diese inneren Kräe beeinussen unsere Wahrnehmung derart, dass wir tendenziell jene Aspekte der Realität bevorzugt wahrnehmen, die unseren individuellen Bedürfnissen und Werten entsprechen. Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung bedeutet, dass wir auf Stimuli, die unseren eigenen Überzeugungen widersprechen, mit Abwehr oder sogar Ignoranz reagieren können. Die 'Hypothesentheorie der Wahrnehmung' bietet ein erhellendes Modell, um diesen Prozess zu verstehen. Diese eorie postuliert, dass die menschliche Wahrnehmung das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen den subjektiven Hypothesen des Einzelnen – also seinen Erwartungen, die aus einer Vielzahl von bewussten und unbewussten Faktoren wie Erfahrungen, sozialen Normen, emotionalen Zuständen und physischen Bedingungen hervorgehen – und den objektiven Gegebenheiten der Umwelt ist. In dieser Dynamik agieren die subjektiven Hypothesen als Filter, durch die die unendliche Fülle von Informationen, die auf uns einströmt, interpretiert und reduziert wird. Diese Filterung ist notwendig, da die Kapazität des menschlichen Bewusstseins, Informationen zu verarbeiten, begrenzt ist. Sie ist jedoch auch grundlegend subjektiv und selektiv, was bedeutet, dass die Wahrnehmung immer durch die persönliche Biographie, die aktuellen Umstände und die individuellen Dispositionen des Wahrnehmenden gefärbt ist. Diese Erkenntnis hat weitreichende Implikationen, insbesondere im Kontext der Koniktlösung und des interpersonalen Verständnisses. Die Anerkennung, dass jeder Mensch aus seiner eigenen, subjektiv geformten Wirklichkeit heraus operiert, kann zu einem tieferen Verständnis führen und die Basis für Empathie und effektive Kommunikation in koniktbeladenen oder herausfordernden Situationen bilden. Zusätzlich zu diesen psychologischen Aspekten ist es faszinierend zu betrachten, wie das menschliche Gehirn mit der schieren Masse an Informationen umgeht, die täglich auf es einströmen. Daniel Kahneman hat herausgefunden, dass das Gehirn 31 Siehe Kahnemann, Daniel (2016), Schnelles Denken, langsames Denken, Penguin Verlag.3188

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täglich etwa 40 Millionen Entscheidungen tri, von denen die meisten unbewusst erfolgen. Diese Auswahlprozesse werden stark von unseren momentanen Stimmungen, Werten und Einstellungen beeinusst. Das Konzept der 'Bandbreite der Wahrnehmung' veranschaulicht die enorme Diskrepanz zwischen der Fülle an Informationen, die unsere Sinnesorgane erreichen, und dem winzigen Bruchteil, der tatsächlich in unser Bewusstsein gelangt. So kann das menschliche Auge beispielsweise Millionen von Informationsbits pro Sekunde aufnehmen, von denen jedoch nur ein verschwindend geringer Teil bewusst wahrgenommen wird. Diese Diskrepanz unterstreicht, wie selektiv unsere Wahrnehmung ist und wie mächtig die Filter unserer subjektiven Hypothesen sind, die unsere Wahrnehmung der Realität prägen und begrenzen. Es ist ferner von Bedeutung, dass die Veränderung der individuellen Stimmungslage oder der persönlichen Einstellungen eine Modikation dieser Wahrnehmungslter bewirken kann, was wiederum zu einer veränderten Wahrnehmung der Realität führt. Diese Dynamik zeigt, wie exibel und anpassungsfähig unsere Wahrnehmung ist, aber auch, wie anfällig sie für subjektive Verzerrungen sein kann. In stressreichen Situationen oder Koniktszenarien wird dieser Prozess noch int en si v er. Unt e r d em E i n  u ss v on St res sh or m on en w ir d di e Wahrnehmungsfähigkeit zusätzlich eingeschränkt, was häug zu einer noch stärker gelterten und verzerrten Sicht der Realität führt. Diese Erkenntnis ist besonders relevant für das Verständnis zwischenmenschlicher Dynamiken und die Entwicklung von Strategien zur Koniktbewältigung. Sie betont die Notwendigkeit, sich der eigenen Wahrnehmungslter bewusst zu sein und die Perspektive des anderen zu berücksichtigen, um zu einer effektiven und empathischen Kommunikation zu gelangen. Diese umfassende Betrachtung der menschlichen Wahrnehmung unterstreicht die komplexe Interaktion zwischen objektiven Gegebenheiten und subjektiven Interpretationen, die unsere individuellen Realitäten formen. Die Anerkennung dieser Prozesse bietet nicht nur tiefere Einblicke in die Natur der menschlichen Erfahrung, sondern öffnet auch Wege für ein verbessertes Verständnis und eine effektivere Interaktion in unserem sozialen Umfeld. Indem wir die Mechanismen unserer eigenen Wahrnehmung verstehen und anerkennen, dass jeder Mensch seine eigene, einzigartige Perspektive auf die Welt hat, können wir Wege zu mehr 89

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Empathie, Verständnis und letztlich zu konstruktiveren und erfüllenderen zwischenmenschlichen Beziehungen nden. Dimensionen menschlicher Wahrnehmung im Coaching Innerhalb des Coachings spielt die menschliche Wahrnehmung also eine zentrale Rolle. Als Coaches streben wir danach, unseren Klienten zu helfen, ihre eigene Wahrnehmung zu erweitern und zu vertiefen. Doch um dieses Ziel zu erreichen, ist es zunächst wichtig zu verstehen, wie komplex und facettenreich die menschliche Wahrnehmung ist. Die Wissenscha lehrt uns, dass der Mensch pro Sekunde etwa 11 Millionen Bit an Informationen über seine Sinne aufnimmt, von denen jedoch nur etwa 40-60 Bit bewusst verarbeitet werden können. Diese Diskrepanz verdeutlicht, wie selektiv unsere Wahrnehmung ist und wie viel von dem, was um uns herum geschieht, unbemerkt bleibt. Der Vergleich mit dem Taschenlampenkegel ist hier treffend: Unser bewusstes Bewusstsein beleuchtet nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten Szenerie, während der Rest im Schatten liegt. Im Coaching-Prozess arbeiten wir daran, den Kegel dieser metaphorischen Taschenlampe zu erweitern oder anders auszurichten, um bisher unbeachtete Aspekte ins Licht zu rücken. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass wir unseren Klienten helfen, ihre Aufmerksamkeit von festgefahrenen Denkmustern oder Problemen weg und hin zu neuen Möglichkeiten, Stärken und Ressourcen zu lenken. Die Erweiterung der Wahrnehmung im Coaching beinhaltet nicht nur das Sehen oder Erkennen von mehr, sondern auch das Vertiefen des Verständnisses und der Bedeutung dessen, was wahrgenommen wird. Es geht darum, neue Perspektiven zu entwickeln, die die Komplexität und Mehrdeutigkeit der menschlichen Erfahrung anerkennen. Dies erfordert o, dass wir lernen, unsere eigenen Annahmen und die Art und Weise, wie wir Informationen ltern und interpretieren, zu hinterfragen. Darüber hinaus beinhaltet die Arbeit an der Wahrnehmung im Coaching auch die Sensibilisierung für die nicht-sprachlichen Aspekte der Kommunikation, wie Körpersprache, Tonfall und emotionale Untertöne. Diese Ebenen der Wahrnehmung sind entscheidend, um ein tieferes Verständnis für die Gefühle und unbewussten Überzeugungen unserer Klienten zu entwickeln. Schließlich spielt die Selbstwahrnehmung eine entscheidende Rolle im Coaching-Prozess. Coaches unterstützen ihre Klienten dabei, ein tieferes Bewusstsein für ihre eigenen inneren Zustände, Gedanken und Gefühle zu 90

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entwickeln. Dieses erhöhte Bewusstsein ermöglicht es den Klienten, selbstgesteuerte Veränderungen in ihrem Denken und Handeln vorzunehmen. Somatische Marker im Coaching: Einfluss und Anwendung Somatische Marker sind körperliche Reaktionen, die mit bestimmten emotionalen Erfahrungen verbunden sind und die Entscheidungsndung unbewusst beeinussen können. Diese eorie wurde von dem Neurowissenschaler Antonio Damasio entwickelt und bietet wichtige Einsichten darüber, wie Emotionen und 32körperliche Reaktionen unsere Entscheidungen prägen. Im Coaching-Kontext können somatische Marker als effektive Werkzeuge genutzt werden, um Klienten bei der Selbsterkenntnis und bei der Verbesserung ihrer Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Somatische Marker sind physische Sensationen, die bestimmte Gedanken oder Erinnerungen begleiten. Sie können als eine Art emotionaler oder körperlicher „Fingerabdruck“ verstanden werden, der bestimmte Situationen begleitet. Beispielsweise kann das Gefühl eines Knotens im Magen ein somatischer Marker für Angst sein, oder ein schneller Herzschlag könnte Aufregung signalisieren. Diese Marker dienen o als intuitive Signale, die uns helfen, schnelle Entscheidungen basierend auf früheren Erfahrungen zu treffen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Im Coaching können somatische Marker genutzt werden, um Klienten bewusst zu machen, wie ihre Körperempndungen ihre Entscheidungen beeinussen. Durch das Erkennen dieser Marker können Klienten lernen, ihre intuitiven Reaktionen zu verstehen und zu steuern, was zu bewussteren und überlegteren Entscheidungen führt. -Beispiel 1: Entscheidungsndung: Ein Klient steht vor einer wichtigen beruichen Entscheidung und spürt jedes Mal Unbehagen, wenn er an eine der Optionen denkt. Der Coach kann ihm helfen zu erkennen, dass dieses Unbehagen ein somatischer Marker sein könnte, der auf potenzielle Probleme oder frühere negative Erfahrungen mit ähnlichen Situationen hinweist. Indem der Klient lernt, auf diese Signale zu achten, kann er eine informiertere Siehe Domasio, Antonio (2021) Wir denken, wie wir fühlen. Carl Hanser Verlag GmbH & 32Co. KG. Siehe auch Kapohl, Felix (2002) Das Konzept der somatischen Marker nach Antonio R. Damasio, GRIN Verlag.91

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Entscheidung treffen, die seine tieferen emotionalen und körperlichen Reaktionen berücksichtigt. -Beispiel 2 Überwindung von Ängsten: Ein anderer Klient leidet unter Lampeneber. Jedes Mal, bevor er öffentlich sprechen muss, erlebt er zitternde Hände und einen schnellen Herzschlag. Im Coaching kann der Umgang mit diesen somatischen Markern trainiert werden, indem der Klient Techniken wie tiefe Atemübungen oder Achtsamkeitsmeditation erlernt, um seine physiologischen Reaktionen zu kontrollieren und sein Selbstvertrauen zu stärken. Die Arbeit mit somatischen Markern bietet mehrere Vorteile: 1. Verbesserte Selbstwahrnehmung: Klienten entwickeln ein tieferes Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen ihren Emotionen, körperlichen Empndungen und Entscheidungen. 2. Bewusstere Entscheidungsndung: Durch das Erkennen und Interpretieren somatischer Marker können Klienten impulsives Verhalten vermeiden und fundiertere Entscheidungen treffen. 3. Emotionale Regulation: Das Verständnis und die Kontrolle über körperliche Reaktionen auf emotionale Zustände können helfen, emotionale Stabilität zu fördern. Somatische Marker sind kravolle Werkzeuge im Coaching, das Klienten nicht nur dabei unterstützt, ihre eigenen Reaktionen besser wahrzunehmen zu verstehen, sondern sie auch befähigt, ihre emotionalen und körperlichen Signale zu nutzen, um ihr Leben proaktiv zu gestalten. Durch die bewusste Integration somatischer Marker in den Coaching-Prozess können tiefgreifende Veränderungen in der persönlichen und beruichen Entwicklung der Klienten erreicht werden. Dieses Wissen erweitert das Repertoire an Strategien, mit denen Coaches ihre Klienten unterstützen können, und bietet eine solide Grundlage für die Entwicklung einer ganzheitlichen Selbstkenntnis. VAKOG im Coaching VAKOG steht für die sensorischen Repräsentationssysteme, welche die verschiedenen Arten beschreiben, wie Menschen ihre Wahrnehmungen über ihre 92

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Sinne organisieren und intern verarbeiten. Die Abkürzung VAKOG setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der folgenden Sinneskanäle zusammen: - Visuell (sehen) - Auditiv (hören) - Kinästhetisch (fühlen) - Olfaktorisch (riechen) - Gustatorisch (schmecken) Obwohl die letzten beiden, olfaktorisch und gustatorisch, in der Praxis des Coachings weniger häug thematisiert werden, spielen sie in bestimmten Kontexten durchaus eine Rolle. Der Fokus liegt hier auf den visuellen, auditiven und kinästhetischen Kanälen. Warum ist das VAGOK-Schema im Coaching dann so wichtig? Dafür gibt es ganz einfache Erklärungen: 1. Individuelle Wahrnehmung verstehen: Wie wir bereits gesehen haben, hat jeder Mensch seine eigene Art, Informationen zu verarbeiten, die seine Wahrnehmung und Reaktionen beeinusst. Ein Verständnis dieser Präferenzen kann Coaches helfen, die Kommunikation und Methoden spezisch auf die Bedürfnisse des Klienten anzupassen. Beispielsweise könnte ein visuell veranlagter Klient besser auf Methoden reagieren, die reich an Bildern und visuellen Hilfsmitteln sind, während ein auditiver Klient durch Geschichten oder Diskussionen mehr protiert. 2. Effektivere Kommunikation: Durch das Anpassen der Kommunikationsweise an die bevorzugte Wahrnehmungsweise des Klienten kann der Coach sicherstellen, dass seine Botschaen klarer und effektiver übermittelt werden. Dies fördert ein tieferes Verständnis und eine stärkere Resonanz beim Klienten, was zu besseren Coaching-Ergebnissen führt. 3. Vertiee Selbstkenntnis und Selbstmanagement: Indem Klienten lernen, ihre eigenen bevorzugten Wahrnehmungskanäle zu erkennen und zu verstehen, können sie besser mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen umgehen. Dies trägt zur Selbstentwicklung bei und ermöglicht es den Klienten, bewusstere Entscheidungen zu treffen und ihre Reaktionen in verschiedenen Situationen zu steuern. 93

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Die Abfrage und Analyse von VAKOG in einer Coaching-Sitzung kann folgendermaßen ablaufen: -Analytische bzw. Phase der Klärung des Anliegens: Der Coach beobachtet, welche Wörter der Klient verwendet (z.B. „Ich sehe, was du meinst“ vs. „Das hört sich gut an“) und führt gegebenenfalls spezische Übungen durch, um die bevorzugten Sinneskanäle zu identizieren. -Anpassung der Methoden: Der Coach wählt Techniken und Ansätze, die mit den dominanten Sinneskanälen des Klienten harmonieren. Zum Beispiel können für einen kinästhetischen Klienten Übungen, die Bewegung oder physische Aktivität beinhalten, besonders wirkungsvoll sein. -Feedback und Reexion: Der Coach ermutigt den Klienten, über die Art und Weise nachzudenken, wie er Informationen aufnimmt und verarbeitet, und gemeinsam erkunden sie, wie dies sein Verhalten und seine Entscheidungsndung beeinusst. VAKOG ist somit ein zentrales Konzept im Coaching, das nicht nur hil, die Interaktion zwischen Coach und Klient zu optimieren, sondern auch die Selbstwahrnehmung und das Selbstmanagement des Klienten verbessert. Durch den bewussten Einsatz von VAKOG können Coaches ihre Arbeit tiefgreifend und individuell gestalten, was zu nachhaltigeren und effektiveren Coaching-Ergebnissen führt. Glaubenssätze im Coaching Im Herzen der Coaching-Praxis liegt die Transformation: die kunstvolle Umgestaltung von Perspektiven, Überzeugungen und letztendlich Handlungen. Unter den zahlreichen Elementen, die diesen transformativen Prozess steuern, nehmen Glaubenssätze eine besonders prägnante Stellung ein. Sie sind die stillen Architekten unserer Realität, die unauffälligen Meisterwerke unseres inneren Dialogs, die sowohl subtile Flüstertöne der Ermutigung als auch laute Echos der Selbstzweifel sein können. Für den angehenden Coach stellt das Verständnis und die Navigation durch das komplexe Gewebe der Glaubenssätze nicht nur eine Herausforderung dar, sondern auch eine unverzichtbare Fähigkeit in der Kunst des 94

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Coachens. Das ema ‚Glaubenssätze im Coaching‘ dient in gewisser Weise als Leuchtturm, der Licht auf die tief verwurzelten Überzeugungen wir, die das menschliche Verhalten prägen. Es ist eine Reise in das Herz dessen, was uns antreibt, zurückhält und letztendlich deniert. Glaubenssätze dienen im Coaching als Schlüssel zum Verständnis der individuellen Landkarten, die unsere Klienten durch das Terrain ihres Lebens navigieren. Diese kurze Einführung, was Glaubenssätze sind, zielt darauf ab, angehende Coaches darauf vorzubereiten, diese Landkarten zu lesen, zu verstehen und, wenn nötig, neu zu zeichnen, um ihren Klienten zu ermöglichen, ihr volles Potenzial zu entfalten und ein Leben zu führen, das nicht nur möglich, sondern außerordentlich erfüllend ist. Definition von Glaubenssätzen Glaubenssätze sind tief verwurzelte Überzeugungen, die wir über uns selbst, andere und die Welt um uns herum haben. Sie formen sich aus unseren Erfahrungen, Erziehung, kulturellen Einüssen und persönlichen Reexionen. Glaubenssätze sind meistens eben nicht faktenbasiert; sie entstehen o aus unserer Interpretation der Realität und können daher subjektiv und variabel sein. Glaubenssätze sind somit Fundament unserer psychologischen Architektur, die tiefgründigen Überzeugungen, die leise im Hintergrund unseres Bewusstseins üstern und dennoch mächtig genug sind, um den Lauf unseres Lebens zu dirigieren. Sie sind wie Samen, die durch die vielfältigen Erfahrungen unseres Lebens gesät werden – von den prägenden Momenten unserer Kindheit bis zu den prägenden Begegnungen im Erwachsenenalter. Jede Begegnung, jedes Wort, das zu uns gesprochen wird, jede Kultur, mit der wir in Berührung kommen, und jede Reexion, die wir in der Stille unseres Geistes durchführen, tragen dazu bei, diese Samen zu nähren und zu gedeihen, wodurch ein dichter Wald von Glaubenssätzen entsteht, der unsere Sicht auf uns selbst, auf andere und auf die unendliche Vielfalt der Welt um uns herum prägt. Diese Glaubenssätze sind nicht notwendigerweise ein Spiegel der objektiven Wahrheit oder der harten Fakten, die unser Leben regieren. Sie sind vielmehr das Produkt unserer Interpretationen, geltert durch das Prisma unserer persönlichen Erfahrungen, Emotionen und Erwartungen. Wie Künstler, die eine Landscha malen, beeinusst unsere Perspektive die Farben, die Schattierungen und die Konturen der Realität, die wir wahrnehmen. In diesem Sinne sind Glaubenssätze ießend und wandelbar, geformt durch die ständig 95

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wechselnden Strömungen unseres Lebens und unsere Fähigkeit, unsere Perspektiven zu erweitern und zu vertiefen. Generell haben Glaubenssätze die Macht, unsere Wahrnehmung zu beeinussen und somit unsere Realität zu formen – sie können uns zu außergewöhnlichen Höhen führen oder uns in den Tiefen der Verzweiung festhalten. Sie sind die unsichtbaren Hände, die das Steuerrad unseres Lebens halten, und sie bestimmen o, ob wir den Kurs halten oder von unserem Weg abkommen. Das Verständnis und die bewusste Gestaltung dieser Glaubenssätze ist daher ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Selbstentfaltung und ein zentrales Element in der Praxis des Coachings. Die Rolle von Glauben und Wissen Im Kern unterscheiden sich Glaube und Wissen durch die Basis ihrer Überzeugungen. Wissen gründet sich auf Fakten, Beweise und logische Schlussfolgerungen, während Glaube mehr mit Vertrauen, Hoffnung und Annahmen zu tun hat. Im Coaching ist es entscheidend, diese Unterscheidung zu erkennen, da sie die Herangehensweise an Glaubenssätze und ihre Veränderung beeinusst. Im Gewebe des menschlichen Verständnisses und Handelns sind Glauben und Wissen zwei grundlegende Fäden, deren Verechtung eine komplexe und nuancierte Landscha bildet. Der Glaube, insbesondere, ist ein Reexionsbegriff, dessen wahre Bedeutung erst dann vollständig erfasst wird, wenn man ihn im Licht seines Gegenstücks – des Wissens – betrachtet. Diese Gegenüberstellung enthüllt die feinen Unterschiede und gibt Aufschluss über die Tiefe beider Konzepte. Wissen wird o mit direkter Erfahrung, mit unmittelbarer Gewissheit verbunden. Wenn wir etwas mit unseren eigenen Augen sehen oder persönlich erleben, neigen wir dazu, dies als Wissen zu bezeichnen. Wir sagen zum Beispiel mit Bestimmtheit: „Ich weiß, dass wir noch Butter haben“, wenn wir gerade die Butter im Kühlschrank gesehen haben. Diese Form des Wissens stützt sich auf die unmittelbare Gewissheit, auf die klare Präsenz von Fakten in unserer aktuellen Erfahrung. Doch wenn diese unmittelbare Gewissheit schwindet, wenn unsere Erinnerung uns im Stich lässt oder wenn die Evidenz nicht greiar ist, weichen wir auf den Glauben aus. „Ich glaube, wir haben noch Butter im Kühlschrank“, sagen wir dann, wenn wir uns nicht mehr genau erinnern können. Hier benennen wir unsere Überzeugungen 96

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nach dem Grad der inneren Gewissheit über konkrete Ereignisse in der Welt, die nicht unmittelbar verizierbar sind. Der Bereich des Wissens umfasst jedoch nicht nur konkrete, erlebte Ereignisse, sondern erstreckt sich auch auf allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten, wie das Gravitationsgesetz. Diese Form des Wissens beruht auf der Anerkennung von Prinzipien, die durch Beobachtung, Experiment und logische Schlussfolgerungen als konstant und universell akzeptiert werden. In ähnlicher Weise erstreckt sich der Glaube über die Annahmen hinaus, die sich auf spezische, unmittelbare Ereignisse beziehen. Er beinhaltet auch Generalisierungen über uns selbst, andere und die Welt. Glaubenssätze wie „Männer wollen nur das Eine“ oder „Ich bin nicht liebenswert“, „Ich bin unbegabt“ oder „Ich kann nicht singen“ sind Beispiele für solche Generalisierungen. Sie reektieren nicht unbedingt die objektive Realität, sondern vielmehr unsere subjektive Interpretation und die daraus resultierenden Überzeugungen, die unser Verhalten und unsere Wahrnehmung der Welt tiefgreifend beeinussen können. Diese Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen im Coaching-Kontext zu erkennen und zu verstehen, ist von unschätzbarem Wert. Coaches müssen in der Lage sein, die Natur der Überzeugungen ihrer Klienten zu navigieren – zu unterscheiden, was auf festem Wissen basiert und was der Bereich des Glaubens ist. Diese Erkenntnis ermöglicht es dem Coach, effektiv mit den Glaubenssätzen zu arbeiten, sie herauszufordern und gegebenenfalls zu transformieren, um positive Veränderungen und Wachstum zu fördern. Jeden Tag stehen wir vor der Herausforderung, aus Tausenden von Möglichkeiten zu wählen, ob wir bestimmte Handlungen ausführen oder unterlassen. Diese Entscheidungen basieren auf unserer Vorstellung davon, welche Konsequenzen unsere Handlungen nach sich ziehen könnten. Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, benötigen wir daher ein gewisses Maß an Wissen oder zumindest eine Annahme darüber, wie die Welt funktioniert, sowie ein Verständnis für unsere persönlichen Werte, die uns leiten, was für uns von Bedeutung ist und was nicht. Die Realität ist jedoch, dass unser Verständnis von uns selbst und der Welt um uns herum niemals vollständig ist. Unser Wissen ist durch Natur begrenzt, unvollständig und o von Unsicherheiten durchzogen. Um diese Wissenslücken zu überbrücken und handlungsfähig zu bleiben, greifen wir notgedrungen auf den Glauben zurück. Dieser Glaube – wenn auch in einem weniger wissenschalichen Sinne verstanden – ermöglicht es uns, Entscheidungen zu treffen und vorwärts zu 97

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gehen, selbst in Abwesenheit von vollständigem Wissen. Er füllt die Leerstellen aus und bietet uns eine Grundlage, auf der wir agieren können. In diesem Sinne ist der Glaube ein wesentliches Element unserer Entscheidungsndung, da er uns die Fähigkeit gibt, in einer komplexen und o unvorhersehbaren Welt zu navigieren. Glaubenssätze als Motor oder Bremse Glaubenssätze können sowohl als Motor als auch als Bremse im Leben fungieren. Positive Glaubenssätze wie "Ich bin fähig, meine Ziele zu erreichen" können Menschen dazu antreiben, Herausforderungen zu meistern und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Negative Glaubenssätze hingegen, wie "Ich bin nicht gut genug", können zu Selbstzweifel führen und Menschen daran hindern, ihre Träume zu verfolgen. Lass uns hier ein bisschen genauer schauen: Glaubenssätze sind also tief verwurzelte Überzeugungen, die unser Denken, Fühlen und Handeln in vielfältiger Weise beeinussen. Sie sind wie eine innere Landkarte, die bestimmt, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen und wie wir auf sie reagieren. Dabei können 33Glaubenssätze sowohl eine treibende Kra sein, die uns voranbringt, als auch eine Hürde darstellen, die unseren Weg hemmt. Man hat dann das Gefühl, man würde mit ‚angezogener Handbremse‘ fahren. Als positive Kra wirken Glaubenssätze, wenn sie uns ermutigen, unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Ein Glaubenssatz wie "Ich bin fähig, meine Ziele zu erreichen" kann eine mächtige Motivationsquelle sein. Er nährt das Selbstvertrauen und die Entschlossenheit, auch vor großen Herausforderungen nicht zurückzuschrecken. Solche positiven Überzeugungen helfen uns, unsere Grenzen zu erweitern, neue Kompetenzen zu erlernen und unsere Träume mit Entschiedenheit zu verfolgen. Sie sind der Motor, der uns antreibt, unser volles Potenzial auszuschöpfen und über uns hinauszuwachsen. Auf der anderen Seite können negative Glaubenssätze wie "Ich bin nicht gut genug" als Bremse in unserem Leben wirken. Sie säen Zweifel an unseren Fähigkeiten und schmälern unser Selbstwertgefühl. Diese Art von Überzeugungen kann uns in einen Zustand der Lähmung versetzen, in dem die Angst vor Misserfolg oder Ablehnung größer ist als der Wunsch, nach Erfolg zu streben. Solche Glaubenssätze An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass Glaubenssätze eine entscheidende 33Rolle hinsichtlich unserer Wahrnehmung spielen. Sie denieren unter anderem wie wir unsere Wirklichkeit erleben.98

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können uns in unserer persönlichen und beruichen Entwicklung erheblich behindern, da sie uns daran hindern, neue Herausforderungen anzunehmen oder außerhalb unserer Komfortzone zu agieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass Glaubenssätze nicht in Stein gemeißelt sind. Sie sind das Produkt unserer Erfahrungen, Erziehung und Umwelt und somit veränderbar. Die Auseinandersetzung mit unseren Glaubenssätzen, insbesondere mit jenen, die uns bremsen, bietet uns die Chance, diese zu hinterfragen und gegebenenfalls zu revidieren. Durch gezieltes Reektieren und das bewusste Etablieren neuer, unterstützender Überzeugungen können wir die Grundlage schaffen, um bestehende Barrieren zu überwinden und unser Leben in eine positive Richtung zu lenken. Arbeit mit Glaubenssätzen im Coaching Die Arbeit mit Glaubenssätzen im Coaching beginnt o mit der Bewusstwerdung und Identizierung der bestehenden Glaubenssätze. Durch Techniken wie gezieltes Fragen, Reexion und Herausforderungen können Coaches ihren Klienten helfen, einschränkende Glaubenssätze zu erkennen und durch förderlichere zu ersetzen. Glaubenssätze sind ein fundamentaler Bestandteil der menschlichen Psyche und spielen eine entscheidende Rolle im Coaching. Die Fähigkeit, mit Glaubenssätzen zu arbeiten, ist eine Kunst, die angehende Coaches meistern müssen, um ihre Klienten effektiv zu unterstützen. Durch das Verständnis der Dynamik von Glaubenssätzen können Coaches dazu beitragen, das Leben ihrer Klienten positiv zu transformieren. Individuelle, familiäre und kulturelle Glaubenssätze Es gibt individuelle, familiäre und kulturelle Glaubenssätze. Und jeder Glaubenssatz wirkt wie ein Wahrnehmungslter. D. h. alle unsere Erfahrungen, die den Glaubenssatz zu bestätigen scheinen, werden verstärkt wahrgenommen. Und visa versa. Es gibt im Leben eines jeden Menschen Glaubenssätze in den unterschiedlichsten Bereichen. Hier folgen einige Beispiele: Glaubenssätze über Arbeit und Berufung: •Arbeiten muss jeder, Berufung nden nur wenige •Jeder hat eine Berufung 99

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•Arbeit kann keinen Spaß machen •Arbeit ohne Spaß macht krank •Ora et labora Glaubenssätze über Status: •Status ist ein Ersatz für Persönlichkeit •Status ist alles •Status ist ein Ausdruck der Macht •Status interessiert mich nicht Glaubenssätze über Geld •Wer Geld hat, hat auch Freunde •Geld ist schmutzig •Reichtum verdient jeder •Geld beruhigt •Geld ist notwendig •Geld stinkt Glaubenssätze über zwischenmenschliche Beziehungen •Tiere sind die besseren Menschen •Streit schadet jeglicher Art von Beziehung •Freundscha ist das höchste Gut •Kein Mensch ist eine Insel •Der Mensch ist des Menschen Feind Glaubenssätze über Liebe •Liebe ist das Wichtigste im Leben •Liebe ist schmerzvoll •Liebe ist eine Illusion •Wahre Liebe ist selbstlos •Es gibt nur die universelle Liebe Glaubenssätze über Gefühle •Gefühle zeigen macht schwach •Der Verstand allein zählt •Wer Gefühle unterdrückt, wird krank •Gefühle sind etwas Menschliches •Frauen sind gefühlsbetonter als Männer •Gefühle sind wichtiger als Gedanken 100

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Es gibt unzählige Glaubenssätze zu den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Und wenn ein Klient zu Dir in eine Sitzung kommt, so kommt gleichzeitig auch ein ganzer Schwall Glaubenssätze mit, von denen einige vielleicht bearbeitet werden möchten, nämlich dann, wenn sie für das Leben des Klienten hinderlich und nicht förderlich sind.Es geht im Coaching darum, sich bewusst zu werden, welche große Macht Glaubenssätze über unser Leben haben. Dieses ema wird zu einem späteren Zeitpunkt besprochen. Bedürfnisse und Bedarf In der Welt des Coachings spielen auch die Konzepte von Bedarf und Bedürfnis eine wichtige Rolle, da sie unter anderem die Grundlage für die Entwicklung und Durchführung effektiver Coaching-Strategien bilden.. Begriffsdefinitionen Ein Bedürfnis bezieht sich auf ein grundlegendes menschliches Verlangen oder eine Notwendigkeit, das sich in verschiedenen Formen manifestieren kann, wie etwa das Bedürfnis nach Anerkennung, Wachstum, Sicherheit oder Zugehörigkeit. Diese Bedürfnisse sind o tief verwurzelt und treiben individuelles Verhalten und Entscheidungen an, ohne notwendigerweise von äußeren Ressourcen oder materiellen Gütern abhängig zu sein. Im Gegensatz dazu ist ein Bedarf ein Bedürfnis, das durch die Bereitscha und Fähigkeit, Ressourcen, insbesondere nanzielle Mittel, für seine Erfüllung einzusetzen, konkretisiert wird. Das heißt, ein Bedarf ist ein mit Kaura ausgestattetes Bedürfnis. Im Coaching-Kontext bedeutet dies, dass ein Klient nicht nur ein inhärentes Bedürfnis nach persönlichem Wachstum, Verbesserung der Lebensqualität oder Lösung spezischer Probleme haben kann, sondern auch bereit ist, in diese Entwicklung zu investieren. Ein Bedarf stellt somit ein Bedürfnis dar, das durch die Entscheidung, Zeit, Energie und Geld zu investieren, in eine greiare Nachfrage umgewandelt wird. 101

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Die Bedürfnispyramide von Maslow Abraham Maslow, ein amerikanischer Psychologe, entwickelte eine der einussreichsten eorien in der Psychologie, die als Maslows Hierarchie der Bedürfnisse bekannt ist. Ursprünglich in den 1940er Jahren formuliert, stellt diese eorie eine fünfstuge Hierarchie dar, die die verschiedenen menschlichen Bedürfnisse von den grundlegendsten bis zu den fortgeschrittensten kategorisiert. Diese eorie hat nicht nur die Psychologie tiefgreifend beeinusst, sondern ndet auch breite Anwendung in Bereichen wie Management, Bildung und Coaching. Maslow postulierte, dass Menschen motiviert sind, bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen, und dass einige Bedürfnisse vor anderen priorisiert werden müssen. Seine eorie wird o als Pyramide dargestellt, wobei die grundlegendsten Bedürfnisse an der Basis liegen. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse ist essenziell für die persönliche Entwicklung und das Erreichen von höheren, komplexeren Zielen. Maslows Ansatz betont die Wichtigkeit des Verständnisses individueller Bedürfnisse in der Förderung des menschlichen Potenzials, ein Konzept, das im Coaching besonders relevant ist. Die eorie wurde ursprünglich in seinem Werk "A eory of Human Motivation" veröffentlicht und hat seitdem eine anhaltende Wirkung auf verschiedene Praxisfelder. Im Coaching wird sie verwendet, um Klienten zu helfen, ihre persönlichen und beruichen Ziele zu verstehen und zu erreichen, indem sie erkennen, auf welcher Stufe der Bedürfnishierarchie sie sich benden und welche Schritte sie unternehmen müssen, um weiter aufzusteigen. Die Entwicklung der Bedürfnispyramide Die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow entstand in einem wissenschalichen Klima, das stark von der Behaviorismus und der 34 Der Behaviorismus ist eine psychologische Strömung, die sich auf das beobachtbare 34Verhalten von Menschen und Tieren konzentriert. Sie geht davon aus, dass Verhalten durch Umweltreize ausgelöst und durch Lernprozesse wie Konditionierung geprägt wird. Innere mentale Prozesse, wie Gedanken oder Gefühle, werden weitgehend ausgeklammert, da sie als nicht direkt beobachtbar gelten. Zu den bedeutendsten Vertretern zählen John B. Watson und B.F. Skinner, die vor allem durch die eorie der klassischen und operanten Konditionierung bekannt wurden. Siehe auch Skinner, B. F. (1974). About Behaviorism. Knopf. Vgl. auch Watson, J. B. (1924). Behaviorism. People’s Institute Publishing.102

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Psychoanalyse dominiert wurde. Maslow, der o als humanistischer Psychologe bezeichnet wird, reagierte auf die seiner Meinung nach zu enge Sichtweise dieser Schulen, indem er eine eorie entwickelte, die das positive menschliche Potenzial betonte. Sein Ansatz fokussierte sich darauf, was Menschen gesund und erfolgreich macht, nicht nur, was sie krank macht. -Historischer Kontext: Die eorie wurde in den 1940er Jahren in seinem Werk ‚A eory of Human Motivation‘ (1943) und später in seinem Buch ‚Motivation and Personality‘ (1954) ausführlicher dargestellt. Während des Zweiten Weltkriegs und der anschließenden Nachkriegszeit suchten viele Menschen nach einem tieferen Verständnis von Frieden und persönlicher Erfüllung, was das Interesse an Maslows Arbeiten förderte. -Einüsse: Maslow war stark beeinusst von den Arbeiten anderer führender Denker seiner Zeit, darunter Alfred Adler und Kurt Goldstein . Besonders 35 36Goldsteins Konzept der Selbstverwirklichung spielte eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Maslows Ideen. Maslow glaubte, dass Selbstverwirklichung das ultimative Ziel aller menschlichen Bestrebungen ist, ein Zustand, in dem Menschen ihr volles Potenzial ausschöpfen. Beschreibung der fünf Stufen Maslows Hierarchie der Bedürfnisse wird üblicherweise als Pyramide dargestellt, mit den grundlegendsten Bedürfnissen unten und den höchsten Bedürfnissen oben. Die fünf Stufen sind: Alfred Adler (1870–1937) war ein österreichischer Psychiater und Begründer der 35Individualpsychologie. Er betonte die Bedeutung sozialer Faktoren und das Streben nach Überlegenheit oder Vollkommenheit als zentrale Motivationen des menschlichen Verhaltens. Adler entwickelte das Konzept des Minderwertigkeitskomplexes und betonte, dass das menschliche Verhalten stets zielgerichtet und zweckorientiert ist. Siehe Adler, A. (1930). e Science of Living. Allen & Unwin. Kurt Goldstein (1878–1965) war ein deutscher Neurologe und Psychiater, der das Konzept 36der Selbstverwirklichung prägte. In seinem holistischen Ansatz sah er den Organismus als eine Einheit, die darauf ausgerichtet ist, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Sein Werk war ein wichtiger Einuss auf Maslows eorie der Selbstverwirklichung. Siehe Goldstein, K. (1939). e Organism: A Holistic Approach to Biology Derived from Pathological Data in Man. American Book Company.103

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Physiologische Bedürfnisse In der Hierarchie der Bedürfnisse von Abraham Maslow stellen die physiologischen Bedürfnisse die grundlegendste Ebene dar. Diese Bedürfnisse umfassen essentielle physische Anforderungen, die für das bloße Überleben notwendig sind. Dazu zählen Nahrung, Wasser, Wärme, Ruhe, und auch die Grundlagen der Körperhygiene. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist essentiell, da ein Mangel in einem dieser Bereiche zu einem körperlichen Unbehagen führen kann, das die Fähigkeit eines Individuums, sich auf höhere Ziele zu konzentrieren, beeinträchtigt. Maslow postulierte, dass das menschliche Verhalten primär durch das Streben motiviert wird, diese fundamentalen Bedürfnisse zu erfüllen. Nur wenn diese Bedürfnisse gestillt sind, kann eine Person das nächste Niveau der Bedürfnishierarchie effektiv angehen. Dieses Modell unterstreicht die Bedeutung einer stabilen und sicheren Basis, von der aus Menschen streben können, sich persönlich weiterzuentwickeln und höhere Bedürfnisse wie Sicherheit, soziale Bindungen, Anerkennung und letztendlich Selbstverwirklichung zu erreichen. In praktischen Anwendungen, wie im Bereich des Coachings oder der humanitären Hilfe, wird daher o zuerst darauf geachtet, diese physiologischen Grundbedürfnisse zu befriedigen, um eine effektive Unterstützung in anderen Lebensbereichen ermöglichen zu können. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse wird als fundamentaler Schritt betrachtet, der notwendig ist, bevor Individuen motiviert und fähig sind, höhere und komplexere Herausforderungen anzugehen. Sicherheitsbedürfnisse Nachdem die physiologischen Bedürfnisse einer Person befriedigt sind, rücken Sicherheitsbedürfnisse in den Vordergrund. Diese zweite Ebene in Maslows Hierarchie der Bedürfnisse umfasst das Streben nach Sicherheit und Schutz vor physischen und psychischen Gefahren. Diese Bedürfnisse sind entscheidend für ein Gefühl der Stabilität und Sicherheit im Leben eines Individuums. Zu den Sicherheitsbedürfnissen zählen: -Persönliche Sicherheit: Schutz vor physischer Gewalt, Unfällen oder anderen Bedrohungen. Dies kann auch die Sicherheit in der eigenen Wohnung oder am Arbeitsplatz einschließen. 104

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-Finanzielle Sicherheit: Die Notwendigkeit, ausreichende nanzielle Ressourcen zu besitzen, um alltägliche Ausgaben zu decken und ein Sicherheitsnetz für Notfälle zu haben. Dazu gehört auch die Vorsorge für die Zukun, wie Rentenplanung und Sparmaßnahmen. -Gesundheit und Wohlbenden: Das Streben nach körperlicher Gesundheit und die Vermeidung von Krankheiten spielen eine wesentliche Rolle. Dazu gehört auch die psychische Gesundheit, die durch Maßnahmen zur Stressreduktion und zur Förderung psychischer Stabilität unterstützt wird. Die Befriedigung dieser Sicherheitsbedürfnisse bietet eine Plattform, von der aus Menschen weitere Bestrebungen wie soziale Interaktionen und persönliche Anerkennung anstreben können. In einer aufgeschlossenen demokratischen sowie modernen Gesellscha ist das Verständnis und die Unterstützung dieser Bedürfnisse besonders wichtig, da sie die Grundlage für das Funktionieren in einer o unsicheren Welt bilden und eine Voraussetzung für die Entfaltung höherer menschlicher Potenziale sind. Soziale Bedürfnisse Auf der dritten Ebene von Maslows Bedürfnishierarchie stehen die sozialen Bedürfnisse. Diese umfassen das menschliche Verlangen nach Liebe, Zugehörigkeit und sozialer Interaktion. Nachdem die physiologischen und Sicherheitsbedürfnisse einer Person stabil befriedigt sind, wird das Streben nach sozialer Einbindung und emotionaler Bindung besonders wichtig. Soziale Bedürfnisse schließen ein breites Spektrum an zwischenmenschlichen Beziehungen ein: -Freundschaen: Die Entwicklung von Freundschaen bietet emotionale Unterstützung, gemeinsame Interessen und Aktivitäten, die das Leben bereichern und eine Quelle der Freude und des Trostes sein können. -Familiäre Bindungen: Starke familiäre Beziehungen bieten ein grundlegendes Netzwerk der Unterstützung, Sicherheit und Zugehörigkeit. Familie kann sowohl durch Blutsverwandtscha als auch durch gewählte familiäre Strukturen deniert werden. -Intime Beziehungen: Partnerschaen oder enge emotionale Bindungen erfüllen tiefe Bedürfnisse nach Liebe, Intimität und emotionaler Nähe. 105

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Die Erfüllung dieser sozialen Bedürfnisse ist entscheidend für das emotionale Wohl benden eines Menschen. Sie fördern nicht nur das Gefühl der Sicherheit und des Akzeptiertseins, sondern sind auch wesentlich für die Entwicklung von Selbstwertgefühl und persönlicher Identität. Soziale Isolation oder unzureichende soziale Bindungen können zu Gefühlen der Einsamkeit und Depression führen, was die Bedeutung der aktiven Pege und des Auaus stabiler sozialer Netzwerke unterstreicht. Wertschätzungsbedürfnisse Die vierte Ebene in Maslows Hierarchie der Bedürfnisse betri die Wertschätzungsbedürfnisse. Nachdem die Grundlagen des physischen Wohl bendens, der Sicherheit und der sozialen Einbindung gesichert sind, streben Menschen nach Anerkennung und Respekt von anderen. Diese Bedürfnisse sind entscheidend für die Entwicklung von Selbstwertgefühl und das Erreichen eines Gefühls der Selbstbestätigung und des Erfolgs. Wertschätzungsbedürfnisse lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: -Selbstachtung: Dies umfasst das Bedürfnis nach Selbstvertrauen, Leistung, Kompetenz sowie die Freiheit, unabhängige Entscheidungen zu treffen. Die Erfüllung dieser internen Wertschätzungsbedürfnisse fördert das persönliche Wachstum und die Eigeninitiative. -Anerkennung und Respekt von anderen: Dies bezieht sich auf das externe Bedürfnis nach Status, Prestige und Anerkennung durch andere. Die soziale Anerkennung spielt eine wichtige Rolle für das Gefühl der Wertschätzung und Zugehörigkeit in einer Gemeinscha oder Gruppe. Die Befriedigung der Wertschätzungsbedürfnisse trägt wesentlich zur Selbstverwirklichung bei, da sie Individuen nicht nur hil, ihre eigenen Fähigkeiten und Erfolge zu erkennen, sondern auch das Gefühl vermittelt, von anderen geschätzt und respektiert zu werden. Unzureichende Erfüllung dieser Bedürfnisse kann zu Minderwertigkeitsgefühlen und mangelndem Selbstvertrauen führen, was die Bedeutung ihrer Beachtung in persönlicher Entwicklung und Coaching unterstreicht. 106

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Selbstverwirklichungsbedürfnisse Selbstverwirklichung stellt die höchste Ebene in Maslows Hierarchie der Bedürfnisse dar. Dieses Bedürfnis wird von Maslow als das Streben deniert, das zu werden, was man nach seinem eigenen Potenzial sein kann. Die Selbstverwirklichung geht über die Befriedigung der physiologischen, Sicherheits-, sozialen und Wertschätzungsbedürfnisse hinaus und konzentriert sich auf die Erreichung des persönlichen Maximums und die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten. Selbstverwirklichungsbedürfnisse beinhalten verschiedene Aspekte: -Kreativität: Die Ausübung und Entwicklung kreativer und künstlerischer Fähigkeiten, die es einem Individuum ermöglichen, Neues zu schaffen und persönlichen Ausdruck zu nden. -Persönliches Wachstum: Ständiges Streben nach Verbesserung, sowohl in persönlichen als auch in beruichen Bereichen. -Erfüllung: Die Realisierung persönlicher Träume und Ambitionen, die nicht nur beruiche Erfolge, sondern auch persönliche Zufriedenheit und ein tieferes Verständnis des eigenen Selbst beinhalten. -Ethisches und philosophisches Verständnis: Ein tieferes Nachdenken über moralische, ethische und philosophische Fragen, die dem Leben Sinn und Richtung geben. Die Verwirklichung dieser Bedürfnisse ist o charakterisiert durch Momente der "Gipfelerfahrungen", wie Maslow sie nannte — Momente intensiver Freude und tiefen Glücks, die beim Erreichen von bedeutenden persönlichen Zielen erlebt werden. Diese Erfahrungen sind tiefgreifend und erhebend und führen zu einer nachhaltigeren Zufriedenheit und einem erfüllteren Leben. Personen, die ihre Selbstverwirklichungsbedürfnisse anstreben und erreichen, gelten o als die am meisten entwickelten und harmonischen Individuen. Defizitbedürfnisse und Wachstumsbedürfnisse In Maslows eorie der Bedürfnishierarchie werden zwei Hauptkategorien von Bedürfnissen unterschieden: Dezitbedürfnisse und Wachstumsbedürfnisse. 107

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Die Dezitbedürfnisse umfassen die ersten vier Ebenen der Maslowschen Pyramide: physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse und Wertschätzungsbedürfnisse. Diese Bedürfnisse werden so genannt, weil ihr Mangel ein Dezit im Individuum verursacht, das Druck und Motivation zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erzeugt. Maslow glaubte, dass das menschliche Verhalten primär durch den Wunsch motiviert wird, dieses Dezit zu beseitigen. Die wesentlichen Merkmale der Dezitbedürfnisse sind: -Mangelinduzierte Motivation: Individuen fühlen sich motiviert, diese Bedürfnisse zu erfüllen, um Unbehagen oder Dysfunktion zu vermeiden. -Vorübergehende Befriedigung: Die Erfüllung eines Dezitbedürfnisses beruhigt das Bedürfnis vorübergehend, und sobald es gestillt ist, hört es auf, der primäre Motivator zu sein. - Wiederkehrende Bedürfnisse: Diese Bedürfnisse können wiederkehren, sobald sie unerfüllt sind. Im Gegensatz zu den Dezitbedürfnissen steht das Wachstumsbedürfnis, welches die höchste Ebene der Hierarchie, die Selbstverwirklichung, darstellt. Wachstumsbedürfnisse unterscheiden sich grundlegend von Dezitbedürfnissen: -Intrinsisch motiviert: Wachstumsbedürfnisse sind durch das Streben nach Selbstverwirklichung und das Erreichen des eigenen Potenzials getrieben. Diese Motivation ist intrinsisch und wird durch persönliche Erfüllung und das Bedürfnis nach Selbstverbesserung angetrieben. -Kontinuierliche Entwicklung: Im Gegensatz zu den Dezitbedürfnissen, deren Befriedigung temporär ist, führt die Befriedigung der Wachstumsbedürfnisse zu einer fortlaufenden Entwicklung und Transformation des Individuums. -Unersättliche Natur: Je mehr eine Person ihre Wachstumsbedürfnisse befriedigt, desto stärker werden diese Bedürfnisse. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht durch das Erreichen eines Zieles abgeschlossen wird. 108

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Integration in die Coaching-Praxis Die Unterscheidung zwischen Dezit- und Wachstumsbedürfnissen ist im Coaching besonders nützlich, da sie Coaches hil, die Motivationsquellen und Entwicklungspotenziale ihrer Klienten zu id enti zie ren. Ei nige Anwendungsbeispiele sind: -Bedürfnisanalyse: Coaches können diese eorie nutzen, um zu bestimmen, ob ein Klient primär durch Dezitbedürfnisse oder durch das Streben nach Selbstverwirklichung motiviert wird. -Zielsetzungsstrategien: Die Ziele können angepasst werden, um entweder Dezitbedürfnisse zu adressieren oder Wachstumsziele zu fördern, je nachdem, wo der Klient in seiner persönlichen Entwicklung steht. -Persönliche Entwicklungspläne: Coaches können individuelle Entwicklungspläne erstellen, die auf die Überwindung spezischer Dezite und die Förderung von Wachstum und Selbstverwirklichung abzielen. Durch das Verständnis dieser beiden Bedürfnistypen können Coaches effektivere Strategien entwickeln, die nicht nur kurzfristige Bedürfnisse adressieren, sondern auch langfristige persönliche Wachstumsziele fördern. 37 Max-Neef, Manfred A. (1989). Human Scale Development: Conception, Application and 37Further Reections. New York: e Apex Press.109

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Die Anderen und ich Warum nden wir manche Menschen sympathisch und andere nicht? Beginnen wir so: Du bist einzigartig. Genau wie jeder andere auch – dein Sohn, deine Tochter, dein Partner oder deine Partnerin. Jeder Mensch ist einmalig und das wissen wir alle. Wir leben in einer Ära, in der es uns nicht nur möglich ist, unsere Individualität zu entdecken, sondern sie zumindest in den Industrienationen auch frei auszuleben. Dies betri unsere Leidenschaen, Talente, Bedürfnisse, Vorlieben, Abneigungen und Werte. Viele Menschen, wahrscheinlich die meisten, sehen sich selbst als Individuen, die sich vom "Mainstream" abheben möchten. Sie streben danach, ihre eigene Individualität zu erfahren und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch was macht es uns dann so schwer, mit Konikten umzugehen oder sie zu akzeptieren? Warum fällt es uns so schwer zuzugeben, dass niemand von uns die ultimative Interpretation der Welt darstellt? Warum neigen wir dazu, schnell zu kritisieren, anzugreifen oder uns zu verteidigen? Es gibt mehrere Gründe dafür. Einer davon ist ein fundamentaler Denkfehler: Obwohl wir um unsere Einzigartigkeit wissen und die Unterschiedlichkeit aller Menschen anerkennen, neigen wir dennoch dazu, uns selbst als Maßstab für alles zu sehen. Wir bewerten die Welt und ihre Ereignisse durch die Brille unserer eigenen, individuellen ‚Landkarte‘, die Informationen über uns und unsere Sicht auf die Welt enthält. Wir vergessen dabei, dass jeder Mensch seine eigene Landkarte im Kopf trägt, und keine davon ist mit einer anderen identisch. Das bedeutet, dass jeder die Welt anders sieht und sie in seinem persönlichen Erleben als einzigartig empndet. In Anlehnung an das Inselmodell von Vera F. Birkenbihl möchte ich 38dir erklären, warum jeder Mensch von seiner eigenen Weltansicht ausgeht. Der Mensch lebt in seiner Insel Man stelle sich nun jeden Menschen als in einer Insel lebend vor. Die Insel symbolisiert dabei einen Teil von uns, das heißt wir können diese Insel nicht Schuster, Martina M. (2017). Koniktfähigkeit stärken: Das schlaue Trainingsbuch. epubli.38110

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verlassen. Sie birgt unser Potenzial, aber auch unsere Hoffnungen, Ängste, Motive, 39Ziele, Meinungen etc. Außerdem ist sie gefüllt mit unserer Beschreibung der Welt ‚da draußen‘, mit unserer Vergangenheit, unserer Gegenwart - wie wir uns im Moment fühlen, gestresst, nicht gestresst, glücklich, traurig. Zugleich ist diese Insel auch der Nährboden für unsere Zukunsprognosen. Denn wie bereits angedeutet, spiegeln sich hier unsere tiefsten Wünsche und Hoffnungen, aber auch unsere Ängste und angestrebten Ziele wider. In diesem persönlichen Mikrokosmos entstehen die Landkarten, die unsere Wahrnehmungen und Reaktionen auf die Außenwelt prägen. Sie ist ein lebendiges, dynamisches Gebilde, das ständig durch neue Erfahrungen und Erkenntnisse geformt wird. Wir tragen diese Insel nun immer mit uns herum, auch in jenen Situationen, in denen wir mit anderen Menschen kommunizieren. Abbildung: Der Mensch in seiner Insel, nach Vera F. Birkenbihl. Was passiert nun, wenn sich zwei Menschen treffen und miteinander reden? Dann gibt es mehrere Möglichkeiten, wie die Begegnung sein könnte. Diese sollen nun beschrieben werden. Deshalb heißt es auch nicht ‚auf einer Insel‘, denn dann könnten wir sie verlassen. Das 39bedeutet nicht, dass der Mensch eine Insel sei. Denn wir leben in ständiger Interaktion miteinander, und tauschen uns aus, so dass die Insel selbst aufgrund dieser Vernetzungen durchaus dynamisch ist. 111

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Inselüberschneidungen Je ähnlicher die Insel-Inhalte der Gesprächspartner nun sind, desto größer sind die Überschneidungen hinsichtlich der Standpunkte, Erfahrungen, Erwartungen an die Welt und so weiter. Man versteht sich dann sofort gut. Die Kommunikation fällt leicht und der Gesprächspartner wird sympathisch und schlau empfunden. Die Bestätigung, die man dem Gegenüber gibt, wie ‚Sie haben Recht!‘ bedeutet lediglich, dass es in diesem Punkt eine Inselüberschneidung gibt. Weil jeder nur in seine eigene ‚Insel‘ (also sein Leben) blickt und die eigenen Gedanken, Gefühle und Erfahrungen die dort enthalten sind auf die Welt da draußen projiziert, sieht jeder nur seinen eigenen Standpunkt als gerechtfertigt. Vertritt nun unser Gegenüber die gleiche Meinung, so fühlen wir uns sicher und bestätigt. Das macht uns Freude, weil die Kommunikation und somit der Kontakt zum anderen einfach ist. 112Wie sympathisch und klug!

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Je mehr Überschneidungen es zwischen unseren individuellen "Inseln" gibt, desto ähnlicher sind unsere Gedanken, Gefühle, Handlungen und Reaktionen in einem gegebenen Moment. Wenn wir solche Gemeinsamkeiten mit jemandem entdecken, fällt uns die Kommunikation mit dieser Person leichter; sie erscheint nahtlos und ießend. In der Tat empnden wir Gespräche, die von vielen solchen Überschneidungen geprägt sind, o als besonders anregend und bereichernd. Sie sind interessant, spannend und informativ, und wir bewerten unser Gegenüber häug als intelligent oder bemerkenswert. Es ist wichtig und erleichternd anzuerkennen, dass diese positive Resonanz hauptsächlich auf einer gemeinsamen "Schnittmenge" unserer Persönlichkeiten beruht. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen die Überschneidungen weniger ausgeprägt sind. Wenn die Gesprächspartnerin in nur wenigen Aspekten ähnlich tickt wie wir, gibt es entsprechend weniger Gemeinsamkeiten, und wir empnden die Kommunikation mit ihr möglicherweise als anstrengend. Dennoch ist es auch 40in diesen Fällen leichter zu kommunizieren als mit einem Menschen, dessen kultureller Hintergrund und Werte uns völlig fremd sind. Solche Begegnungen können herausfordernd sein, und es ist nicht ungewöhnlich, dass man sich dann verwundert fragt, was diese Person eigentlich möchte oder ob ihre Verhaltensweisen noch als 'normal' zu betrachten sind. Hier besteht eine deutliche Distanz zur anderen Insel, die nun im weiteren Verlauf näher beschrieben wird. Inseln und Distanz Was geschieht also, wenn keinerlei Überschneidungen zwischen zwei Menschen existieren? Die Schwierigkeit, einander zu verstehen, ähnelt dann der Herausforderung, eine immense Distanz zu überwinden. Man könnte sagen, es ist vergleichbar mit der menschlichen Errungenscha, den Mond zu erreichen – eine monumentale Leistung, doch im Bereich der menschlichen Kommunikation bleibt diese Art von Distanz das weitaus größere und schwierigere Hindernis. Wenn du zum Beispiel eine Meinung X zu einem ema hast und dein Gegenüber die Meinung Y vertritt, funktioniert der Austausch mühelos, wenn gemeinsame Achtung: Die ‚Überschneidungen der Inseln‘ oder die ‚Distanz zwischen den Inseln‘ meint 40immer nur eine spezische Situation, ein bestimmtes ema. Vertritt man z. B. politisch einen anderen Standpunkt als sein Gegenüber, so kann bei anderen emenbereichen vollkommene Übereinstimmung herrschen, und die Kommunikation ist in diesem Bereich sehr einfach und gut.113

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Interessen vorliegen, und man konzentriert sich auf diese. In solchen Fällen ist es nicht notwendig, ein Meister der Kommunikation zu sein, denn das Gespräch ießt bezüglich dieses emas natürlich und leicht. Es bedarf keiner besonderen Anstrengung, Respekt oder Toleranz aufzubringen – Toleranz, die, wie man sagt, erst dann beginnt, wenn es schmerzha wird. Jedoch, wenn diese Distanz besteht, neigen Menschen dazu, aneinander vorbeizureden. Jeder vertritt seinen Standpunkt, ohne wirklich auf den anderen zu hören oder ihn zu verstehen, da keine inhaltliche Verbindung vorhanden ist. Es kann zu direkten Konikten kommen, zu einem Kampf der Meinungen, wo jeder darauf besteht, dass der andere im Unrecht ist und dies auch anerkennen soll. Wir wissen, dass solch eine Herangehensweise selten zum Erfolg führt, dennoch nden solche Auseinandersetzungen statt. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass das Gegenüber irgendwann einräumt: „Du hast recht, ich habe überhaupt keine Ahnung und bin ein echter Narr. Danke, dass du mir das klargemacht hast.“ Eine solche Erwartung entspringt eher einem Wunschdenken und ist in der Realität kaum anzutreffen. Denn letztendlich hat jeder das Recht auf seine eigene Meinung. Dies zu akzeptieren und zu respektieren ist eine Kunst der Kommunikation, die o mehr Überwindung kostet als der erste Schritt auf dem Mond. Es ist unerlässlich, das Bewusstsein für die Bedeutung dieser Inhalte zu schärfen, insbesondere im Kontext von Coaching, wo Konikte o ein zentrales ema sind. 114Seine Insel ist (in diesem Punkt) gaaanz anders als meine ????? Was will der eigentlich ?????? ? ? ? ?

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Konikte sind im menschlichen Miteinander nahezu unvermeidlich. Jeder Mensch ist einzigartig und bringt seine eigenen Erfahrungen, kulturellen Hintergründe sowie familiäre und systemische Verstrickungen mit. Es ist jedoch möglich, kräezehrende Auseinandersetzungen zu vermeiden, indem man bereits im Vorfeld ein gegenseitiges Verständnis für die ‚unbekannten Inselinhalte‘ des anderen entwickelt. Die Frage stellt sich: Wie kann die Kommunikation verbessert und das Verständnis für Menschen gesteigert werden, deren Meinungen und Ansichten uns völlig neu und unverständlich erscheinen? Wie können wir diese Distanzen überbrücken? Vera F. Birkenbihl bietet uns dazu bildhae Metaphern und erläutert wichtige Strategien, um solche kommunikativen Herausforderungen zu meistern. Diese Strategien sind nicht nur praktische Werkzeuge, sondern auch essenzielle Ansätze, um in der Welt des Coachings und darüber hinaus effektiv zu navigieren. Sie helfen uns, Brücken zu bauen, wo vorher unüberwindbare Abgründe zu bestehen schienen, und fördern ein tieferes, empathischeres Verständnis zwischen Menschen unterschiedlichster Herküne und Überzeugungen. Durch das Erkennen und Respektieren der Vielfalt der individuellen „Inseln“ können wir eine Basis für produktive und respektvolle Interaktionen schaffen. Die eigene Insel vergrößern und die Angst wird kleiner Je umfangreicher deine eigene Insel des Wissens und der Erfahrungen wird, desto effektiver kannst du mit Menschen kommunizieren, deren Erfahrungsschatz möglicherweise begrenzter ist. Die Erweiterung deiner Insel, durch das Sammeln neuer Erfahrungen, das Entdecken neuer Perspektiven, Lernen und regelmäßiges Üben, bereichert nicht nur deine Welt- und Weitsicht, sondern präzisiert und erweitert auch die mentalen Landkarten in deinem Kopf. Dieser Prozess der Erweiterung deines Wissens und deiner Erfahrung ndet auch jetzt statt, während du dieses Buch liest und mit ihm arbeitest. Jede neue Erfahrung und jeder Wissenszuwachs vergrößern deine Fähigkeit, andere zu ‚verstehen‘ und effektiver mit ihnen zu kommunizieren. Menschen mit einer reichen Lebenserfahrung, die viel erlebt und gelernt haben, wirken o souveräner und gelassener. Dies liegt daran, dass ihre ‚Insel‘ im Laufe des Lebens stetig gewachsen ist und die Angst vor dem Unbekannten abgenommen hat. 115

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Als Coach ist es daher unerlässlich, kontinuierlich an deiner eigenen Bildung zu arbeiten und deine Kenntnisse zu vertiefen. Die fortlaufende Erweiterung deiner eigenen Erfahrungen und deines Wissens ermöglicht es dir, deine Klienten effektiver zu unterstützen und sie in ihrer eigenen psychoedukativen Reise anzuleiten. Dadurch können sie ihre eigenen ‚Inseln‘ erweitern und besser auf die Herausforderungen des Lebens reagieren. Je größer deine Insel wird, desto besser erreichst du auch jene Inseln, derer, deren Inseln ‚klitzeklein' sind, und du kannst sie dabei unterstützen, ihre eigene zu vergrößern. Brücken bauen Die zweite Strategie, die du als Coach anwenden kannst, ist das Bauen von Brücken, sowohl in deiner eigenen Praxis als auch als psychoedukative Einlage für deine Klienten. Diese Fähigkeit ist entscheidend, wenn wir, wie bereits erörtert, durch Unterschiede in der Wahrnehmung, Beurteilung oder durch unterschiedliche Wertesysteme von anderen Menschen getrennt sind. In der Coaching-Praxis bedeutet dies, dass du lernst, Unterschiede zu akzeptieren und aktiv nach Gemeinsamkeiten zu suchen, um eine solide Basis für Kommunikation und Verständnis zu schaffen. Stell dir vor, du arbeitest als Coach mit einem internationalen Team, das vor Herausforderungen in der Zusammenarbeit steht. Anstatt den Fokus auf die kulturellen oder methodischen Unterschiede zu legen, die zunächst offensichtlich 116

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und möglicherweise hinderlich erscheinen, könntest du das Team anleiten, gemeinsame Ziele oder Werte zu identizieren. Diese gemeinsamen Nenner dienen dann als Brückenpfeiler, um die Zusammenarbeit zu stärken und eine inklusivere Arbeitsumgebung zu schaffen. Ein weiteres Beispiel könnte die Arbeit mit einem Klienten sein, der Schwierigkeiten hat, in seinem beruichen Umfeld Anschluss zu nden. Durch das Bauen von Brücken könntest du ihm helfen, seine Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, indem du ihn ermutigst, nach Gemeinsamkeiten mit seinen Kollegen zu suchen, auch wenn diese auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Dies fördert nicht nur das Verständnis und die Akzeptanz innerhalb des Teams, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein deines Klienten. In jedem Projekt muss grundsätzlich ein Konsens gefunden werden, dass das Projektziel zufriedenstellend erreicht wird. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen unterschiedliche Meinungen bestehen bleiben dürfen. Hier entfällt der Druck, einen einheitlichen Konsens zu nden. Angelehnt an das Sprichwort „Let’s agree to differ“ könnte man hier den Begriff „Zweinigung“ einführen, also die Einigung darauf, dass man sich nicht einig ist. Diese Vorgehensweise ist allemal besser als eine tiefe Spaltung zu riskieren, und stellt in gewisser Weise selbst einen Konsens dar. Das Bauen von Brücken ist somit nicht nur eine Strategie, sondern eine fundamentale Kompetenz für Coaches. Sie ermöglicht es, Diversität als Stärke zu nutzen und produktive, respektvolle Beziehungen sowohl in beruichen als auch in persönlichen Kontexten zu fördern. Diese Fähigkeit aktiv zu vermitteln und zu praktizieren, bereichert die Coaching-Praxis und unterstützt Klienten dabei, in einer zunehmend globalisierten Welt erfolgreich und harmonisch zu agieren. Abschließend, als Coach und im alltäglichen Umgang mit Konikten, ist es von unschätzbarem Wert, die folgenden zwei Gedanken stets präsent zu haben: 1. Meine Insel - seine/ihre Insel: Jeder Mensch hat seine eigene Weltanschauung, die durch individuelle Erfahrungen und Überzeugungen geformt wird. Es ist wichtig, diese Perspektivenvielfalt zu erkennen und zu respektieren. 2. Legitimität der Inselinhalte: Jeder hat das Recht, seine Meinungen und Überzeugungen zu vertreten, genau wie ich das Recht habe, meine zu vertreten. Diese Anerkennung bildet die Grundlage für Respekt und Toleranz im Dialog. 117

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Wenn du diese Prinzipien beherzigst, kannst du vermeiden, in Kommunikations-situationen voreilig ablehnend zu reagieren. Anstatt reexha mit „So ein Quatsch“ oder „Das sehen Sie falsch“ zu antworten, öffnest du die Tür für einen konstruktiven Austausch, indem du sagst: „Interessant, dass Sie das so sehen. Darf ich Ihnen meine Perspektive darlegen?“ Diese Herangehensweise ist nicht nur professioneller, sondern fördert auch eine kooperative und produktive Atmosphäre. Sie spiegelt eine reife Kommunikationsfähigkeit wider, die besonders im Coaching von entscheidender Bedeutung ist. Indem du solche Strategien anwendest und vermittelst, ermächtigst du nicht nur dich selbst, sondern auch deine Klienten, effektiver zu kommunizieren und Konikte konstruktiv zu bewältigen. So ausgestattet, bist du nun bereit, selbst die herausforderndsten Gesprächssituationen erfolgreich zu navigieren. Erziehungsprogramme Im vorangegangenen Kapitel habe ich mithilfe des Inselmodells erläutert, warum wir die Welt so interpretieren, wie wir es tun. Jetzt möchte ich diesen Gedanken weiter vertiefen. Unsere Ängste, Hoffnungen, Erinnerungen, Wünsche und Sorgen, unsere Fähigkeiten und das Potenzial, sowie prägende Begegnungen – all dies und alles, was wir als ‚Ich‘ bezeichnen, ist in dieser Insel enthalten. Dies betri die Vergangenheit, die Gegenwart und auch die Zukun. Besonders entscheidend für unsere Fähigkeit zur Entwicklung sind die ‚Erziehungsprogramme‘, die jeder von uns in sich trägt. Denn was uns umgibt das prägt uns und was uns prägt, das halten wir für die Welt. Darauf möchte ich im folgenden ein wenig eingehen, denn Erziehungsprogramme wirken auf unsere Einstellungen, Glaubenssätze, unsere Gedanken, Gefühle und somit auch auf unsere Wahrnehmung. Von Geburt an wachsen wir in einem spezischen Umfeld auf, umgeben von verschiedenen Menschen und Situationen, die uns im Laufe unseres Lebens prägen. Diese Eindrücke sind nicht bloß üchtige Begegnungen; sie formen uns nachhaltig. Der Grund dafür ist, dass wir Verhaltensweisen und Einstellungen größtenteils durch Imitation erlernen, o geschieht dies unbewusst. Dieses Phänomen wird als ‚Lernen durch Beobachten‘ und ‚Lernen durch Nachahmung’ beschrieben. 118

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Diese Prozesse ähneln einer Art Programmierung, durch die wir bestimmte Erziehungsprogramme in uns aufnehmen, die wiederum unsere Interaktionen mit der Welt beeinussen. Jeder von uns trägt gewissermaßen eine individuelle Brille, durch die wir die Welt betrachten und interpretieren. Das, was uns geprägt hat, bildet unsere Wahrheit und unsere Realität. Diese Erziehungsprogramme können sowohl förderliche als auch hinderliche Verhaltensweisen umfassen. Beispiele für positive Programme sind Höichkeit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Fleiß. Auf der anderen Seite gibt es Programme, die uns gegen bestimmte Verhaltensweisen konditionieren, wie beispielsweise Schmatzen beim Essen, Rülpsen, Faulheit, in der Nase bohren, übermäßiges Eigenlob oder öffentliches Weinen. Solange wir uns dieser Programme nicht bewusst werden, funktionieren sie wie unausgesprochene Regeln in unserem Leben: Begegnen wir einem Verhalten, das einem unserer Programme entspricht, nden wir es automatisch gut – dies ist eine sogenannte ‚Inselüberschneidung‘. Tri man jedoch auf Verhaltensweisen, die unseren „Anti-Programmen“ entsprechen, lehnen wir diese – und o auch die Person, die sie zeigt – schnell und entschieden ab. Im Coaching-Kontext ist es besonders wichtig, sich dieser tief verwurzelten Programme bewusst zu werden. Als Coach unterstützt du deine Klienten dabei, ihre eigenen unbewussten Verhaltensmuster zu erkennen und zu hinterfragen. Dies ermöglicht es ihnen, bewusstere Entscheidungen über ihre Reaktionen und Interaktionen zu treffen und gegebenenfalls neue, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln. Darüber hinaus stellen viele Menschen fest, dass ihre automatischen Reaktionen o den Reaktionen ihrer Eltern oder anderen Bezugspersonen aus ihrer Kindheit gleichen, auch wenn sie sich vorgenommen hatten, als Erwachsene anders zu sein – besonders in der Rolle als Eltern. Das Bewusstmachen und gegebenenfalls Umprogrammieren dieser tief sitzenden Muster kann eine transformative Erfahrung sein, sowohl für individuelle Persönlichkeitsentwicklung als auch für die Verbesserung von Beziehungen. In der Coaching-Praxis können diese Erkenntnisse genutzt werden, um Klienten zu helfen, ihre eigene Entwicklung aktiv zu gestalten und nicht nur auf unbewusste, übernommene Programme zu reagieren. Dies stärkt die Autonomie und das Wachstum der Klienten und ermöglicht ihnen, ihre Interaktionen mit der Welt bewusster und erfüllender zu gestalten. Lass uns einige lebensnahe Beispiele 119

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betrachten, die veranschaulichen, wie tiefgreifend unsere Erziehungsprogramme unser Verhalten und unsere Wahrnehmung prägen können: 1. Familienregeln: Du ndest dich vielleicht dabei wieder, wie du zu deinem Sohn oder deiner Tochter sagst: „Solange du deine Füße unter unseren Tisch stellst, musst du unsere Regeln akzeptieren.“ Dies reektiert o unbewusst übernommene Vorstellungen von Autorität und Respekt in der Familie. 2. Kulturelle Unterschiede: In vielen asiatischen Ländern wird es als unhöich angesehen, jemandem direkt in die Augen zu schauen. Für uns mag dies als mangelnde Aufmerksamkeit oder Respektlosigkeit interpretiert werden, was zu Missverständnissen führen kann. 3. Alltagskonikte im Mehrfamilienhaus: Ein junges Paar verwendet keine Wäscheklammern beim Auängen ihrer Wäsche, was eine Mitbewohnerin dazu veranlasst, regelmäßig die Wäsche zusammenzuschieben. Ihre Überzeugung: „Man muss die Wäsche mit einer Klammer befestigen.“ Dies zeigt, wie persönliche Präferenzen zu Konikten führen können. 4. Reinigungsgewohnheiten: Eine Frau regt sich darüber auf, dass eine andere die Treppe von oben nach unten statt von unten nach oben putzt, was unterschiedliche Auffassungen von „richtig“ und „falsch“ in alltäglichen Routinen offenbart. 5. Pünktlichkeit: In einigen Kulturen gilt es als unhöich, genau pünktlich zu einem Dinner zu erscheinen, während es in Deutschland o als Zeichen von Unzuverlässigkeit gewertet wird, wenn man zu spät kommt. 6. Arbeitsplatzetikette: Ein Kollege ärgert sich darüber, dass eine Kollegin ihren Schreibtisch nicht nach seinen Vorstellungen aufräumt, was die individuellen Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit am Arbeitsplatz widerspiegelt. Diese Beispiele zeigen deutlich: Was uns prägt, das halten wir für die Welt und danach wird geurteilt. Als Coach ist es wichtig, solche programmierten Verhaltensweisen und Einstellungen zu erkennen und zu reektieren, um eine tiefere Verständnis- und Veränderungsfähigkeit bei dir selbst und deinen Klienten zu fördern. Indem wir unsere eigenen "Programme" hinterfragen, eröffnen wir die Möglichkeit, bewusster zu handeln und zu einem umfassenderen Weltverständnis zu gelangen. 120

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Dieser Satz gilt überall dort, wo es Menschen gibt, unabhängig von Land und Kontinent. Das sieht im Einzelnen so aus: Die Realität in der Gemeinscha sieht dann entsprechend so aus: Jeder denkt, die anderen müssten sich nach ihm richten! Es ist wohl offensichtlich, dass ein harmonisches Miteinander nicht möglich ist, wenn jeder erwartet, dass die Welt sich nach seiner Pfeife dreht. Konikte sind unvermeidlich, sobald mehrere Menschen überzeugt sind, den einzigen richtigen Weg zu kennen, wie die Welt ‚funktionieren‘ sollte – o genügt schon das Aufeinandertreffen von zwei Personen, um diese Spannung zu entfachen. Dies Alle Menschen dieser Welt haben sich nach den Programmen in meinem Kopf zu richten!121

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unterstreicht die Bedeutung, unsere Perspektiven zu erweitern und Vielfalt als Bereicherung unseres Verständnisses zu begrüßen. Die Erkenntnis über die Existenz und die Wirkung von Erziehungsprogrammen ist für das Coaching also von Bedeutung. Denn diese Programme beeinussen, wie der Mensch die Welt sieht und wie er auf sie reagiert. Sie sind tief verwurzelt und o unbewusst, was bedeutet, dass sie unser Denken und Handeln steuern, ohne dass wir es merken. Im Coaching-Kontext ermöglicht das Verständnis dieser Programme mehrere wichtige Entwicklungen: 1. Selbstbewusstsein und Selbstverständnis: Coaches können Klienten dabei unterstützen, ihre eigenen Erziehungsprogramme zu identizieren und zu verstehen. Dies fördert ein tieferes Selbstbewusstsein und hil den Klienten, die Ursprünge ihrer Überzeugungen und Verhaltensweisen zu erkennen. 2. Verhaltensänderung: Mit dem Bewusstsein über ihre eigenen Programme können Klienten beginnen, unerwünschte oder schädliche Muster zu ändern. Coaches bieten Strategien und Techniken an, um neue, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln, die besser zu ihren aktuellen Lebenszielen und Werten passen. 3. Verbesserung der Kommunikation: Das Verständnis dafür, dass andere Menschen möglicherweise nach ganz anderen Programmen "operieren", kann helfen, Konikte zu entschärfen und die Kommunikation zu verbessern. Coaches lehren ihre Klienten, wie man effektiver kommuniziert, indem man die Perspektiven anderer anerkennt und respektiert. 4. Erweiterung der Perspektive: Durch das Erkennen der eigenen Erziehungsprogramme und der anderer können Klienten lernen, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Dies fördert Empathie und Verständnis über kulturelle, soziale und persönliche Grenzen hinweg. 5. Stärkung der Beziehungen: Ein tieferes Verständnis für die eigenen Verhaltensweisen und die der Menschen um uns herum kann dazu führen, dass Klienten ihre Beziehungen auf eine gesündere, bewusstere Weise gestalten. Das individuelle Stressniveau Stress ist mittlerweile ein weitverbreitetes Phänomen und nimmt stetig zu. Es ist nun wichtig, zwischen zwei Arten von Stress zu unterscheiden: Eustress und 122

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Distress. Eustress, o als 'guter' Stress bezeichnet, wird als Herausforderung wahrgenommen, die, wenn erfolgreich bewältigt, das Selbstwertgefühl stärken kann. Distress hingegen ist der 'negative' Stress, der belastend wirkt und häug zu Konikten führt. Menschen suchen o Coaching auf, wenn sie unter einem gewissen Leidensdruck stehen, der meist durch Stress ausgelöst wird . Das Wissen 41um Stress ist daher für jeden Coach unerlässlich. Konikte können Stress 42verursachen, und wer dauerha hohem Stress ausgesetzt ist, erlebt o eine Zunahme von Koniktsituationen. Warum das bei manchen Menschen häuger der Fall ist als bei anderen, wird in diesem Abschnitt erörtert. Es gilt zu verstehen, dass eine Abfolge von Problemen o nicht zufällig ist, sondern mit der Art und Weise zusammenhängt, wie Individuen Stress erleben und verarbeiten. In diesem Kontext wird ein tiefgreifendes Verständnis von Stress und seinen Auswirkungen immer wichtiger, um effektive Coaching-Strategien zu entwickeln. Stressdefinition Das Wort ‚Stress‘ stammt ursprünglich aus der Mechanik und bedeutet nichts anderes als Einwirkung einer äußeren Kra auf eine Struktur. Ab einer gewissen Druckintensität kommt es zur Verformung. Im heutigen psychologisch-medizinischen Sinne wurde der Begriff aber vor allem von Hans Selye geprägt . 43In den letzten Jahren haben sich zahlreiche transaktionale eorien entwickelt, die darauf abzielen, Stress umfassender zu denieren. Diese eorien betrachten das komplexe Wechselspiel zwischen individuellen Faktoren und Umweltbedingungen als ausschlaggebend für die Entstehung von Stress. Sie bilden heute eine zentrale Grundlage in der Stressforschung. Der Kerngedanke dieser eorien ist: Wenn im folgenden nun von ‚Stress‘ gesprochen wird, gehen wir vom negativen, also vom 41Distress aus. Siehe auch Schuster, Martina M. (2017). Koniktfähigkeit stärken: Das schlaue 42Trainingsbuch. Berlin: epubli. Er denierte Stress so: Stress ist eine durch spezische äußere Reize (Stressoren) 43hervorgerufene psychische und physiologische Reaktion, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen und eine dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung. Vgl. Selye, Hans (1957). 123

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Eine Situation wird erst dann als bedrohlich oder stressauslösend wahrgenommen, wenn eine Person glaubt, dass ihre eigenen Ressourcen zur Bewältigung dieser Situation unzureichend sind. Es handelt sich hierbei also um eine subjektive Bewertung der eigenen Ressourcen, Gedanken und Gefühle einer Person. Dies erklärt, warum dieselbe Situation von verschiedenen Menschen unterschiedlich erlebt wird: Für einige ist sie eine bedrohliche Herausforderung, für andere eine bewältigbare Aufgabe, und wieder andere bleiben davon unberührt. Der Schlüssel liegt in der persönlichen Einschätzung, wie z. B. 'Kann ich das bewältigen oder nicht? Verfüge ich über die notwendigen Ressourcen?' Falls die Antwort nein ist, stellt sich die Frage: 'Kann ich mir die benötigten Ressourcen von anderswo beschaffen?' Zu diesen typischen Ressourcen zählen Wissen, Fähigkeiten, Zeit, nanzielle Mittel, emotionale Stabilität und Erfahrung in der Koniktlösung, um nur einige zu nennen. Diese Ressourcen variieren stark von Person zu Person. Somit wird Stress nicht als Input oder Output gesehen, sondern es liegt eine Transaktion zwischen Situation und Person zugrunde. Somit besteht eine Verbindung zwischen einer sich verändernden Situation und einer fühlenden, denkenden und handelnden Person. Diese Anschauung beschreibt sehr gut die Realität und macht deutlich, dass wir es einfach sein lassen dürfen, über andere meinen urteilen zu können, wenn sie oder er eine Stresssituation anders einschätzt als wir. Wenn wir alle dies beherzigen, dann ersparen wir uns selbst und unseren Mitmenschen Energieverluste durch Kränkung und Besserwisserei.  Als Anregung und zur Verdeutlichung hier nun einige Beispiele zum Weiterdenken: • Die Auswirkungen eines Strafzettels als Stressor sind höchst wahrscheinlich bei einen Mindestlohnempfänger nicht nicht die gleichen wie bei einem besser verdienenden Manager. • Der Leiter, der für ein großes Projekt zuständig und umsatzbeteiligt ist, wird bei der nichtfristgerechten Fertigstellung ein anderes Empnden haben, als ein Ingenieur, der weiß, er hat seine Arbeitsleistung fristgerecht abgeliefert. • Ein Schüler, der vor der Klasse abgekanzelt wird und zu Hause ebenfalls nicht viel Zuspruch bekommt, wird diese Situation anders verarbeiten als sein Klassenkamerad, der ein hohes Selbstwertgefühl von Haus aus besitzt und von Eltern, Geschwistern und sozialem Umfeld den Rücken gestärkt bekommt. 124

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Stress ist ein multifaktorelles Phänomen, das sowohl biologische als auch psychische Auswirkungen auf den Menschen hat. Wissenschaliche Studien belegen, dass Stressreaktionen tief in unserem biologischen System verwurzelt sind und gleichzeitig komplexe psychologische Reaktionen hervorrufen. Biologische Auswirkungen von Stress Die biologischen Auswirkungen von Stress beginnen im Nervensystem, insbesondere mit der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) und des sympathischen Nervensystems. Dies führt zur Freisetzung von Stresshormonen, hauptsächlich Cortisol und Adrenalin. 1. Hormonelle Reaktionen: Die Ausschüttung von Cortisol erhöht den Blutzuckerspiegel und fördert die Energiebereitstellung in Form von Glukose, was dem Körper hil, auf die Stresssituation zu reagieren. Adrenalin erhöht Herzfrequenz und Blutdruck, um die Blutzirkulation zu beschleunigen und mehr Sauerstoff zu den Muskeln und wichtigen Organen zu transportieren. 2. Physiologische Veränderungen: Langfristiger Stress kann zu einer Reihe von physiologischen Problemen führen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Verdauungsprobleme, geschwächtes Immunsystem und Stoffwechselstörungen wie Diabetes Typ 2. 3. Neurologische Auswirkungen: Chronischer Stress kann auch die Struktur und Funktion des Gehirns beeinussen, insbesondere Bereiche wie den Hippocampus, der für das Gedächtnis zuständig ist, und den präfrontalen Cortex, der kritische Denkprozesse steuert. Dies kann zu kognitiven Beeinträchtigungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisverlust führen. 44 Siehe hierzu Universität Hamburg, Einuss von Stress auf kognitive Prozesse, abgerufen am 4423.01.2025, https://www.psy.uni-hamburg.de/arbeitsbereiche/kognitionspsychologie/forschung/kognitive-prozesse.html?utm_source=chatgpt.com125

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Psychische Auswirkungen von Stress Die psychischen Auswirkungen von Stress sind ebenso signikant und können die emotionale und psychologische Gesundheit einer Person tiefgreifend beeinussen. 1. Emotionale Reaktionen: Stress führt o zu Angstzuständen, Reizbarkeit oder Depression. Die ständige Sorge oder das Gefühl der Überforderung kann zu emotionaler Erschöpfung führen. 2. Verhaltensänderungen: Unter Stress können Menschen zu ungesunden Verhaltensweisen neigen, wie erhöhtem Alkohol- und Tabakkonsum, ungesunder Ernährung und verminderter körperlicher Aktivität. Diese Verhaltensweisen können zu weiteren Gesundheitsproblemen führen und einen negativen Kreislauf verstärken. 3. Kognitive Beeinträchtigungen: Stress kann die Art und Weise beeinussen, wie wir Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen. Unter Stress können Menschen Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren, Informationen zu verarbeiten oder logische Entscheidungen zu treffen. Wir können nun sagen, dass sich Stress auf den gesamten Organismus auswirkt und kann sowohl kurzfristige als auch langfristige negative Folgen für die biologische und psychische Gesundheit haben. Ein besseres Verständnis dieser Mechanismen ist entscheidend, um wirksame Strategien zur Stressbewältigung und -prävention zu entwickeln und so die Lebensqualität betroffener Personen zu verbessern. 45Non-produktiver oder produktiver Stress? Aufgrund der obigen Diskussionen wurde deutlich, dass menschliches Verhalten in Stresssituationen dynamisch und kontextabhängig ist. Dies basiert auf der subjektiven Einschätzung des Individuums, ob eine Situation als belastend oder herausfordernd wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung wird maßgeblich durch individuelle Ressourcen, Stärken, persönliche Ziele sowie soziale und gesellschaliche Bedingungen beeinusst. Menschen streben danach, das, was ihnen wichtig ist, zu schützen. Dies umfasst den Wunsch, Verluste und Ängste zu Siehe hierzu auch das persolog® Stressmodell und die dazugehörige Zertizierung zum 45persolog® Stressmanagement Modell Basic. 126

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vermeiden und tendenziell eher positive Ergebnisse – oder Gewinne – zu erzielen. Nicht-produktiver Stress entsteht, wenn Personen das Gefühl haben, dass ihre verfügbaren Ressourcen bedroht sind und potenziell verloren gehen könnten. Dies löst Unbehagen aus, das sich zu Stress und später zu unterschiedlichen Konikten entwickeln kann. Die Einschätzung einer Bedrohung kann sich je nach den aktuellen emotionalen Zuständen, Motivationen und individuellen Eigenschaen wie Bedürfnissen, Erwartungen, Überzeugungen und Gewohnheiten ändern. Dieses nicht-produktive Stressverhalten resultiert aus einer ungünstigen Wahrnehmung und Bewertung des eigenen Umfeldes, die auf den zugrunde liegenden Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten basiert. Was sind die Konsequenzen? Menschen fühlen sich o abhängig und unfähig, frei zu handeln, was wiederum eine Hemmung oder sogar Lähmung ihrer eigenen Potenziale und Ressourcen zur Folge hat. Viele haben wahrscheinlich schon einmal eine solche Situation erlebt, verbunden mit dem Gefühl, unter Druck gesetzt zu sein. Dies führt zu einer koniktreichen und energieraubenden Lage. Wenn dieser Zustand anhält, resultiert daraus chronischer Stress, der erheblich das Selbstwertgefühl mindert und langfristig der Gesundheit schadet. Produktives Stressverhalten entwickelt sich aus dem Bewusstsein, über ausreichende Ressourcen zu verfügen, um Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Dies schließt explizit auch Unterstützung ein, die von Dritten bereitgestellt wird, sei es in Form von Fachwissen, emotionaler Rückendeckung oder physischer Hilfe. Die Gewissheit, auf solche Ressourcen zugreifen zu können, führt zu einer positiven psychologischen Dynamik: Sie generiert Denkmuster und Emotionen, die nicht nur Energie freisetzen, sondern auch ein Gefühl der Herausforderung und des Engagements fördern. Diese Art von Stress wirkt sich direkt verstärkend auf das Selbstwertgefühl aus. Individuen, die produktives Stressverhalten erleben, sind o von einer inneren Überzeugung getragen, dass sie wirksam handeln und positive Veränderungen herbeiführen können. Diese Überzeugung bildet die Grundlage für Selbstverstärkung – ein Prozess, bei dem Erfolgserlebnisse die Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten weiter stärken und somit eine aufwärtsgerichtete Spirale der Selbstwirksamkeit und des persönlichen Wachstums in Gang setzen. Dieser Mechanismus ist besonders in anspruchsvollen beruichen oder persönlichen Situationen von Bedeutung. Indem man produktive Stressreaktionen fördert und kultiviert, können Individuen nicht nur ihre aktuellen 127

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Herausforderungen effektiver bewältigen, sondern auch langfristig resilienter gegenüber zukünigen Stressoren werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Menschen auf identische Reize unterschiedlich reagieren, weil die Wahrnehmung und Bewertung dieser Reize subjektiv erfolgen. Jede Person analysiert eine Situation und bewertet ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten. Dabei stellt sich die zentrale Frage: 'Bin ich in der Lage, diese Situation mit meinen verfügbaren Ressourcen zu bewältigen, oder übersteigt sie meine Kräe und Fähigkeiten?’ Das Gefühl, die Kontrolle über eine Situation zu haben, stärkt das Empnden von Handlungsfähigkeit. Sollte eine Person jedoch erkennen, dass die Anforderungen einer Situation ihre Kapazitäten übersteigen, wird sie wahrscheinlich externe Hilfe suchen. Dieses proaktive Vorgehen ist ein Indiz für effektive Selbststeuerung, die jedoch nur möglich ist, wenn man sich seiner eigenen Ressourcen vollständig bewusst ist. Die Verfügbarkeit und das bewusste Management dieser Ressourcen sind somit Schlüsselaspekte im Umgang mit Stress und spielen eine entscheidende Rolle bei der Koniktbewältigung. Das Erkennen und Einschätzen der eigenen Ressourcen sowie die Entwicklung von Strategien zur effektiven Bewältigung sind Fähigkeiten, die erlernt und kontinuierlich verbessert werden müssen. Sie sind essenziell, um in herausfordernden Situationen kompetent und selbstbestimmt handeln zu können. Belastungsanalyse im Coaching Wenn ein Coachee zu dir in die Praxis kommt, ist es mehr als wahrscheinlich, dass er von zahlreichen Stressoren und belastenden emen geplagt wird. Diese Stressoren sind häug so miteinander verwoben, dass es dem Coachee schwerfällt, klar zu erkennen, was genau ihn belastet und welche Prioritäten gesetzt werden sollten. Hier ist es entscheidend, Klarheit zu schaffen und eine systematische Analyse der belastenden Faktoren vorzunehmen. Die Belastungsanalyse ist ein wertvolles Werkzeug, um dem Coachee zu helfen, seine Stressoren zu identizieren und ein Verständnis darüber zu entwickeln, welche emen den größten negativen Einuss auf sein Wohlbenden haben. Diese Analyse führt zu einer klaren Priorisierung und legt den Fokus auf die wichtigsten emen, die im Coaching-Prozess bearbeitet werden sollen. 128

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Was ist eine Belastung? Eine Belastung beschreibt eine Situation, ein Gedankenkonstrukt oder ein Ereignis, das Stress und negative Gefühle auslöst. O werden diese unangenehmen Gefühle verdrängt, anstatt sich ihnen bewusst zu stellen. Doch auch wenn man sie unterdrückt, wirken diese Stressfaktoren weiter im Hintergrund und manifestieren sich u. a. durch ständige Gedankenkreisläufe, die das Gefühl von Überforderung verstärken. Viele Coachees berichten davon, dass sie im Alltag o unwillkürlich an ihre Stressfaktoren denken – wie auf Autopilot kreisen ihre Gedanken immer wieder um bestimmte emen oder Situationen. O sind es auch innere Überzeugungen wie „ich sollte…“ oder „ich müsste…“, die innere Vorwürfe erzeugen und den Coachee zunehmend träge und handlungsunfähig werden lassen. Diese sich selbst verstärkenden Gedankenmuster blockieren den Coachee und führen dazu, dass er immer mehr Energie auringen muss, um Dinge zu erledigen, die er eigentlich vermeiden möchte. Der Prozess der Belastungsanalyse hil dabei, diese verborgenen Stressfaktoren ans Licht zu bringen, sie zu benennen und sie in eine strukturierte Prioritätenliste zu überführen. Ziel ist es, dem Coachee Klarheit zu verschaffen und gemeinsam herauszuarbeiten, welche Belastungen im Coaching zuerst bearbeitet werden sollten, um spürbare Erleichterung zu schaffen. Belastungsanalyse: Eine strukturierte Methode Um eine Belastungsanalyse effektiv durchzuführen, kann folgende Tabelle genutzt werden. Diese hil dem Coachee, seine Stressoren zu benennen, deren Intensität zu bewerten und mögliche Lösungsansätze zu entwickeln. Durchführung der Belastungsanalyse 1. Belastungen identizieren: Der Coachee listet alle Situationen, Gedanken oder Ereignisse auf, die ihn belasten. 2. Gefühle und Gedanken festhalten: Der Coachee beschreibt die Gefühle und Gedanken, die mit diesen Belastungen verbunden sind, um Klarheit darüber zu gewinnen, wie stark sie ihn beeinussen. 129

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3. Belastungsgrad bewerten: Jede Belastung wird auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet, um festzustellen, wie stark sie den Coachee belastet. 4. Lösungsansätze entwickeln: Gemeinsam mit dem Coach werden mögliche Lösungsansätze entwickelt, um diese Belastungen zu reduzieren. 5. Prioritäten setzen: Schließlich werden die Belastungen nach ihrer Dringlichkeit priorisiert, um im Coaching-Prozess den Fokus auf die wichtigsten emen zu legen. Beispiel: Man kann bereits anhand der Tabelle sehen, dass eine Belastungsanalyse ein nützliches Tool ist, um Klarheit über die Belastungen zu schaffen, denen der BelastungsfaktorenGefühle & GedankenGrad der Belastung (1–10)Mögliche LösungsansätzePriorität (hoch/mittel/niedrig)Arbeit (hohe Arbeitsbelastung)„Ich schaffe es nicht, alles rechtzeitig zu erledigen.“8Aufgaben delegieren, klare Zeitpläne, PriorisierungHochFamilienkonikte„Ich fühle mich schuldig, weil ich zu wenig Zeit für meine Familie habe.“6Klare Absprachen, gemeinsame Zeit einplanenMittelFehlende Selbstfürsorge„Ich komme nie dazu, mich zu entspannen oder Sport zu machen.“7Feste Selbstfürsorge-Routinen einplanenHochFinanzielle Unsicherheit„Ich mache mir ständig Sorgen um meine nanzielle Zukun.“5Budget erstellen, Sparplan aufstellenMittelGesundheits-probleme„Ich habe wenig Energie, fühle mich o erschöp.“9Arztbesuch, Gesundheits-vorsorge, mehr BewegungHoch130

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Coachee ausgesetzt ist. Sie hil dabei, das Coaching effektiv zu strukturieren und gezielt an den größten Stressfaktoren zu arbeiten, um den Coachee zu entlasten und seine Lebensqualität zu steigern. Ziele beim Coaching zur Stressbewältigung Im Coaching-Prozess, wenn es um Stressbewältigung geht, ist das übergeordnete Ziel, den Klienten dazu zu befähigen, seine eigenen Stressursachen klar zu identizieren und Strategien zu entwickeln, um diesen gezielt entgegenzuwirken. Ein entscheidender Aspekt dabei ist, dem Klienten zu helfen, seine persönlichen Wahlmöglichkeiten (Choice) zu erweitern. Das bedeutet, dass der Klient lernt, aus einem größeren Repertoire an Bewältigungsstrategien zu wählen, die ihm in belastenden Situationen zur Verfügung stehen. Der Coach unterstützt den Klienten dabei, diese neuen Wahlmöglichkeiten nicht nur zu erkennen, sondern sie allmählich in sein Alltagsverhalten zu integrieren, sodass sie zu seinen eigenen, verlässlichen Bewältigungsmechanismen werden. Indem der Klient neue Perspektiven und Handlungsspielräume in belastenden Situationen entdeckt, eröffnet sich ihm die Chance, mit Herausforderungen exibler und ressourcenorientierter umzugehen. Je mehr der Klient in der Lage ist, die Ursachen seines Stresses bewusst zu ltern und die Einussfelder von Choice (Wahlmöglichkeiten) und Chance (neue Chancen zur Stressbewältigung) zu erweitern, desto mehr Denk- und Handlungsoptionen stehen ihm zur Verfügung. Dadurch wird er befähigt, seinen Stress langfristig zu managen, indem er gesündere und individuell angepasste Strategien entwickelt, die zu einem ausgeglicheneren und gesünderen Leben führen. Im folgenden möchte ich dir fünf wesentliche Stressverhaltensmuster aufzeigen. Diese fünf Stressverhaltensmuster verdeutlichen, wie tief verwurzelte Glaubenssätze das Verhalten in Stresssituationen beeinussen. Im Coaching-Prozess ist es wichtig, diese Muster zu erkennen und gemeinsam mit dem Klienten alternative Denkmuster zu entwickeln, die eine gesündere Reaktion auf Stress ermöglichen. Durch das Bewusstmachen dieser Denkmuster kann der Klient beginnen, neue Handlungsoptionen zu erarbeiten und seinen Stress langfristig besser zu bewältigen. 131

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Fünf Stressverhaltensmuster Menschen reagieren unterschiedlich auf Stresssituationen, und o sind es tief verankerte Glaubenssätze und Denkmuster, die ihre Stressreaktionen prägen. Diese stressfördernden Denkmuster manifestieren sich in bestimmten Verhaltensweisen, die den Stress verstärken, anstatt ihn zu lindern. Im Coaching-Prozess ist es entscheidend, diese Muster zu erkennen, um dem Klienten dabei zu helfen, seine Stressquellen besser zu verstehen und alternative Denkweisen zu entwickeln. 1. Das ‚Sei-Perfekt-Denken‘ Menschen mit diesem Denkmuster glauben, dass Perfektion in jeder Situation unerlässlich ist. Sie denken: „Es ist nicht akzeptabel, wenn ich eine Arbeit nicht schaffe“ oder „Es gibt nichts Schlimmeres als Fehler zu machen.“ Andere typische Glaubenssätze sind: „Ich muss immer für meinen Betrieb da sein“ und „Auf mich muss hundertprozentiger Verlass sein.“ Diese Überzeugungen erzeugen enormen Druck und führen o zu Überlastung und Stress, da Perfektion unerreichbar ist und ständig hohe Anforderungen an die eigene Leistung stellt. 2. Das ‚Sei-Beliebt-Denken‘ Menschen, die diesem Denkmuster folgen, streben danach, von allen gemocht zu werden und Konikte zu vermeiden. Typische Glaubenssätze sind: „Ich will andere nicht enttäuschen“ oder „Es ist schrecklich, wenn mir andere böse sind.“ Sie denken auch: „Ich muss mit allen Menschen gut auskommen“ oder „Es ist schlimm, wenn andere mich kritisieren.“ Diese Haltung führt dazu, dass sie o ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen und sich überlasten, nur um den Erwartungen anderer gerecht zu werden. 3. Das ‚Sei-Stark-Denken‘ Dieses Denkmuster zeichnet sich dadurch aus, dass der Betroffene glaubt, immer stark und unabhängig sein zu müssen. Typische Gedanken sind: „Am liebsten mache ich alles selbst“ oder „Starke Menschen brauchen keine Hilfe.“ Sie sind überzeugt, dass „Wenn ich mich auf andere verlasse, dann bin ich verlassen“ und „Ohne mich geht nichts.“ Diese Überzeugungen führen dazu, dass diese Menschen keine Hilfe annehmen und sich o überfordern, da sie glauben, alles allein bewältigen zu müssen.. 132

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4. Das ‚Sei-Vorsichtig-Denken‘ Menschen mit diesem Denkmuster sind stets darum bemüht, Risiken zu vermeiden und alles unter Kontrolle zu haben. Sie denken: „Es ist schlimm, wenn etwas nicht so verläu, wie ich es plante“ oder „Ich muss alles unter Kontrolle haben.“ Typische Glaubenssätze sind auch: „Bei Entscheidungen muss ich mir hundertprozentig sicher sein“ und „Ich muss ständig daran denken, was alles passieren könnte.“ Diese Vorsicht führt zu einer ständigen Anspannung und verhindert Flexibilität im Umgang mit neuen oder unvorhergesehenen Situationen. 5. Das ‚Kann-ich-nicht-Denken‘ Menschen, die diesem Denkmuster folgen, zweifeln an ihrer eigenen Fähigkeit, Herausforderungen zu bewältigen. Typische Glaubenssätze sind: „Ich halte das nicht durch“ oder „Ich werde versagen.“ Sie denken auch: „Ich schaffe das nicht“ und „Ich halte diesen Druck nicht aus.“ Andere Gedanken wie „Probleme und Schwierigkeiten sind einfach nur fürchterlich“ oder „Man wird mir aufgrund meiner Krankheit kündigen“ verstärken das Gefühl der Ohnmacht. Solche Menschen sind überzeugt, dass „In meinem Alter nde ich keinen neuen Arbeitsplatz.“ Diese negativen Überzeugungen blockieren o jegliches Vorankommen und verstärken den Stress. Stressbewältigungsstrategien Kurzfristige Stressbewältigungsstrategien Wenn ein Klient mit akuten Stressproblemen ins Coaching kommt, ist es wichtig, zunächst rasch spürbare Verbesserungen zu erreichen. Dafür gibt es verschiedene kurzfristige Stressbewältigungsstrategien, die relativ schnell Wirkung zeigen können. Sie helfen dem Coachee, in Stresssituationen besser zurechtzukommen und sich rasch zu stabilisieren. 1. Wahrnehmungslenkung Die Wahrnehmungslenkung zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit des Klienten bewusst auf positive und stärkende Aspekte seiner Umwelt oder einer Situation zu lenken. Anstatt sich auf Stressoren und belastende Elemente zu fokussieren, lernt 133

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der Klient, seine Wahrnehmung gezielt auf Dinge, Personen oder Situationen zu richten, die ihm Freude und Hoffnung geben. Diese Technik hil, den Stressmoment zu relativieren und neue, ermutigende Perspektiven zu nden. 2. Spontanentspannung Die Spontanentspannung umfasst Techniken, die der Klient in akuten Stresssituationen anwenden kann, um sich unmittelbar zu beruhigen. Dazu gehören Atemübungen, Kurzmeditationen, Visualisierungen und Methoden wie das Autogene Training. Diese Techniken helfen, den Parasympathikus zu aktivieren und den Körper aus dem Stressmodus heraus in einen entspannten Zustand zu führen. 3. Positive Selbstgespräche Negative Gedanken und Selbstzweifel verstärken o den Stress. Positive Selbstgespräche bieten eine Möglichkeit, diese negativen Gedankenmuster zu durchbrechen und sie durch förderliche, ermutigende Aussagen zu ersetzen. Hier ist eine Tabelle mit Beispielen für positive Selbstgespräche in verschiedenen Phasen einer Stresssituation: PhaseNegative SelbstaussagePositive SelbstaussageVor der Stresssituation„Das wird nicht klappen.“„Ich lasse mich darauf ein und schaue, was passiert.“„Wie soll ich das nur schaffen?“„Auch wenn ich noch nicht weiß, wie, vertraue ich darauf, dass ich es mit dem erreiche, was ich kann.“In der Stresssituation„Ich beginne schon wieder zu zittern.“„Auch wenn ich jetzt zittere, beginne ich ruhig zu atmen. Ich beruhige mich mit jedem Atemzug.“Nach der Stresssituation„Oh mein Gott, das war total daneben. Ich habe versagt.“„Interessant, es lief besser als gedacht.“„Das hat überhaupt nicht geklappt. Was denken die nun?“„Beim nächsten Mal wird es besser. Für den Anfang war es gut, und das ist, was zählt.“134

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4. Dampf ablassen Manchmal braucht der Körper einen Ausgleich, um angestaute Energie abzubauen. Dampf ablassen durch Singen, Tanzen oder sportliche Aktivitäten ist eine einfache und effektive Methode, um Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol abzubauen. Diese Aktivitäten helfen, den Körper zu entspannen und die Stimmung zu heben. Langfristige Stressbewältigungsstrategien Langfristig geht es bei der Stressbewältigung darum, den Klienten dazu zu befähigen, nachhaltige Veränderungen vorzunehmen und Strategien zu entwickeln, die tiefgreifend wirken. Diese Strategien werden häug in der Selbstführung trainiert und gehen über kurzfristige Bewältigungstechniken hinaus. 1. Die problembezogene Strategie Die problembezogene Strategie zielt darauf ab, die eigentlichen Ursachen von Stress zu identizieren und gezielt zu bewältigen. Sie folgt einem systematischen Ansatz: •Schritt 1: Dem Stress auf die Spur kommen. •Schritt 2: Beschreibung des Problems. •Schritt 3: Ein klares Ziel denieren. •Schritt 4: Ideen zur Bewältigung sammeln. •Schritt 5: Den eigenen Weg nden. •Schritt 6: Konkrete Schritte planen. •Schritt 7: Im Alltag handeln. •Schritt 8: Bilanz ziehen. Durch diesen strukturierten Prozess wird der Klient dazu befähigt, seine stressauslösenden Probleme klar zu analysieren und Schritt für Schritt Lösungsansätze zu entwickeln. 2. Die genussbezogene Strategie Die genussbezogene Strategie fokussiert sich darauf, dem Leben regelmäßig Momente der Freude und Entspannung hinzuzufügen. Sie zielt darauf ab, bewusste Zufriedenheitserlebnisse zu schaffen, die zur Stressbewältigung beitragen: •Persönliche Neigungen und Interessen verfolgen (z.B. Musik hören, spielen). 135

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•Kleine, leicht umsetzbare Aktivitäten einplanen (z.B. lächeln). •Regelmäßigkeit fördern (z.B. wöchentlicher Kinobesuch). •Zeit mit wichtigen Menschen verbringen (z.B. Eheabend planen). Genussvolle Aktivitäten tragen dazu bei, die Energiereserven aufzufüllen und sorgen für positive Erlebnisse, die den Stresskontext ausgleichen. 3. Die körperbezogene Strategie Die körperbezogene Strategie richtet sich nach der Frage, wie der Mensch physisch auf Belastungen reagiert. Je nach Reaktionstyp gibt es unterschiedliche Entspannungstechniken: •Motorischer Reaktionstyp: Menschen, die auf Stress mit Aktivität und Unruhe reagieren, protieren von Techniken wie der progressiven Muskelentspannung. •Vegetativer Reaktionstyp: Menschen, die verzagt, ängstlich oder aggressiv auf Stress reagieren, nden Entlastung durch Autogenes Training oder Fantasiereisen. •Kognitiver Reaktionstyp: Menschen, die Stress rationalisieren und analysieren, nden in Atemtechniken eine effektive Möglichkeit, den Stress zu lindern. Diese Kombination aus kurzfristigen und langfristigen Stressbewältigungsstrategien bietet dem Klienten einen breiten Werkzeugkasten, um sowohl akute Stresssituationen zu bewältigen als auch langfristig eine gesündere und stabilere Lebensweise zu entwickeln. 46Zum Abschluss des Kapitels über Stress möchte ich dir die wichtigsten Hauptstressoren vorstellen, die Menschen in ihrem Arbeitsumfeld und auch im privaten Leben belasten können. Diese Stressoren haben o tiefgreifende Bezüglich Stressbewältigung und dem großen ema Stress gibt es unzählige Literatur. 46Dennoch sollen hier einige genannt werden. Siehe Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. Springer Publishing. Siehe auch Persolog GmbH. (2012). Stressmanagementtraining – Trainerleitfaden von Persolog®. Persolog GmbH. Weiterführend siehe auch Kabat-Zinn, J. (2012). Gesund durch Meditation: Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR. Fischer Taschenbuch. 136

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Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit und sind ein zentraler Ausgangspunkt für Coaching-Interventionen im Bereich der Stressbewältigung. Ein tiefes Verständnis dieser Stressoren ermöglicht es, gezielt darauf einzugehen und gemeinsam mit dem Klienten effektive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Hauptstressoren des Menschen am Arbeitsplatz 1. Übermäßige Kontrolle Menschen, die in ihrem Arbeitsumfeld mit übermäßiger Kontrolle konfrontiert sind, fühlen sich häug in ihren Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Dies führt zu einem Gefühl der Entmündigung und steigert den Stress, da das Vertrauen in ihre Fähigkeiten untergraben wird. 2. Überforderung Überforderung tritt auf, wenn die Anforderungen der Arbeit die eigenen Fähigkeiten oder Ressourcen übersteigen. Menschen fühlen sich, als könnten sie den Erwartungen nicht gerecht werden, was zu einem starken Gefühl der Überwältigung und chronischem Stress führt. 3. Mangelnde Unterstützung Ein Mangel an Unterstützung durch Vorgesetzte oder Kollegen kann das Gefühl der Isolation und Hilosigkeit verstärken. Ohne einen stabilen Rückhalt im Team fehlt den Betroffenen o die notwendige emotionale und praktische Unterstützung, um Herausforderungen erfolgreich zu meistern. 4. Starker Verantwortungsdruck Ein hoher Verantwortungsdruck, insbesondere in Bezug auf Entscheidungen, die schwerwiegende Konsequenzen haben können, belastet viele Arbeitnehmer. Das Gefühl, ständig wichtige Entscheidungen treffen zu müssen, kann zu einer Dauerbelastung führen. 137

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5. Unklare Aufgabenverteilung Wenn die Aufgabenverteilung unklar ist, führt dies häug zu Verwirrung und Missverständnissen am Arbeitsplatz. Arbeitnehmer sind unsicher, welche Aufgaben Priorität haben und wo ihre Verantwortlichkeiten liegen. Dies verursacht Stress, da Unsicherheit über die eigenen Ziele und Pichten herrscht. 6. Arbeitsplatzunsicherheit/Konkurrenzdruck In unsicheren wirtschalichen Zeiten oder in Unternehmen mit starkem Konkurrenzdruck ist die Angst vor Arbeitsplatzverlust ein ständiger Stressfaktor. Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen, erleben permanenten Druck und Sorgen um ihre beruiche Zukun. 7. Soziale Konflikte am Arbeitsplatz Konikte mit Kollegen oder Vorgesetzten, die nicht gelöst werden, können das Arbeitsklima erheblich belasten. Diese sozialen Konikte führen häug zu emotionalem Stress, der die Leistungsfähigkeit und das Wohlbenden stark beeinträchtigt. 8. Mangelnde Anerkennung Fehlende Anerkennung für geleistete Arbeit ist ein großer Stressfaktor, der das Gefühl von Frustration und Minderwertigkeit auslösen kann. Menschen, die sich nicht wertgeschätzt fühlen, neigen dazu, sich emotional von der Arbeit zu distanzieren, was den Stress weiter verstärkt. 9. Mangelnder Entscheidungsspielraum Ein geringer Entscheidungsspielraum – also das Fehlen von Autonomie und Einussmöglichkeiten – führt dazu, dass sich Menschen machtlos und eingeschränkt fühlen. Ohne die Möglichkeit, ihre Arbeitsbedingungen oder -prozesse selbst zu gestalten, erhöht sich der Stress deutlich. 138

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10. Hohe Eigenansprüche Hohe eigene Erwartungen und der Drang, ständig Bestleistungen zu erbringen, führen o dazu, dass Menschen sich selbst zu stark unter Druck setzen. Perfektionismus und der Glaube, stets alles perfekt machen zu müssen, verstärken den inneren Stress. 11. Mangelnder Handlungsspielraum Ähnlich wie beim Entscheidungsspielraum führt auch ein eingeschränkter Handlungsspielraum zu Stress, da den Betroffenen die Möglichkeit fehlt, exibel auf Veränderungen zu reagieren oder eigene Ideen in die Arbeit einzubringen. Diese Einschränkungen erzeugen ein Gefühl der Frustration und Hilosigkeit. Hauptstressoren des Menschen im privaten Umfeld 1. Beziehungsprobleme Konikte in der Partnerscha oder in der Familie können erheblichen emotionalen Stress verursachen. Kommunikationsprobleme, mangelnde Wertschätzung oder ungelöste Konikte führen o zu dauerhaen Belastungen. 2. Finanzielle Sorgen Finanzielle Unsicherheiten, Schulden oder der Druck, mit den monatlichen Ausgaben zurechtzukommen, zählen zu den häugsten Stressquellen im privaten Bereich. Diese Belastung kann sich auf alle anderen Lebensbereiche auswirken. 3. Gesundheitsprobleme Chronische Erkrankungen oder gesundheitliche Probleme – sei es bei der eigenen Person oder bei nahestehenden Familienmitgliedern – können zu einem dauerhaen Stressfaktor werden. Die Sorge um die eigene Gesundheit oder die eines Angehörigen erzeugt o anhaltende Ängste und Druck. 139

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4. Pflege von Angehörigen Die Verantwortung, sich um ältere oder kranke Familienmitglieder zu kümmern, kann eine erhebliche emotionale und physische Belastung darstellen. Der Balanceakt zwischen der Pegeverantwortung und den eigenen Bedürfnissen führt häug zu Erschöpfung und Überlastung. 5. Kindererziehung Der alltägliche Stress, der mit der Erziehung von Kindern einhergeht, sei es durch organisatorische Anforderungen, Schulstress oder Sorgen um die Zukun der Kinder, kann ein ständiger Begleiter im Leben von Eltern sein. 6. Mangel an Freizeit und Erholung Viele Menschen empnden es als belastend, dass sie zu wenig Zeit für sich selbst haben. Ständige Verpichtungen im Haushalt oder in der Familie lassen kaum Raum für Erholung und persönliche Interessen, was langfristig zu Überforderung führen kann. 7. Soziale Isolation Das Fehlen von sozialer Unterstützung oder Freundschaen kann sich negativ auf das psychische Wohlbenden auswirken. Einsamkeit ist ein häuger Stressor, der o unterschätzt wird, aber eine tiefgreifende emotionale Belastung darstellen kann. 8. Unrealistische Erwartungen an sich selbst Viele Menschen setzen sich auch im privaten Bereich unter Druck, indem sie versuchen, allen Rollen (z.B. als Partner, Elternteil oder Freund) perfekt gerecht zu werden. Diese hohen eigenen Ansprüche führen zu dauerhaer Überforderung und Stress. 9. Verlust von nahestehenden Personen Der Tod eines geliebten Menschen oder der Verlust einer engen Beziehung (z.B. durch Trennung) ist eine der schwerwiegendsten emotionalen Belastungen. 140

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Trauerprozesse und emotionale Verarbeitung können langfristig zu Stress und emotionaler Erschöpfung führen. 10. Hausarbeiten und organisatorische Verpflichtungen Der Druck, den Haushalt zu führen, organisatorische Dinge zu erledigen und für die Familie da zu sein, kann ebenfalls eine ständige Stressquelle darstellen, insbesondere wenn es wenig Unterstützung gibt. Lebensphasen und ihre Stressoren Zusätzlich zu den alltäglichen privaten Stressoren spielen verschiedene Lebensphasen eine entscheidende Rolle, da jede Phase spezische Herausforde-rungen und Stressfaktoren mit sich bringt. Adoleszenz (Jugendalter) -Identitätsndung: Jugendliche stehen unter dem Druck, ihre eigene Identität zu entwickeln und ihren Platz in der Gesellscha zu nden. Dies kann zu inneren Konikten und Stress führen, wenn sie sich nicht sicher sind, wer sie sind oder wer sie sein wollen. -Schulischer und sozialer Druck: Erwartungen von Eltern, Lehrern und Freunden, gute Leistungen zu erbringen und sich sozial zu integrieren, führen o zu hohem Druck. Jugendliche stehen häug im Spannungsfeld zwischen ihren eigenen Wünschen und den Erwartungen ihres Umfelds. -Körperliche Veränderungen: Die Pubertät bringt physische und emotionale Veränderungen mit sich, die häug zu Unsicherheiten und Unwohlsein führen. Der Vergleich mit Gleichaltrigen verstärkt diese Unsicherheiten. -Peer-Druck und Gruppenzugehörigkeit: Der Wunsch, in einer bestimmten Gruppe akzeptiert zu werden, kann zu negativen Verhaltensweisen führen. Die Angst vor Ablehnung oder Mobbing ist ein signikanter Stressfaktor. -Zukunsängste: Jugendliche sind mit Entscheidungen konfrontiert, die ihre Zukun betreffen, wie die Wahl einer Berufsausbildung oder eines Studiums. Diese Entscheidungen können überwältigend und stressbelastet sein. 141

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Junge Erwachsene -Karrierestart und beruiche Unsicherheiten: Der Einstieg ins Berufsleben ist o von Unsicherheiten begleitet, da junge Erwachsene ihre beruichen Wege nden müssen. Die Angst vor dem Scheitern oder der beruichen Erfolglosigkeit ist weit verbreitet. -Selbstständigkeit und nanzielle Unabhängigkeit: Das Streben nach nanzieller Unabhängigkeit und die Verantwortung, für sich selbst zu sorgen, können erheblichen Druck erzeugen. -Beziehungsdruck: Der Wunsch, eine stabile Partnerscha zu nden, oder die Unsicherheiten in romantischen Beziehungen führen o zu emotionalem Stress. Der Vergleich mit anderen, die bereits stabile Beziehungen oder Familien haben, verstärkt diesen Druck. Familiengründung -Elternscha und Verantwortlichkeiten: Die Geburt und Erziehung von Kindern bringen eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich. Der ständige Balanceakt zwischen Berufs- und Privatleben führt o zu chronischem Stress. -Beziehungsstress: Paare, die sich in der Familiengründung benden, sind o zusätzlichen Spannungen ausgesetzt, insbesondere in Bezug auf Kindererziehung, nanzielle Belastungen und gemeinsame Zeit. -Wohnsituation und nanzielle Belastungen: Der Auau eines Haushalts, Immobiliennanzierungen oder der Umzug in ein größeres Zuhause, um Platz für die wachsende Familie zu schaffen, erzeugen zusätzlichen Druck. Mittleres Erwachsenenalter -Karrieredruck und „Midlife-Crisis“: Menschen in dieser Phase stehen o unter dem Druck, beruich noch weiter voranzukommen oder ihre Karriereziele zu überdenken. Die „Midlife-Crisis“ ist eine häuge Stressquelle, da Menschen in dieser Phase o ihre Lebensentscheidungen infrage stellen. -Gesundheitliche Sorgen: Mit dem fortschreitenden Alter treten gesundheitliche Sorgen in den Vordergrund. Eigene Beschwerden oder die Verantwortung, sich um die Gesundheit von alternden Eltern zu kümmern, verursachen Stress. 142

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-Leeres-Nest-Syndrom: Wenn die Kinder ausziehen, erleben viele Eltern das Gefühl von Verlust und Einsamkeit. Der plötzliche Rückgang der elterlichen Verantwortung führt o zu einer Umorientierung im Leben. Übergang in den Ruhestand -Finanzielle Unsicherheiten: Die Sorge um eine stabile Altersvorsorge und die Angst vor nanziellen Engpässen belasten viele Menschen in dieser Phase. -Verlust der beruichen Identität: Der Austritt aus dem Arbeitsleben führt o zu einem Verlust der Identität, da der Beruf für viele Menschen eine wichtige Rolle für ihr Selbstverständnis spielt. -Soziale Isolation: Mit dem Ende des Berufslebens gehen auch o soziale Kontakte verloren, was zu Einsamkeit und Isolation führen kann. Alter und späte Lebensphasen -Gesundheitliche Einschränkungen: Chronische Krankheiten oder die altersbedingte Abnahme der körperlichen und geistigen Fähigkeiten sind eine große Belastung. Die Angst vor Pegebedürigkeit oder dem Verlust der Autonomie verstärkt den Stress. -Einsamkeit und Verlust: Der Verlust von Freunden und Partnern ist in dieser Lebensphase häug. Die damit verbundene Trauer und Einsamkeit können schwerwiegende psychologische Belastungen darstellen. -Abhängigkeit von anderen: Die Notwendigkeit, auf Hilfe angewiesen zu sein – sei es durch die Familie oder professionelle Pege – kann zu einem Gefühl von Hilosigkeit und Frustration führen. Abschließende Gedanken zu Stressoren und Stressbewältigung Stress ist ein unvermeidlicher Teil des Lebens, der uns in verschiedenen Formen begegnet – beruich, privat oder durch innere Anforderungen. Diese Stressoren können unser Wohlbenden beeinträchtigen, aber ebenso gibt es Wege, ihnen konstruktiv zu begegnen. Der erste Schritt in der Stressbewältigung ist das Erkennen der eigenen Stressquellen. Häug sind es nicht nur äußere Umstände, sondern auch unsere Reaktionen darauf, die Stress verstärken. Deshalb ist es wichtig, sich selbst zu reektieren und alte Denkmuster zu hinterfragen. Im 143

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Coaching geht es darum, dem Klienten zu helfen, neue Wahlmöglichkeiten und Handlungsoptionen zu entdecken. Mehr Flexibilität und Selbstwirksamkeit führen dazu, dass der Klient stressige Situationen besser bewältigen kann. Kurzfristige Techniken wie Spontanentspannung, positive Selbstgespräche und Wahrnehmungslenkung bieten schnelle Erleichterung. Langfristige Strategien wie die problembezogene und genussbezogene Bewältigung schaffen tiefere, nachhaltige Veränderungen. Diese Methoden ermöglichen es, Resilienz aufzubauen und gelassener mit Belastungen umzugehen. Ziel der Stressbewältigung ist es nicht, Stress komplett zu eliminieren, sondern zu lernen, ihn bewusst zu meistern. Mit den richtigen Werkzeugen und Strategien können wir Ruhe und Klarheit auch in herausfordernden Zeiten bewahren und den Stress für persönliches Wachstum nutzen. Nachdem wir die verschiedenen Stressoren und Methoden zur Stressbewältigung besprochen haben, macht es durchaus Sinn, das ema Gesundheit und Resilienz im Zusammenhang mit Coaching zu betrachten. Coaching stärkt Gesundheit und Resilienz Coaching ist ein spannendes Feld, das weit mehr beinhaltet, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Es hat das Potenzial, nicht nur individuelles Wachstum und persönliche Entwicklung zu fördern, sondern auch die Gesundheit positiv zu beeinussen und die Resilienz zu stärken. Lass uns gemeinsam erkunden, warum das so ist. Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, dass Coaching kein Ersatz für medizinische oder therapeutische Behandlungen ist. Die Abgrenzungen ndest du weiter vorne. Es ist vielmehr eine ergänzende Dienstleistung, die darauf abzielt, Menschen dabei zu unterstützen, ihre persönlichen und beruichen Ziele zu erreichen, indem sie ihre vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten optimal nutzen. In diesem Sinne kann Coaching präventiv wirken und dazu beitragen, dass sich Belastungsstörungen gar nicht erst manifestieren. Was ist Gesundheit? Nach dem Philosophen Friedrich Nietzsche ist Gesundheit „… dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäigungen 144

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nachzugehen.“ Ein solch niedrige Messlatte anzulegen ist für den modernen Menschen nicht mehr denkbar - obgleich viele so leben. Das deutsche Bundesministerium für Bildung, Wissenscha, Forschung und Technologie legte 1996 folgende Denition fest:„Gesundheit wird als mehrdimensionales Phänomen verstanden und reicht über den ‚Zustand der Abwesenheit von Krankheit‘ hinaus.“Eine Gesundheitsdenition der WHO bietet einen umfassenden Rahmen, um Gesundheit zu verstehen. Sie deniert Gesundheit nicht nur als Abwesenheit von Krankheit, sondern als Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens. Coaching adressiert genau diese Aspekte, indem es nicht nur die kognitive und emotionale Entwicklung fördert, sondern auch das soziale Umfeld und den Umgang mit physischen Belastungen einbezieht. Resilienz ist wichtig für uns alle Und nun möchte ich auf das Wort Resilienz kommen. Resilienz ist in der Gesundheitsvorsorge sehr wichtig, im privaten Bereich als auch im Arbeitsumfeld. In einer Zeit der steigenden psychischen Belastungsstörungen wird zusehends mehr darauf geachtet. Aber was ist das? Ganz allgemein kommt dieses Wort aus der mechanischen Lehre und beschreibt die Toleranz eines Systems. Das Wort selbst kommt aus dem lateinischen ,resilire‘ und bedeutet zurückspringen, abprallen, zu deutsch in etwa ,widerstandsfähig’. Resilienz ist die Fähigkeit eines Systems, mit Veränderungen umgehen zu können. Ein anschauliches, wenn gleich auch sehr banales Beispiel für Resilienz ist die Fähigkeit eines Stehaufmännchens. Es kann sich aus jeder beliebigen Lage wieder aufrichten und kehrt nach einer Störung immer wieder zum ‚Grundzustand‘ zurück, indem es sich wieder einpendelt. Vielleicht gehörst du auch zu diesen Menschen, die immer wieder aufstehen. Doch aufgepasst, manchmal wird es auch den Stehaufmännchen zu viel. Die Selbstregulation als Folge der Selbstreflexion Ein zentraler Begriff, der eng mit der Resilienz verbunden ist, ist die ‚Selbstregulation‘. Selbstregulation bezieht sich auf den Prozess, durch den eine Person ihre eigenen Gedanken, Gefühle, Motive und Handlungen aufgrund von intensiver Selbstreexion modiziert. Dieser Prozess beginnt mit der kritischen Betrachtung des eigenen Verhaltens und der mentalen Zustände. Darauin folgt eine bewusste Entscheidung, bestimmte Aspekte zu verändern, um bessere 145

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Ergebnisse im persönlichen und beruichen Leben zu erzielen. Selbstregulation erfordert ein hohes Maß an Selbstbewusstsein, nämlich die Fähigkeit, eigene Stärken und Schwächen realistisch einzuschätzen. Individuen, die sich selbst regulieren, erkennen ihre eigenen Fähigkeiten zur Veränderung und wenden diese zielgerichtet an. Sie setzen sich adaptive Ziele und entwickeln Strategien, um diese zu erreichen, indem sie beispielsweise ihre Emotionen effektiv managen oder ihre Verhaltensweisen anpassen. In der Praxis des Coachings ist die Förderung der Selbstregulation ein zentrales Ziel. Coaches unterstützen ihre Klienten dabei, ihre Selbstreexionsfähigkeiten zu verbessern und leiten sie an, ihre Selbstregulation effektiver zu gestalten. Dies geschieht o durch Techniken, die darauf abzielen, Selbstbewusstsein zu stärken und persönliche Verhaltensmuster kritisch zu hinterfragen. Durch diesen Prozess können Klienten lernen, autonomer zu agieren und ihre Resilienz in herausfordernden Situationen zu stärken. Die Entwicklung von Selbstregulationsfähigkeiten ist somit eine grundlegende Säule für die Erreichung persönlicher und beruicher Ziele im Rahmen des Coachings. Sie ermöglicht es Individuen, proaktiv zu handeln, statt lediglich auf externe Umstände zu reagieren. Durch die verbesserte Selbstregulation können Menschen eine höhere Lebensqualität erzielen und ihre allgemeine psychische Gesundheit verbessern. Volition als Voraussetzung der Zielerreichung Volition, oder Willenskra spielt eine entscheidende Rolle bei der Zielerreichung. Volition bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, Ziele zu setzen, sich aktiv und nachhaltig für deren Verwirklichung einzusetzen und dabei auretende Hindernisse zu überwinden. Ein Coach unterstützt seine Klienten nicht nur dabei, ihre Ziele präzise zu formulieren, sondern auch die erforderlichen Schritte zu deren Erreichung zu planen. Dies umfasst die Entwicklung von Strategien, um Motivation aufrechtzuerhalten und Rückschläge zu bewältigen. Volition ist besonders wichtig, wenn es darum geht, langfristige Ziele zu verfolgen, die eine kontinuierliche Anstrengung und Engagement erfordern. Im Coachingprozess wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, die Willenskra der Klienten zu stärken. Dazu gehört, dass Coaches Techniken vermitteln, die den Klienten helfen, ihre Aufmerksamkeit und Ressourcen gezielt auf ihre Ziele zu lenken. Das kann das Setzen von Prioritäten, das Management von Zeit und 146

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Energie und die Entwicklung von Coping-Strategien umfassen, um mit Stress und 47Frustration umzugehen. Darüber hinaus fördert ein Coach die Selbstwirksamkeit der Klienten, also den Glauben an die eigene Fähigkeit, gesetzte Ziele erreichen zu können. Dies geschieht durch die schrittweise Erreichung kleinerer Zwischenziele, die das Selbstvertrauen stärken und die Zuversicht in die eigene Leistungsfähigkeit fördern. Die Entwicklung von Volition im Coachingkontext ist also nicht nur auf die Erreichung spezischer, extern denierter Ziele ausgerichtet, sondern auch auf die persönliche Wachstums- und Entwicklungsprozesse der Klienten. Durch die Verbesserung ihrer volitionalen Fähigkeiten werden Klienten besser darauf vorbereitet, selbstständig Herausforderungen zu bewältigen und ihre beruichen und persönlichen Aspirationen erfolgreich zu verfolgen. Der Gegenspieler der Selbstregulation und Volition: Stress Nun kommen wir zum Gegenspieler von Selbstregulation und Volition: Stress! Lass uns kurz folgendes wiederholen: Stress wirkt sich sofort auf unseren geistigen, emotionalen und körperlichen Zustand und beeinusst damit unser gesamtes Wohlbenden, unser Lebensgefühl eben. Die negativen und belastenden Emotionen wirken störend auf den Herzrhythmus und das vegetative Nervensystem. So entsteht eine Inkohärenz, bzw. Disharmonie die auf der körperlichen Ebene zum einen bewirkt, dass sich die Blutgefäße verengen, der Blutdruck steigt, so dass es bei andauerndem belastenden Zustand zu Bluthochdruck kommen kann, und sich dadurch das Risiko für Schlaganfälle und Herzerkrankungen erhöht. Zum anderen bewirkt die Produktion von Stresshormonen wie Kortisol, dass gleichzeitig der DHEA (Wohfühlhormon)-Spiegel sinkt, der aber ein wichtiger Mitspieler für ein gesundes Immunsystem ist. Wenn Stresshormone im Blut sind, ist der Mensch biologisch auf Flucht Coping-Strategien bezeichnen psychologische Mechanismen und Verhaltensweisen, die 47Menschen anwenden, um mit belastenden oder stressigen Situationen umzugehen. Diese können problemorientiert sein, indem aktiv Lösungen gesucht werden, oder emotionsorientiert, um die eigene Gefühlslage zu regulieren. Siehe hierzu Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress, Appraisal, and Coping. New York: Springer. Beispiel: Eine Führungskra, die unter Zeitdruck steht, kann eine problemorientierte Coping-Strategie anwenden, indem sie Aufgaben delegiert und eine bessere Zeitplanung entwickelt. Eine emotionsorientierte Coping-Strategie wäre es hingegen, regelmäßig Atemübungen oder kurze Meditationen durchzuführen, um innere Ruhe zu bewahren.147

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programmiert und alle Funktionen die er für ein gesundes ausgeglichenes Leben benötigt, laufen auf Sparamme. Das ist auch der Grund, warum nicht nur das Sprachzentrum bei Stresssituationen nicht funktioniert sondern unsere Denkfähigkeit als auch die Kreativität sind eingeschränkt. Jedoch ist für eine wirkungsvolle Volition die Vorstellungskra, die Imagination, eine wichtige Voraussetzung. Wenn sich der Mensch zum Beispiel nicht (mehr) vorstellen kann, wie das Zielergebnis aussehen soll bzw. welche alternativen Wege bei Prozessabweichungen zu gehen sind,  so wird fast jedes Projekt am Ende scheitern. Die gesamte Kra, die der Mensch dann eingesetzt hat,  verpu, da sie weder fokussiert noch entsprechend kanalisiert werden konnte - eben mangels klarer Vorstellung und Denkfähigkeit. Geistig führt anhaltender Stress somit dazu, dass das Denken eingeschränkt wird, der Mensch ist schließlich auf Flucht und Gefahr programmiert. Mit dieser hormonellen Mischung im Blut kann man schwerlich den Nobelpreis bekommen, d h. klares oder lösungsorientiertes Denken fällt extrem schwer. Menschen funktionieren dann nur noch auf Basis von alten Überlebensprogrammen. Somit werden Fehler gemacht, Gefühle der Unzulänglichkeit im Beruf und im privaten Leben stellen sich ein, was zur weiteren Steigerung des Stressempndens führt. Eine Abwährtsspirale beginnt. Viele kennen genau diesen Prozess. Aufgrund mentaler Überlastung neigt der Mensch dann nicht selten zu unkontrollierten emotionalen Ausbrüchen. Letztendlich stellt sich das Gefühl der Fremdsteuerung ein und der Betroffene hat das Gefühl, keinen Abstand mehr zu den belastenden Ereignissen zu haben, so dass er sich schließlich völlig mit ihnen identiziert. Immer wieder die gleichen Gedanken und inneren Dialoge drehen sich im Kreise begleitet von Gefühlen, wie Angst, Hoffnungslosigkeit, gehetzt und fremdbestimmt zu sein etc. Von Lebensfreude ist dann keine Spur mehr, und somit kann man durchaus sagen: „Volition ade!“ Coaching stärkt den Menschen durch zahlreiche Interventionen Der Mensch gerät so - wie oben beschrieben - in Spannungszustände, die gerade im Life und Business Coaching durch bestimmte Interventionen aufgelöst werden. Allgemein wirken strukturiertes und analytisches (z. B. bei Karrierplanung, Zeimanagement o. ä.) als auch kreatives, rezeptives und intuitives Vorgehen (bei Sinnndung, Blockadenlösung etc.) je nach Gegebenheit und Aufgabenstellung 148

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wegweisend.Manchmal ist es auch sehr hilfreich für den Coachee,psychologische Prole einzusetzen. Schaut man sich das Ziel des Coachings an, welches die Förderung der Selbstreexion und die Selbststeuerung betri, so versteht man auch die zunehmende Wichtigkeit eines Coachings.  Ziel ist die Förderung der Selbstreexion sowie das Erreichen der selbstgesteuerten Verbesserung der Wahrnehmung, des Erlebens und Verhaltens des Coachee.Durch die gemeinsame Arbeit soll er an Klarheit, Handlungs- und Bewältigungskompetenz gewinnen, dadurch steigt das Selbstwertgefühl als auch die Zuversicht und der Stresspegel fällt. Coaching ist eine handlungsorientierte hilfreiche Interaktion durch die Veränderungs- und Selbsterkenntnisprozesse ermöglicht werden. Das humanistische Menschenbild, das wir weiter vorne schon beschrieben haben, trägt obendrein dazu bei, dass durch die Findung der eigenen Ressourcen und Lösungen das Selbstwertgefühl gesteigert wird, und somit das Gefühl der Selbstwirksamkeit gestärkt wird. Und dieses ist für die Volition und Resilienz extrem wichtig. Coaching deckt wesentliche Gesundheitsbereiche ab Zu guter Letzt möchte ich noch auf die Bereiche der Gesundheit eingehen. Diese betreffen laut WHO nun die körperliche, die geistige und die soziale Ebene. Das sind genau jene Bereiche, mit denen sich auch das Coaching beschäigt. Man mag jetzt vielleicht den Einwand bringen, die Physis wäre nicht involviert. So ist das jedoch nicht ganz, denn erstens gibt es viele Coaches die Stressbewältigungs-coachings anbieten, und da werden gerade die Atmung, diverse Entspannungs-übungen neben all den kognitiven Methoden eingesetzt, die zuallererst die körperliche Ebene involviert. Außerdem, auch wenn eine Coachin lediglich kognitive Methoden einsetzen würde, so wird sich dies, wenn diese dann greifen, auch auf den Körper auswirken. Denn Hoffnung und Zuversicht hat noch keinem geschadet, sondern stets den Menschen gestärkt.Und die soziale Ebene? Erstens ist Coaching mehr oder weniger - eigentlich meist - systemisch, und ein zufriedener Mensch, der sich selbst wieder als selbstbestimmtes und zufriedenes Mitglied in der Gesellscha wahrnimmt, hat meist keine Probleme mit seinem sozialen Umfeld und umgekehrt. 149

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Spiritualität im Coaching Spiritualität ist eine der größten Ressourcen des Menschen. Da wir beim Coaching Ressourcen orientiert arbeiten, gehört die Spiritualität natürlich dazu. Der Glaube versetzt Berge - das steht schon in der Bibel. Die Spiritualität oder der Glaube eines Menschen ist eine große und mächtige Ressource gerade in schwierigen Zeiten. In angstvollen Momenten, ungewissen Stunden und Situationen gibt man vertrauensvoll die Bitte des Schutzes und des Beistandes an eine höhere Macht ab. Oder anstattsich mit Schuldgefühlen und ewigem Grübeln zu plagen,vertraut man sicheiner schützenden und nährenden spirituellen Kra an. So können Gebete als auch das Abgeben einer Last an eine höhere Instanz („Dein Wille geschehe“) eine große Befreiung für den Menschen darstellen. Aber auchder Glaube an eine Macht, die uns zur richtigen Zeit am richtigen Ort die entscheidenden Impulse gibt, welche wir benötigen um eine wichtige Entscheidung zu geben, bringt Ruhe und Klarheit in den Alltag. Es entschleunigt und beruhigt. Und wo die Ruhe ist, da ist Kra, da kann gesehen und entschieden werden. Klar und weise. Was die Spiritualität betri, so gibt es die unterschiedlichsten Wege und höchst persönlichen Anschauungen. Dies alles darf in einer Coachingstunde besprochen und integriert werden. Denn jeder Mensch ist ein geistiges also höchst spirituelles Wesen. Das Heartmath Institut in Kalifornien hat vor vielen Jahren unter der Leitung von Doc Childre festgestellt, dass die drei wichtigsten und heilsamsten Gefühle die Dankbarkeit, die Wertschätzung als auch die Liebe sind. Wenn diese 48in unserem Gefühlsleben vorhanden sind, Atmen wir tiefer, unser Herz schlägt ruhig und die Anzeichen von negativem Stress sind nicht vorhanden. Dies wird auch bei Menschen festgestellt, die an etwas Höheres glauben als sie selbst. An eine Schöpferkra. Aber auch die Kra der Gebete, deren Heilsamkeit mittlerweile in mehreren Studien nachgewiesen sind, möchte ich erwähnen. Was bedeutet das 49aber für das Coaching? Im Coaching spielt Spiritualität eine zunehmend wichtige Siehe hierzu McCraty, R., & Childre, D. (2004). e Grateful Heart: e Psychophysiology of 48Appreciation. In R. A. Emmons & M. E. McCullough (Eds.), e Psychology of Gratitude (S. 230–255). New York: Oxford University Press. Siehe hierzu auch Jutta Beiner-Lehner (2006). Gesund durch Gebete: Die Wissenscha 49untersucht die Kra des Glaubens. In ‚Die Welt‘, Online: https://www.welt.de/print-welt/article210994/Gesund-durch-Gebete-Die-Wissenscha-untersucht-die-Kra-des-Glaubens.html150

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Rolle, insbesondere wenn es darum geht, eine ganzheitliche Sicht auf das Leben und die Arbeit einer Person zu entwickeln. Eine große Ressource Der Nutzen von Spiritualität im Coaching liegt in ihrer Fähigkeit, tiefergehende Perspektiven und Verbindungen herzustellen, die über das alltägliche Bewusstsein und rationale Überlegungen hinausgehen. 1. Erweiterung des Bewusstseins: Spiritualität kann im Coaching dazu beitragen, das Bewusstsein zu erweitern. Indem sie emen wie Sinn, Zweck und tiefergehende Verbindungen anspricht, ermöglicht sie Klientinnen, über die Oberäche ihrer unmittelbaren Anliegen und Ziele hinauszublicken und eine tiefere Verbindung zu ihren wahren Wünschen und ihrem inneren Selbst zu nden. 2. Förderung der Selbstreexion: Spiritualität regt zur Selbstreexion an, die ein zentraler Bestandteil des Coaching-Prozesses ist. Sie hil Klienten, ihre Werte, Überzeugungen und das, was ihnen wirklich wichtig ist, zu überdenken. Dies kann zu bedeutungsvolleren Zielen führen, die nicht nur auf externen Erfolgen, sondern auch auf innerem Wachstum und Zufriedenheit basieren. 3. Stressreduktion und innere Ruhe: Spirituelle Praktiken wie Meditation, Achtsamkeit und Atemübungen, die o in Coaching-Sitzungen integriert werden, können dazu beitragen, Stress zu reduzieren und ein Gefühl der inneren Ruhe zu fördern. Diese Praktiken unterstützen Klienten dabei, einen klaren Kopf zu bewahren, was besonders in Zeiten der Unsicherheit oder des Wandels von großem Wert ist. 4. Stärkung der Resilienz: Durch die Betonung der Verbundenheit mit etwas Größerem als dem individuellen Selbst kann Spiritualität im Coaching die Resilienz stärken. Klienten, die ein Gefühl der Verbundenheit mit der Welt um sie herum oder mit einer höheren Macht empnden, können Herausforderungen o leichter annehmen und überwinden, da sie sich nicht isoliert oder alleingelassen fühlen. 5. Förderung von Authentizität und Integrität: Spiritualität kann Menschen dazu ermutigen, authentischer zu leben und Entscheidungen zu treffen, die mit ihren tiefsten Werten und Überzeugungen übereinstimmen. Im Coaching-Kontext 151

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kann dies Klienten dabei helfen, Karrieren und Lebenswege zu wählen, die echtes Erfüllungsgefühl bringen, anstatt nur äußeren Erwartungen zu entsprechen. Integration von Spiritualität in das Coaching Die Integration von Spiritualität in das Coaching, ohne in den Bereich der spirituellen Beratung abzudrien, erfordert eine klare Abgrenzung und spezische Techniken. Der Schlüssel liegt darin, Klienten zu unterstützen und zu ermächtigen, ihre eigene spirituelle Perspektive zu erforschen und zu entwickeln, statt spezische spirituelle Ansichten oder Praktiken vorzuschreiben. Ansätze zur Integration Hier sind einige Ansätze, wie dies im Coaching effektiv umgesetzt werden kann: 1. Fokussierung auf die Selbstentdeckung: Im Coaching geht es primär darum, Klienten dabei zu helfen, ihre eigenen Antworten zu nden. Anstatt spirituelle Überzeugungen oder Praktiken vorzugeben, kann der Coach Fragen stellen, die die Klienten dazu anregen, über ihre eigenen spirituellen Überzeugungen nachzudenken. Fragen wie „Was gibt Ihnen in schwierigen Zeiten Kra?“ oder „Gibt es spirituelle oder philosophische Überzeugungen, die Ihnen besonders wichtig sind?“ können den Klienten helfen, ihre eigene spirituelle Ausrichtung zu erkunden und zu denieren. 2. Einsatz von Coaching-Techniken, die Selbstreexion fördern: Methoden wie achtsamkeitsbasierte Übungen, geführte Meditationen oder Journaling können in den Coaching-Prozess integriert werden, um die Selbstreexion zu fördern. Diese Techniken unterstützen die Klienten dabei, sich ihrer inneren Prozesse bewusster zu werden und eine tiefere Verbindung zu ihren eigenen spirituellen Werten und Überzeugungen herzustellen, ohne dass der Coach spezische spirituelle Richtungen vorgibt. 3. Schaffung eines offenen, wertfreien Raums: Es ist wichtig, dass der Coach eine Atmosphäre scha, in der alle spirituellen Ansichten ohne Urteil oder Voreingenommenheit willkommen sind. Dies fördert ein Umfeld, in dem Klienten sich sicher fühlen, ihre eigenen spirituellen Fragen und 152

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Überzeugungen zu erkunden. Der Coach sollte dabei als neutraler Facilitator fungieren, der die Klienten darin unterstützt, ihre eigenen spirituellen Ressourcen zu identizieren und zu nutzen. 4. Anregung zur Entwicklung eigener spiritueller Praktiken: Anstatt spezische spirituelle Praktiken vorzuschlagen, kann der Coach Klienten dazu ermutigen, eigene Rituale oder Praktiken zu entwickeln, die ihre persönlichen Überzeugungen und den Lebensstil widerspiegeln. Dies kann das Erstellen persönlicher Affirmationen, das Finden von Symbolen mit persönlicher Bedeutung oder das Entwerfen individueller Meditationen umfassen. 5. Betonung der Eigenverantwortlichkeit: Der Coach sollte stets die Eigenverantwortlichkeit des Klienten betonen. Dies bedeutet, die Klienten zu ermutigen, aktiv an ihrer eigenen spirituellen Entwicklung zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen, die ihre individuellen Bedürfnisse und Überzeugungen reektieren. Integration von Gebeten Die Einbeziehung von Gebeten in ein Coaching-Programm hängt stark von den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen des Klienten sowie dem spezischen Coaching-Ansatz ab. In einem Umfeld, das spirituelle Elemente integriert, kann das Gebet eine kravolle Ressource sein, vorausgesetzt, es wird mit Sorgfalt und unter Beachtung der Grenzen zwischen Coaching und spiritueller Beratung verwendet. Folgende Kriterien sollten beachtet werden: 1. Freiwilligkeit und Respekt: Es ist entscheidend, dass die Integration von Gebeten in den Coaching-Prozess auf Freiwilligkeit basiert und mit dem vollen Einverständnis des Klienten erfolgt. Der Coach sollte sicherstellen, dass Gebete oder spirituelle Praktiken nicht aufgezwungen werden und dass sie mit den spirituellen Überzeugungen des Klienten im Einklang stehen. 2. Unterstützende Rolle: Gebete können im Coaching als unterstützendes Tool genutzt werden, wenn sie dazu beitragen, den Klienten zu beruhigen, ihnen Kra zu geben oder ihnen zu helfen, ihre Gedanken zu zentrieren. Ein Coach kann anbieten, gemeinsam ein Gebet zu sprechen oder dem Klienten zu ermöglichen, im Rahmen der Sitzung zu beten, wenn dies als hilfreich empfunden wird. 153

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3. Anleitung zur Selbstgestaltung: Statt spezische Gebete vorzuschreiben, kann ein Coach den Klienten anleiten, eigene Gebete oder meditative Worte zu formulieren, die ihre persönlichen Hoffnungen und Sorgen widerspiegeln. Dies fördert die Selbstreexion und die persönliche Ausdruckskra, was zentrale Aspekte des Coachings sind. 4. Werkzeug zur Reexion und Zielsetzung: Gebete können auch als Reexionswerkzeuge genutzt werden, um über Ziele, Wünsche und Bedürfnisse nachzudenken. Sie können eine Quelle der Inspiration und Motivation sein, die den Klienten dabei hil, eine tiefere Verbindung zu ihren eigenen Zielen und ihrem spirituellen Selbst zu nden. 5. Einhaltung ethischer Grenzen: Es ist wichtig, dass Coaches die ethischen Grenzen respektieren, indem sie die spirituellen oder religiösen Überzeugungen des Klienten weder bewerten noch versuchen, sie zu ändern. Der Fokus sollte darauf liegen, den Klienten in seiner eigenen spirituellen Reise zu unterstützen und nicht darin, eine bestimmte religiöse oder spirituelle Agenda zu verfolgen. Während Gebete in einigen Coaching-Kontexten eine bereichernde und unterstützende Rolle spielen können, müssen sie sorgfältig und mit Sensibilität für die Überzeugungen und den Komfort des Klienten integriert werden. Coaches sollten stets darauf achten, dass ihre Praktiken die Autonomie und die persönlichen Überzeugungen der Klienten respektieren und fördern. Durch diese Ansätze kann Spiritualität auf eine Weise in das Coaching integriert werden, die die Autonomie und die persönliche Entwicklung des Klienten fördert, ohne in die direktive oder beratende Rolle einer spirituellen Beratung zu verfallen. Dies hil, die Grenzen zwischen Coaching und Beratung zu wahren und unterstützt dennoch die spirituelle Reise des Klienten auf eine unterstützende und ermächtigende Weise. Gewaltfreie Kommunikation im Coaching Gewaltfreie Kommunikation ist ein Schlüssel zu effektiver und empathischer Interaktion, und das darf beim Coaching nicht fehlen. Deshalb möchte ich dir in diesem Abschnitt die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation von Dr. 154

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Rosenberg vorstellen. Du wirst rasch erkennen, warum diese ein Schlüssel zu effektiver und emphatischer Interaktion sein kann. In meinen Ausbildungen frage ich zuerst, ob die GFK ein Bewusstsein oder eine Grundhaltung ist. Bevor du weiterliest, überlege kurz selbst einmal. GFK kann zunächst als ein Bewusstseinszustand betrachtet werden, der durch kontinuierliche Praxis und Anwendung allmählich zu einer tief verwurzelten Grundhaltung heranrei. Es ist also ein Prozess, und dieser reektiert nicht nur die Entwicklung individueller Kommunikationsfähigkeiten, sondern auch die Verinnerlichung von Empathie und Verständnis als grundlegende Elemente im Umgang mit anderen. Im Laufe dieses Buches werden wir immer wieder erkennen, wie wichtig dies für den gesamten Coachingprozess ist. Vorteile der gewaltfreien Kommunikation Die GFK bietet im Coaching-Kontext zahlreiche Vorteile, die sowohl für Coaches als auch für ihre Klienten von entscheidender Bedeutung sind. Hier eine detailliertere Betrachtung der genannten Vorteile: 1. Verbesserte Wahrnehmung von Gefühlen und Bedürfnissen: GFK schär das Bewusstsein für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse sowie die der anderen. Dies ist besonders wertvoll, da es Coaches ermöglicht, tiefer in die emotionalen und psychologischen Aspekte ihrer Klienten einzudringen. Durch das klare Erkennen und Ansprechen dieser emotionalen Zustände können Coach und Klient eff ektiv kommunizieren und gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln, die auf den wahren Bedürfnissen des Klienten basieren. 2. Zugang zur eigenen Einfühlsamkeit: Die regelmäßige Anwendung der GFK fördert die natürliche Empathiefähigkeit. Im Coaching ist diese Fähigkeit essenziell, da sie den Coaches erlaubt, sich voll und ganz auf die Situation und die Gefühlswelt des Klienten einzulassen, ohne vorschnell zu urteilen oder zu bewerten. Dies scha eine vertrauensvolle und unterstützende Umgebung, in der Klienten sich sicher fühlen, offen zu kommunizieren und an persönlichen Herausforderungen zu arbeiten. 3. Klare und aufrichtige Kontakte: Durch GFK wird die Kommunikation klarer und aufrichtiger. Dies verbessert die Qualität der Interaktionen im Coaching, indem Missverständnisse vermieden und die Intentionen und Nachrichten klar 155

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vermittelt werden. Eine offene und ehrliche Kommunikation fördert eine stärkere Beziehung zwischen Coach und Klient, was wiederum die Effektivität des Coachings erhöht. 4. Steigerung von Zufriedenheit und Wohlbenden: Die Anwendung von GFK im Coaching trägt dazu bei, das allgemeine Wohlbenden und die Zufriedenheit zu steigern. Dies geschieht durch die Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Förderung eines positiven, unterstützenden Dialogs. Klienten, die lernen, konstruktiv zu kommunizieren und Konikte effektiv zu lösen, erleben o eine höhere Lebensqualität und verbesserte Beziehungen sowohl im beruichen als auch im privaten Umfeld. Ursprünge und Philosophie der gewaltfreien Kommunikation Die GFK wurde von Dr. Marshall Rosenberg, geboren 1934 und verstorben 2015, ins Leben gerufen. Diese Kommunikationsform wurde etwa vor 35 Jahren während eines Seminars, das von Dr. Rosenberg geleitet wurde, von den Teilnehmenden erstmals so benannt und später dann auch weiterentwickelt. Dr. Rosenberg entwickelte die GFK mit der klaren Intention, eine Kommunikationsweise zu fördern, die den Auau und die Pege von Beziehungen ermöglicht, die von gegenseitiger Wertschätzung geprägt sind. Die grundlegende Philosophie der GFK beruht auf der Idee, dass der Kern erfolgreicher zwischenmenschlicher Beziehungen in der Art und Weise liegt, wie wir unsere Aufmerksamkeit fokussieren. Die entscheidende Frage, die GFK stellt, lautet: „Worauf richten wir unsere Aufmerksamkeit?“ Durch diese Frage werden die Beteiligten angehalten, sich auf positive Aspekte und konstruktive Lösungen zu konzentrieren, anstatt Konikte oder negative Emotionen in den Vordergrund zu stellen. Indem sie die Aufmerksamkeit auf Empathie, Verständnis und ehrliches Ausdrücken der eigenen Bedürfnisse lenkt, ermöglicht die Gewaltfreie Kommunikation den Auau tiefer und wertschätzender Verbindungen zu anderen. Diese Form der Kommunikation ist besonders im Coaching wertvoll, da sie hil, eine vertrauensvolle und offene Atmosphäre zu schaffen, in der Wachstum und positive Veränderung möglich sind. Tiefergehende Einblicke in die Entwicklung Zur Entwicklung des Konzepts der Gewaltfreien Kommunikation trugen entscheidend Dr. Marshall Rosenbergs persönliche Erfahrungen und akademische 156

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Begegnungen bei. Rosenberg wuchs in einer nanziell armen Familie in Detroit auf, wo er früh die Herausforderungen sozialer und ökonomischer Härten erlebte. Aber auch körperliche Gewalt seitens seines Umfeldes u. a. in der Schule, erlebte er. Ein prägendes Element seiner Kindheit war die liebevolle und wertschätzende Art, mit der seine Familie sich umeinander kümmerte, insbesondere um seine kranke Großmutter. Diese Erfahrungen vermittelten ihm tiefgreifende Einblicke in die Kra der Empathie und Mitmenschlichkeit. Trotz der o harten sozialen Umstände in Detroit, wo Rosenberg auch Gewalterfahrungen machte, beschäigte ihn die Frage, warum manche Menschen selbst unter schwierigsten Bedingungen mitfühlend bleiben. Diese Frage trieb ihn an, Wege zu erforschen, wie sich eine einfühlsame Haltung erlernen und effektiv weitergeben lässt. Im Rahmen seines Studiums der Psychologie begegnete Rosenberg einussreichen Denkern, die seine Ansichten über zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikation maßgeblich prägten. Eine dieser Begegnungen war mit Michael Hakeem, der den Zusammenhang zwischen Sprache, Denkweise und Machtausübung untersuchte. Hakeems Ideen halfen Rosenberg zu verstehen, wie Sprachmuster nicht nur die Kommunikation, sondern auch Gedanken und soziale Strukturen formen können. Ein weiterer wesentlicher Einuss war Carl Rogers, ein Pionier der humanistischen Psychologie. Rogers betonte, dass Empathiefähigkeit, Aufrichtigkeit und Gl eic hwe rt ig keit d ie w icht igs ten B e sta n dtei le e in e r he l fen den zwischenmenschlichen Beziehung sind. Diese Prinzipien übernahm Rosenberg in die Grundfesten der Gewaltfreien Kommunikation, überzeugt davon, dass eine echte Verbindung und Verständigung zwischen Menschen nur in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung und Offenheit möglich ist. Diese persönlichen und akademischen Erfahrungen führten dazu, dass Rosenberg die Gewaltfreie Kommunikation als eine Lebensweise ansah und lehrte, die die Art und Weise, wie Menschen denken, kommunizieren und sich verhalten, grundlegend verändern kann. Indem er die Prinzipien der Empathie, Authentizität und Gleichheit in den Vordergrund stellte, schuf er ein mächtiges Werkzeug, das Individuen und Gemeinschaen weltweit dabei hil, konstruktiver und friedvoller miteinander umzugehen.miteinander umzugehen. 157

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Kernannahmen der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg Aus all den Erfahrungen formulierte Dr. Marshall Rosenberg neue Annahmen, die er als Voraussetzungen für das Gelingen einer guten und friedlichen Kommunikation ansah. Diese Annahmen bilden das Fundament der gewaltfreien Kommunikation und sind entscheidend für deren praktische Anwendung sowohl im Alltag als auch in professionellen Kontexten wie dem Coaching. Unterscheidung zwischen Beobachtung und Interpretation Eine der Schlüsselannahmen der GFK ist die klare Unterscheidung zwischen Beobachtungen und Interpretationen. Beobachtungen beziehen sich auf konkrete, objektive Fakten und Geschehnisse, die frei von persönlichen Bewertungen sind. Interpretationen hingegen sind die Bedeutungen, die wir diesen Beobachtungen zuschreiben, o gefärbt durch persönliche Erfahrungen und Vorurteile. Rosenberg betonte, dass eine effektive Kommunikation erfordert, dass wir unsere Interpretationen erkennen und sie von unseren Beobachtungen trennen. Dies hil, Missverständnisse zu vermeiden und die Realität unverzerrt zu betrachten. -Beispiel 1: Nehmen wir an, ein Manager beobachtet, dass ein Mitarbeiter mehrere Tage hintereinander spät zur Arbeit kommt. Eine reine Beobachtung wäre: "Ich sehe, dass du die letzten drei Tage um 9:15 Uhr angekommen bist." Eine Interpretation könnte hingegen lauten: "Du scheinst nicht mehr motiviert zu sein." Die erste Aussage ist neutral und lässt Raum für Erklärungen, während die zweite Aussage eine Annahme enthält, die den Mitarbeiter in die Defensive drängen könnte. -Beispiel 2: Stelle dir ein Paar vor, das zusammen lebt und gemeinsam den Haushalt führt. Einer der Partner bemerkt, dass das Geschirr mehrere Tage lang nicht gespült wurde. Eine klare Beobachtung wäre: "Ich habe gesehen, dass das Geschirr seit drei Tagen nicht gespült wurde." Diese Aussage ist faktisch und beschreibt lediglich die Situation, ohne emotionale Bewertung oder Unterstellung. Eine Interpretation könnte jedoch lauten: "Du kümmerst dich nie um das Geschirr. Du denkst wahrscheinlich, es ist meine Aufgabe, immer aufzuräumen." Diese Aussage enthält eine Bewertung und Unterstellung, die auf persönlichen Annahmen und vielleicht früheren Erfahrungen basiert. Solche Interpretationen können defensives Verhalten hervorrufen und zu einem Streit 158

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führen, weil sie eine Schuldzuweisung implizieren. Durch das Festhalten an reinen Beobachtungen vermeidet man es, dem Partner Motive oder Absichten zu unterstellen, die nicht explizit geäußert wurden. Dies öffnet den Weg für eine sachliche Diskussion über Haushaltspichten ohne unnötige emotionale Eskalation. Der fokussierte Dialog kann dann dazu beitragen, gemeinsame Lösungen zu nden und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Indem man Beobachtungen und Interpretationen trennt, ermöglicht man es dem Gesprächspartner, auf der Basis von konkreten Fakten zu reagieren, statt sich gegen subjektive Bewertungen verteidigen zu müssen. Dies fördert ein Verständnis für die Perspektiven der anderen und erleichtert eine Lösungsndung, die für alle Beteiligten akzeptabel ist. Es hil auch dabei, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit zu schaffen, in der offene und ehrliche Kommunikation möglich ist. In der GFK ist es daher entscheidend, dass die Kommunikationspartner lernen, ihre eigenen Interpretationen als solche zu erkennen und sie explizit von Beobachtungen zu trennen. Dies trägt dazu bei, die eigenen Gedanken und Gefühle besser zu verstehen und gleichzeitig die Sichtweisen anderer anzuerkennen und zu respektieren. Durch diese Praxis werden die Grundlagen für eine gewaltfreie und konstruktive Kommunikation gelegt. Die Fähigkeit, Beobachtungen von Interpretationen zu unterscheiden, ist besonders wichtig im Coaching, da sie die Qualität und Effektivität des Coachings wesentlich beeinusst. Hier sind einige Gründe, warum diese Unterscheidung im Coaching-Kontext von zentraler Bedeutung ist: 1. Fördert eine klare Kommunikation: Im Coaching ist es entscheidend, dass die Kommunikation zwischen Coach und Klient so klar und unmissverständlich wie möglich ist. Wenn Coaches lernen, ihre Beobachtungen von persönlichen Interpretationen zu trennen, können sie Informationen neutral und objektiv weitergeben. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen und ermöglicht es dem Klienten, sich auf die wesentlichen Aspekte seiner eigenen Entwicklung und Problemlösung zu konzentrieren. 2. Scha ein vertrauensvolles Umfeld: Ein Coach, der sich auf neutrale Beobachtungen statt auf subjektive Interpretationen stützt, scha eine sicherere und vertrauensvollere Umgebung. Klienten fühlen sich weniger beurteilt und sind eher bereit, offen über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen. Dies ist 159

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besonders wichtig, da ein vertrauensvolles Verhältnis die Grundlage für effektives Coaching darstellt. 3. Unterstützt die Selbstreexion des Klienten: Indem Coaches klare Beobachtungen kommunizieren und Interpretationen vermeiden, ermutigen sie Klienten dazu, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen und selbstreektierend zu handeln. Dies stärkt die Fähigkeit des Klienten zur Selbstregulation und Selbstbestimmung, wichtige Kompetenzen für persönliches Wachstum und Entwicklung. 4. Erleichtert die Zielklärung: Im Prozess der Zielndung ist es wichtig, dass Klienten lernen, ihre Situation realistisch einzuschätzen. Coaches, die klar zwischen Beobachtung und Interpretation unterscheiden, helfen ihren Klienten, ihre wahren Bedürfnisse und Wünsche zu identizieren, ohne von vorgefassten Meinungen oder Bewertungen beeinusst zu werden. Dies führt zu realistischeren und erreichbareren Zielen. 5. Hil bei der Koniktlösung: Im Coaching können Konikte sowohl intern (innerhalb des Klienten) als auch extern (in der Interaktion mit anderen) aureten. Ein Coach, der Beobachtungen von Interpretationen trennen kann, ist besser in der Lage, den Klienten zu unterstützen, die Ursachen von Konikten objektiv zu analysieren und effektive Lösungsstrategien zu entwickeln. 6. Fördert das kritische Denken: Ein wesentlicher Bestandteil des Coachings ist es, Klienten dazu zu bringen, ihre Denkprozesse zu hinterfragen und zu verbessern. Durch das klare Trennen von Fakten und persönlichen Deutungen werden Klienten angeregt, kritischer und differenzierter zu denken, was für die Lösung von Problemen und die persönliche Entwicklung unerlässlich ist. Respekt vor der individuellen Sichtweise und Erfahrung Ein weiterer zentraler Punkt ist der Respekt vor der individuellen Perspektive jedes Einzelnen. Jeder Mensch erlebt und interpretiert die Welt auf seine eigene, einzigartige Weise. Diese Vielfalt der Erfahrungen anzuerkennen bedeutet, jede Perspektive als gültig und berechtigt zu sehen, ohne sie vorschnell zu bewerten oder abzulehnen. Dies fördert ein Umfeld der Akzeptanz und des Verständnisses, das für konstruktive und empathische Interaktionen unerlässlich ist. 160

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Empathisches Zuhören Empathisches Zuhören ist eine weitere Grundlage der GFK. Es geht darum, dem Gegenüber mit voller Aufmerksamkeit und Offenheit zu begegnen, um wirklich zu verstehen, was die andere Person fühlt und benötigt. Dieses tief gehende Verständnis erfordert, dass wir unsere eigenen Gedanken und Urteile vorübergehend zurückstellen, um uns ganz auf die Erfahrungen und Emotionen des anderen einzulassen. Empathisches Zuhören scha eine Brücke der Verbindung und des Mitgefühls, die essentiell für die Lösung von Konikten und das Schaffen von Nähe ist. Ehrliche Selbstkundgabe Die ehrliche Selbstkundgabe ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der GFK. Es bedeutet, offen und authentisch über die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Diese Transparenz ermöglicht es anderen, ein klares Verständnis für unsere Positionen und Wünsche zu entwickeln. Ehrlichkeit in der Selbstkommunikation fördert Vertrauen und Respekt in zwischenmenschlichen Beziehungen und ist grundlegend für das Auauen von echtem Verständnis und Kooperation. Diese vier Kernannahmen der Gewaltfreien Kommunikation helfen dabei, Kommunikationsmuster zu transformieren und fördern eine Kultur der Achtsamkeit und des Respekts. Sie sind nicht nur theoretische Konzepte, sondern praktische Werkzeuge, die tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Interaktionen und unser soziales Zusammenleben haben können. Im folgenden möchte ich nun die drei Säulen der GFK erläutern. Die drei Säulen der Gewaltfreien Kommunikation Die GFK stützt sich auf drei fundamentale Säulen, die zusammen ein starkes Gerüst für effektive und empathische Interaktionen bilden. Diese Säulen sind: einfühlsames Zuhören, Selbstempathie und achtsamer sowie ehrlicher Selbstausdruck. Jede dieser Säulen spielt eine entscheidende Rolle im Prozess der GFK und trägt dazu bei, Verständnis und Verbindung zwischen den Kommunikationspartnern zu fördern. Im Folgenden wird erläutert, wie jede dieser Säulen die Prinzipien der GFK verkörpert und praktisch umgesetzt wird. 161

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Einfühlsames Zuhören Einfühlsames Zuhören bildet eine der grundlegenden Säulen der GFK und ist essentiell für ein gutes menschliches Zusammenleben. Diese Praxis basiert auf der Fähigkeit, echtes gegenseitiges Verständnis zu fördern, wobei wichtig zu betonen ist, dass Verstehen nicht unbedingt Zustimmung impliziert. Es geht vielmehr darum, die Perspektive des anderen zu erkennen und zu akzeptieren, dass jede Person triige Gründe für ihr Handeln hat. Dieses Verständnis ermöglicht es, den Umfang der Möglichkeiten zu erweitern, um die vorhandenen Bedürfnisse in eine effektive und zufriedenstellende Lösung zu integrieren. Einfühlsames Zuhören erfordert eine tiefe Präsenz und Aufmerksamkeit gegenüber dem Gegenüber. Es bedeutet, ganz bei der anderen Person zu sein, sich in deren Gefühlswelt einzufühlen und emotional mitzuschwingen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Aussagen des Gegenübers auch logisch einordnen zu können, um ein vollständiges Bild der kommunizierten Inhalte zu erfassen. Diese Art des Zuhörens ermöglicht es, nicht nur die expliziten Aussagen zu verstehen, sondern auch die impliziten Bedürfnisse und Emotionen, die möglicherweise nicht direkt ausgedrückt werden. Im Kontext des Coachings ist einfühlsames Zuhören von besonderer Bedeutung. Coaches, die diese Fähigkeit beherrschen, können eine tiefe Verbindung zu ihren Klienten auauen und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit schaffen. Durch aktives und empathisches Zuhören entsteht ein Raum, in dem Klienten sich verstanden und wertgeschätzt fühlen, was wiederum die Grundlage für effektive und transformative Coaching-Prozesse bildet. Die Qualität des Kontakts, die durch einfühlsames Zuhören im Coaching entsteht, wird o als besonders berührend und vertrauensbildend erlebt. Dies fördert nicht nur die persönliche Entwicklung des Klienten, sondern auch die Fähigkeit, eigene Lösungen zu  nden und umzusetzen, was letztendlich zu einer höheren Lebensqualität und Zufriedenheit führt. Selbstempathie Selbstempathie ist ein unverzichtbarer Kompass für ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben. Sie bildet die Grundlage für innere Ausgeglichenheit und ermöglicht ein authentisches Aureten gegenüber anderen. Die meisten unserer 162

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inneren Dialoge – die Zwiegespräche, die wir mit uns selbst führen – sind von Gefühlen, Bedürfnissen, Bewertungen und Glaubenssätzen geprägt. Selbst die kleinsten Missgeschicke können schnell zu negativer Selbstkritik führen, bei der wir harte Urteile über uns selbst oder andere fällen. Selbstempathie ist ein bedeutender Akt der Psychohygiene, der zu einem besseren Verständnis der eigenen Person führt. Sie hil, das innere Gefühlschaos zu ordnen und die tieferen Bedürfnisse hinter den eigenen Gefühlen zu erkennen. Diese Selbsterkenntnis motiviert zu ersten Schritten in Richtung guter Lösungen. Durch Selbstempathie erkennt eine Person, in welchen Angelegenheiten sie für sich selbst sorgen kann und wo sie um Hilfe bitten sollte. Gegenüber anderen kann sie sich klarer ausdrücken und auch Grenzen setzen. Im Coaching-Kontext ist Selbstempathie besonders wertvoll. Coaches können ihre Klienten anleiten, Fragen wie "Was fühlen Sie dabei, wenn Sie an diese Situation denken?" oder "Was brauchen Sie, um sich sicher/verstanden/akzeptiert zu fühlen?" zu reektieren. Solche Fragen fördern die Selbstwahrnehmung und -reexion, was für das Erreichen persönlicher Ziele und die Verbesserung der Lebensqualität entscheidend ist. Beispielha könnte ein Coaching-Dialog folgendermaßen aussehen: Ein Klient äußert Frustration über seine Arbeitsbedingungen. Der Coach könnte fragen: „Was genau löst diese Frustration aus?“ und weiterführen mit „Was brauchen Sie, um sich an Ihrem Arbeitsplatz wohler zu fühlen?“ Solche Fragen helfen dem Klienten, seine eigenen Bedürfnisse und Emotionen besser zu verstehen und konkrete Schritte zur Verbesserung seiner Situation zu entwickeln. Durch die Praxis der Selbstempathie können Menschen lernen, sich selbst mit derselben Sensibilität und Fürsorge zu begegnen, die sie auch anderen entgegenbringen würden. Dies fördert nicht nur die persönliche Entwicklung und das Wohlbenden, sondern stärkt auch die Fähigkeit, effektiv und konstruktiv mit anderen zu kommunizieren. Achtsamer und ehrlicher Selbstausdruck Die dritte Säule der GFK, der achtsame und ehrliche Selbstausdruck, fokussiert sich darauf, wie Individuen ihre Bedürfnisse und Gefühle kommunizieren, ohne dabei auf Kosten anderer zu agieren. Bevor wir tiefer in das Konzept des achtsamen und ehrlichen Selbstausdrucks eintauchen, ist es wichtig, das Verständnis von "Gewalt" im Kontext der GFK zu klären. 163

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Was bedeutet ‚Gewalt’ in der gewaltfreien Kommunikation? Gewalt in der GFK wird deniert als jegliches Verhalten, bei dem Menschen ihre Bedürfnisse auf Kosten anderer erfüllen. In Gesprächen manifestiert sich Gewalt häug durch Urteile, Schuldzuweisungen, Forderungen, Druck und Zwang. Solche Kommunikationsformen schaffen ein aggressives Gesamtklima und fördern eine Kultur der Verantwortungsablehnung, in der Menschen sich hinter Anweisungen wie "Du musst" oder "Du sollst" verstecken, um ihre eigene Dialogunfähigkeit zu verschleiern. Im Gegensatz zu gewaltvoller Kommunikation, fördert die GFK eine Kommunikationsweise, bei der Individuen Verantwortung für ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse übernehmen. Dies bricht die Spirale der Schuldzuweisungen und ermöglicht es, Bedürfnisse in einer klaren, verständlichen Sprache zu äußern. Der Fokus liegt nicht auf dem Austausch von Nettigkeiten, sondern auf dem Auau einer wertschätzenden Verbindung. Achtsamer und ehrlicher Selbstausdruck bedeutet, von sich selbst zu sprechen, statt andere anzugreifen oder zu verurteilen. Dies kann durch Ich-Botschaen erfolgen, die die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ohne Vorwürfe und Bewertungen kommunizieren. Ein Beispiel hierfür könnte sein: „Ich fühle mich überfordert, wenn ich viele Überstunden machen muss. Ich brauche mehr Ausgleich, um effektiv arbeiten zu können.“ Diese Art des Ausdrucks hil, die eigene Verletzlichkeit und Bedürfnisse offen zu legen, ohne andere für das eigene Empnden verantwortlich zu machen. Im Coaching ist der achtsame und ehrliche Selbstausdruck besonders wichtig. Coaches können ihre Klienten anleiten, ihre Gedanken und Gefühle auf eine Art und Weise zu formulieren, die Eigenverantwortung betont und gleichzeitig empathisch bleibt. Indem Klienten lernen, ihre Bedürfnisse klar und ohne Aggression zu kommunizieren, verbessern sie ihre zwischenmenschlichen Beziehungen und fördern ein Umfeld der Offenheit und des gegenseitigen Respekts. Durch die Praxis des achtsamen und ehrlichen Selbstausdrucks entwickeln Menschen ein tieferes Verständnis für ihre eigenen emotionalen Landschaen und erlangen die Fähigkeit, konstruktiv und respektvoll zu kommunizieren. Dies bildet die Grundlage für dauerhae, erfüllende Beziehungen sowohl im privaten als auch im beruichen Kontext. 164

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Rosenbergs Konzept der Wolfs- und Giraffensprache Rosenberg verwendete die Metaphern von Wolf und Giraffe, um zwei grundverschiedene Arten der Kommunikation zu illustrieren. Diese Metaphern helfen, das Wesen der GFK auf eine einfache und verständliche Weise zu vermitteln und zu verstehen, welche Form der Kommunikation in bestimmten Situationen effektiver ist. Die Wolfsprache symbolisiert eine Art der Kommunikation, die auf Urteilen, Bewertungen und Analysen basiert. Personen, die in der Wolfsprache kommunizieren, richten ihre Aufmerksamkeit o darauf, was sie zu wissen glauben. Sie verwenden Aussagen wie "Das ist gut", "Das ist unfair", "Du bist schuld", oder "Ich bin nicht gut genug". Diese Sprache beinhaltet sowohl positive als auch negative Urteile und ist charakterisiert durch die Tendenz, sich selbst und andere zu beurteilen und zu verurteilen. Obwohl sie manchmal auch positive Bewertungen umfassen kann ("Du bist genial", "Er ist ein Gewinner"), schränkt sie dennoch die Kommunikation ein, da sie auf festen Überzeugungen und Annahmen beruht, die o nicht hinterfragt werden. Im Gegensatz dazu steht die Giraffensprache, die Rosenberg als Sprache des Herzens bezeichnet. Diese Kommunikationsform konzentriert sich auf Bedürfnisse, Gefühle und Werte. Menschen, die Giraffensprache sprechen, fragen sich "Was brauche ich?", "Was hätte ich gerne?" oder "Was ist mir wichtig?". Sie betrachten Situationen und Beziehungen im Lichte dieser Bedürfnisse und Werte und treffen Entscheidungen basierend darauf, ob etwas im Einklang mit diesen Bedürfnissen und Werten steht. Diese Art der Kommunikation fördert ein tiefes Verständnis für sich selbst und andere, da sie darauf abzielt, die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen, ohne andere zu bewerten oder zu kritisieren. Im Coaching-Kontext ist es besonders wichtig, die Giraffensprache zu verwenden. Coaches, die als ‚Giraffen' agieren, sind in der Lage, eine tiefere und empathischere Beziehung zu ihren Klienten aufzubauen. Sie ermöglichen einen sicheren Raum, in dem Klienten ihre wahren Bedürfnisse und Werte erkunden können, ohne Angst vor Bewertung oder Kritik. Indem der Coach die Giraffensprache nutzt, wird den Klienten geholfen, ihre eigenen Bedürfnisse klarer zu artikulieren und Lösungen zu nden, die wirklich zu ihrem Wohlbenden beitragen. Die Anwendung der Giraffensprache im Coaching unterstützt nicht nur den individuellen Wachstumsprozess der Klienten, sondern fördert auch eine 165

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Kommunikationskultur, die auf Verständnis, Respekt und gegenseitiger Wertschätzung basiert. Coaches, die diese Sprache beherrschen, sind effektiver in der Lage, transformative Veränderungen bei ihren Klienten zu bewirken. Sie leiten ihre Klienten an, über das Erkennen und Erfüllen von Bedürfnissen zu handeln, was letztendlich zu dauerhaer Zufriedenheit und Erfolg führt. Und nun schauen wir uns die Schlüsselunterscheidung nämlich das Modell der vier Schritte der GFK an. Das Modell der vier Schritte Das Modell der GFK von Marshall Rosenberg ist auf vier Schlüssel-unterscheidungen aufgebaut, die helfen, Klarheit in der Kommunikation zu schaffen und effektive, empathische Interaktionen zu fördern. Diese vier Schritte sind essentiell, um die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen zu verstehen und konstruktiv zu gestalten. Unterscheidung zwischen Beobachtung und Bewertung Der erste Schritt der GFK fordert dazu auf, klare Beobachtungen von persönlichen Bewertungen zu trennen. Eine Beobachtung sollte konkret und spezisch sein, ohne Vermischung mit Interpretationen oder Urteilen. Zum Beispiel: Statt zu sagen, "Du bist immer so unordentlich", eine reine Beobachtung wäre, "Ich sehe, dass die Bücher und Kleider auf dem Boden liegen". Diese Art der Äußerung bleibt frei von Bewertung und ermöglicht es dem Gegenüber, auf die Fakten zu reagieren, ohne sich angegriffen zu fühlen. Wir hatten vorher bereits detailliert über die Unterscheidung zwischen Beobachtung und Interpretation bei den Kernannahmen der GFK gesprochen. Unterscheidung zwischen Gefühlen und Gedanken Der zweite Schritt unterscheidet zwischen Gefühlen und den damit verbundenen Gedanken oder Bewertungen. In der GFK ist es wichtig, eigene Gefühle klar zu identizieren und auszudrücken, ohne sie mit Gedanken zu vermischen, die o Urteile enthalten können. Beispielsweise könnte man sagen, "Ich fühle mich besorgt", anstatt "Ich denke, du nimmst mich nicht ernst". Diese Unterscheidung 166

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hil dabei, die eigene emotionale Reaktion zu klären und authentisch zu kommunizieren. Unterscheidung zwischen Bedürfnissen und Strategien Der dritte Schritt macht einen Unterschied zwischen den grundlegenden Bedürfnissen und den Strategien, die wir wählen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. O verwechseln Menschen die Strategie mit dem Bedürfnis selbst, was zu Konikten führen kann. Zum Beispiel, das Bedürfnis nach Nähe kann durch verschiedene Strategien wie gemeinsame Zeit, Gespräche oder körperliche Nähe erfüllt werden. Ein klares Verständnis und die Kommunikation des eigentlichen Bedürfnisses können helfen, mehrere Lösungswege zu erkunden und zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu gelangen. Unterscheidung zwischen Bitten und Forderungen Der vierte und letzte Schritt unterscheidet zwischen Bitten und Forderungen. In der GFK ist eine Bitte eine klare, konkrete Anfrage, die keine implizite Forderung enthält. Es ist wichtig, dass die andere Person die Freiheit hat, nein zu sagen, ohne Druck oder Schuldgefühle. Zum Beispiel, "Würdest du mir helfen, die Küche aufzuräumen?" ist eine Bitte, solange die Antwort frei gewählt werden kann. Forderungen hingegen lassen wenig Raum für Wahl und können Widerstand und defensive Reaktionen hervorrufen. Diese vier Schlüsselunterscheidungen der Gewaltfreien Kommunikation sind fundamental, um in jeder Art von Beziehung eine Atmosphäre der Offenheit, des Verständnisses und des gegenseitigen Respekts zu schaffen. Sie ermöglichen es den Beteiligten, ihre wahren Gefühle und Bedürfnisse zu erkunden und auf eine Weise zu kommunizieren, die konstruktive Lösungen und harmonische Beziehungen fördert. Im Laufe dieses Buches wirst du erkennen, dass die Prinzipien der GFK nicht nur für deine persönliche Entwicklung, sondern auch für die Grundlagen des Coachings von zentraler Bedeutung sind. Ich habe dieses Konzept hier vorgestellt, weil es die Art und Weise, wie wir kommunizieren und interagieren, tiefgreifend verbessern kann. Durch das Verständnis und die Anwendung der GFK im Coaching-Kontext eröffnen sich dir neue Wege, effektiver zu kommunizieren, 167

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Konikte konstruktiv zu lösen und eine tiefere, empathische Verbindung zu anderen aufzubauen. Dies wird nicht nur deine Coaching-Fähigkeiten bereichern, sondern auch einen wertvollen Einuss auf alle deine zwischenmenschlichen Beziehungen haben. 50Work-Life-Balance als Grundpfeiler des Coachings Bei den Grundlagen des Coachings darf eine der zentralen Herausforderungen, mit der viele Menschen in ihrem Leben konfrontiert sind nicht fehlen, nämlich das Erreichen einer gesunden Work-Life-Balance. Wir erleben ein Umfeld, das zunehmend schneller, digitaler und komplexer wird, und die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen immer mehr. Dies führt o zu einem Ungleichgewicht, das nicht nur die Leistungsfähigkeit und Kreativität beeinträchtigt, sondern auch das allgemeine Wohlbenden untergräbt. Im Coaching geht es, wie bereits mehrfach angesprochen darum, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen, und dabei spielt die Balance zwischen den verschiedenen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle. Wenn ein Klient zum Beispiel beruich erfolgreich ist, aber sein Privatleben darunter leidet, wird dies Für eine fundierte Beschreibung der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) von Marshall 50Rosenberg gibt es einige maßgebliche Quellen, die dir einen tiefen Einblick in die Prinzipien und Praxis bieten. Das zentrale Werk ist "Nonviolent Communication: A Language of Life", das Rosenbergs Konzept der empathischen Kommunikation beschreibt. In diesem Buch stellt er die vier Grundelemente der GFK vor: Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Es betont die Bedeutung der Trennung von Beobachtungen und Bewertungen sowie den bewussten und einfühlsamen Umgang mit eigenen und fremden Bedürfnissen Siehe Wikipedia, Nonviolent Communication. Das Center for Nonviolent Communication bietet zudem eine Fülle von Ressourcen, darunter Online-Workshops und Materialien, die tiefer in die Methode einführen. Die Prinzipien der GFK sind auf den Bereich des Coachings besonders gut anwendbar, da sie eine empathische, wertfreie und respektvolle Gesprächskultur fördern, die das Vertrauen zwischen Coach und Klient stärkt. Siehe https://www.cnvc.org/ Falls du mehr über Rosenbergs Philosophie und seine Ansichten zur Rolle von Empathie und Bedürfnisorientierung in der Kommunikation erfahren möchtest, sind Interviews mit ihm ebenfalls eine wertvolle Quelle.Darin betont er, wie die Fokussierung auf echte menschliche Bedürfnisse – im Gegensatz zu Forderungen oder Schuldzuweisungen – Konikte entschärfen und zu harmonischeren Beziehungen führen kann. Siehe hierzu https://www.nonviolentcommunication.com/resources/articles-about-nvc/marshall-rosenberg-article-archive/168

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langfristig auch seine beruiche Leistung und Zufriedenheit beeinussen. Deshalb ist es so wichtig, dass Coaches ihre Klienten dabei unterstützen, sowohl beruiche als auch persönliche Ziele in Einklang zu bringen. Das ist ein ganzheitlicher Blickwinkel, den jeder Coach haben muss. Die Bedeutung der Balance im Leben Eine gesunde Work-Life-Balance bedeutet, dass der Klient genügend Raum für alle wichtigen Lebensbereiche scha – sei es Arbeit, Familie, Freunde, Gesundheit, Freizeit oder persönliche Weiterentwicklung. Sie ist nicht nur ein Zustand, der erreicht werden muss, sondern ein dynamischer Prozess, bei dem es darum geht, ständig auf neue Anforderungen und Veränderungen im Leben zu reagieren. Somit hat dieses ema auch viel mit Resilienz zu tun. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Work-Life-Balance nicht für jeden Menschen gleich aussieht. Jeder hat unterschiedliche Prioritäten, Werte, Ressourcen und Lebensumstände. Eine Coachin unterstützt den Klienten dabei, seine ganz persönliche Denition von Balance zu nden und Maßnahmen zu entwickeln, um diese aufrechtzuerhalten. Ein Tool wie das Wheel of Life kann hier wertvolle Dienste leisten, indem es dem 51Klienten hil, visuell darzustellen, welche Lebensbereiche bereits im Gleichgewicht sind und welche mehr Aufmerksamkeit benötigen. Work-Life-Balance und Selbstfürsorge Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Work-Life-Balance ist die Selbstfürsorge. Diese wird ziemlich o vergessen. Es geht konkret darum, auf sich selbst zu achten. Selbstfürsorge bedeutet beispielsweise, regelmäßig Pausen einzulegen, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern und Zeit für Dinge zu nden, die Freude bereiten. Ein Klient, der seine Selbstfürsorge vernachlässigt, wird langfristig seine Leistungsfähigkeit und Lebensfreude verlieren. Auch das muss ein Coach im Blickfeld haben. Coaching bietet die Möglichkeit, diese o vernachlässigten emen bewusst in den Vordergrund zu rücken. Es geht darum, dem Klienten zu helfen, Strategien zu entwickeln, die seine Energiequellen aufrechterhalten und wieder auffüllen – sei es durch Entspannungsübungen, die Integration von Bewegung in den Alltag oder die bewusste Planung von Auszeiten. Siehe Seite 333 f51169

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Der Coach als Begleiter bei der Work-Life-Balance Im Coaching-Prozess hil der Coach dem Klienten nicht nur dabei, eine gesunde Work-Life-Balance zu nden, sondern begleitet ihn auch dabei, diese langfristig zu erhalten. Dies geschieht durch unter anderem durch gezielte Fragetechniken, Reexion und das Setzen von Prioritäten. Omals ist es der Coach, der dem Klienten die Erlaubnis gibt, sich selbst mehr Raum für Entspannung und Erholung zu nehmen. Durch das Schaffen eines Bewusstseins für die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen unterstützt der Coach den Klienten dabei, sich von stressfördernden Mustern zu lösen und eine neue Balance zu entwickeln. Beispiel: Prioritäten setzen für eine gesunde Work-Life-Balance Anna, eine erfolgreiche Marketingmanagerin, kommt ins Coaching, weil sie sich erschöp und überfordert fühlt. Sie liebt ihre Arbeit und strebt danach, in ihrem Job weiter aufzusteigen, aber sie merkt, dass ihr Privatleben stark darunter leidet. Sie hat kaum noch Zeit für ihre Familie, Hobbys oder Erholung. Anna hat das Gefühl, dass ihre Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht geraten ist, und sie sucht nach Unterstützung, um dieses Problem zu lösen. Im Coaching-Gespräch wird schnell klar, dass Anna Schwierigkeiten hat, klare Prioritäten zu setzen. Sie versucht, allem und jedem gerecht zu werden – ihrer Arbeit, ihren Mitarbeitern, ihrer Familie und auch ihren eigenen Ambitionen. Dieses "alles gleichzeitig wollen" führt zu ständiger Überforderung und Stress. Der Prozess des Prioritätensetzens im Coaching 1. Reexion der aktuellen Situation: Der Coach bittet Anna, ihre Lebensbereiche zu reektieren und zu bewerten, wie zufrieden sie momentan mit jedem einzelnen Bereich ist. Hier könnte das Wheel of Life als Werkzeug eingesetzt werden, um visuell darzustellen, wie viel Zeit und Energie sie auf Arbeit, Familie, Gesundheit, persönliche Weiterentwicklung und Freizeit aueilt. Anna erkennt dabei, dass sie fast 80 % ihrer Energie auf die Arbeit konzentriert, während Bereiche wie ihre Gesundheit und ihre Familie stark vernachlässigt werden. 2. Identikation der wichtigsten Lebensbereiche: Nachdem Anna ein klares Bild ihrer aktuellen Lebensbalance hat, hil der Coach ihr dabei, die für sie 170

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wichtigsten Lebensbereiche zu denieren. Für Anna ist es nicht nur ihre Karriere, sondern auch die Zeit mit ihrer Familie und ihre eigene Gesundheit, die ihr sehr am Herzen liegen. Diese Klarheit scha die Grundlage für das Setzen von Prioritäten. 3. Setzen von konkreten Prioritäten: Anna und ihr Coach arbeiten gemeinsam daran, eine klare Rangordnung der Lebensbereiche festzulegen. In Annas Fall bedeutet das: •Erste Priorität: Ihre Gesundheit – Denn ohne körperliche und mentale Energie kann sie weder ihre Arbeit noch ihre familiären Verpichtungen gut erfüllen. •Zweite Priorität: Familie – Sie möchte bewusst mehr Zeit für ihre Familie schaffen, da sie merkt, dass diese Beziehungen ihr Freude und Stabilität geben. •Dritte Priorität: Ihre beruichen Ambitionen – Auch wenn sie weiterhin in ihrer Karriere erfolgreich sein will, erkennt sie, dass sie hier effizienter arbeiten und ihre Ziele klarer denieren muss, um nicht ständig über ihre Grenzen zu gehen. 4. Maßnahmen planen: Nachdem die Prioritäten gesetzt sind, geht es darum, konkrete Maßnahmen zu entwickeln, um diesen Prioritäten gerecht zu werden. Anna entscheidet sich, regelmäßige sportliche Aktivitäten einzuplanen, um ihre Gesundheit zu stärken, und legt fest, dass sie mindestens zwei Abende pro Woche für ihre Familie reserviert. Beruich plant sie, klare Grenzen bei der Arbeit zu setzen, z.B. keine E-Mails mehr nach 18 Uhr zu beantworten und Aufgaben gezielter zu delegieren. 5. Verantwortung übernehmen und evaluieren: Der Coach unterstützt Anna dabei, diese Maßnahmen schrittweise umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen, ob sie die gesetzten Prioritäten einhält. Durch die regelmäßige Reexion im Coaching kann Anna ihre Fortschritte und Herausforderungen besprechen und Anpassungen vornehmen, wenn nötig. Sie lernt, dass Prioritäten setzen auch bedeutet, bewusst Entscheidungen zu treffen, was sie nicht tun wird, um Raum für die wirklich wichtigen Dinge zu schaffen. Ergebnis: Durch das Setzen von Prioritäten gelingt es Anna, ihre Energie gezielt zu verteilen und ihre Work-Life-Balance schrittweise wiederherzustellen. Sie fühlt sich weniger gestresst, weil sie klar entschieden hat, welche Lebensbereiche für sie an erster Stelle stehen. Gleichzeitig erfährt sie mehr Zufriedenheit, weil sie nun 171

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bewusst Zeit für ihre Gesundheit und ihre Familie einplant, ohne das Gefühl zu haben, beruich etwas aufgeben zu müssen. Interventionsmöglichkeiten bei Work-Life-Balance Vorgreifend auf die vielen Interventionen, die im Coaching zum Einsatz kommen können, möchte ich dir hier einige vorstellen, die bei dem wichtigen ema ‚Work-Life-Balance‘ zum Tragen kommen. 1. Wheel of Life •Zweck: Diese Methode hil dem Klienten, seine aktuelle Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Arbeit, Familie, Gesundheit, Hobbys) visuell darzustellen. Durch diese Übersicht können die Bereiche identiziert werden, in denen Handlungsbedarf besteht. •Intervention: Der Klient bewertet jeden Lebensbereich auf einer Skala von 1 bis 10. Anschließend wird reektiert, welche Bereiche verbessert werden sollen und welche Maßnahmen dazu notwendig sind. 2. Zeitmanagement-Techniken • Zweck: Eine der häugsten Ursachen für eine unausgewogene Work-Life-Balance ist ineffektives Zeitmanagement. • Intervention: Der Coach kann Techniken wie die Eisenhower-Matrix oder Pareto-Prinzip (80/20-Regel) einführen, um dem Klienten zu helfen, Prioritäten zu setzen und Aufgaben effizienter zu erledigen. Der Fokus liegt auf der Reduktion von Zeitfressern und der Konzentration auf wirklich wichtige Aufgaben. 3. SMART-Ziele setzen • Zweck: Klare Ziele helfen dem Klienten, seine Prioritäten im Einklang mit seinen Lebensbereichen zu setzen. • Intervention: Der Coach unterstützt den Klienten dabei, spezische, messbare, erreichbare, relevante und zeitgebundene (SMART) Ziele für seine verschiedenen Lebensbereiche zu formulieren. Dies gibt Struktur und Klarheit für die gewünschten Veränderungen. 4. Nein-Sagen lernen (Abgrenzung) • Zweck: Viele Menschen nehmen zu viele Verpichtungen auf sich, weil sie Schwierigkeiten haben, Grenzen zu setzen. 172

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• Intervention: Der Coach arbeitet mit dem Klienten daran, Nein-Sagen zu üben. Dazu können Rollenspiele oder Kommunikationsübungen eingesetzt werden, die dem Klienten helfen, sich selbstbewusst abzugrenzen und unnötige Belastungen zu vermeiden. 5. Selbstfürsorge-Routine entwickeln • Zweck: O vernachlässigen Menschen die Selbstfürsorge, weil sie zu sehr auf beruiche oder familiäre Verpichtungen fokussiert sind. • Intervention: Der Coach hil dem Klienten, eine regelmäßige Selbstfürsorge-Routine zu entwickeln, die gesunde Aktivitäten wie Bewegung, Meditation, Hobbys und Entspannung einbezieht. Diese Routine wird gezielt in den Tages- oder Wochenplan des Klienten integriert. 6. Stressmanagement-Techniken • Zweck: Stress ist ein Hauptfaktor, der die Balance zwischen Arbeit und Privatleben stört. • Intervention: Der Coach kann dem Klienten Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder Achtsamkeitsmeditation beibringen, um akuten Stress zu reduzieren. Langfristig werden Techniken zur Stressbewältigung und Resilienzstärkung erarbeitet. 7. Tages- und Wochenplanung • Zweck: Eine gute Planung gibt dem Klienten Struktur und hil ihm, Zeit für wichtige Lebensbereiche zu schaffen. • Intervention: Der Coach unterstützt den Klienten dabei, feste Zeiten für Arbeit, Familie, Freizeit und Selbstfürsorge in seinen Kalender einzuplanen. Dabei wird auch der Fokus auf Pausen und Erholungszeiten gelegt, um Überlastung zu vermeiden. 8. Visualisierungstechniken • Zweck: Visualisierungen können dem Klienten helfen, ein klares Bild seiner gewünschten Work-Life-Balance zu entwickeln. • Intervention: Der Coach führt den Klienten durch eine Visualisierungsübung, bei der dieser sich vorstellt, wie eine ausgewogene Lebensweise für ihn aussehen würde. Diese Visualisierung kann als Leitbild für die nächsten Schritte im Coaching-Prozess dienen. 9. Reexion von Glaubenssätzen 173

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• Zweck: O stecken hinter einer unausgewogenen Work-Life-Balance tief verankerte Glaubenssätze, wie "Ich muss immer erreichbar sein" oder "Erfolg bedeutet, hart zu arbeiten". • Intervention: Der Coach hil dem Klienten, diese hinderlichen Glaubenssätze zu identizieren und zu hinterfragen. Anschließend werden alternative, gesündere Überzeugungen entwickelt, die eine bessere Balance ermöglichen. 10. Delegationstraining • Zweck: Viele Menschen übernehmen zu viele Aufgaben selbst, weil sie Schwierigkeiten haben, Aufgaben abzugeben. • Intervention: Der Coach trainiert den Klienten darin, Aufgaben zu delegieren und Vertrauen in andere aufzubauen. Hier können Rollenspiele oder Arbeitsauräge zur Übung der Delegation eingeführt werden, insbesondere im beruichen Kontext. Diese kleine Auswahl an Interventionen, sind exibel und können je nach den Bedürfnissen deiner Klienten individuell angepasst werden, um die eigene Work-Life-Balance wieder ins Gleichgewicht zu bringen. 174

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Kapitel 2: Das Handwerkszeug - Grundlagen I!Jeder erfahrene Coach versteht die Bedeutung eines gut bestückten Werkzeugkastens, der mit vielfältigen Interventionsmethoden und Techniken ausgerüstet ist. Im Zentrum dieses Arsenal steht die Kunst der Kommunikation – ein Eckpfeiler des Coaching-Prozesses und das Fundament, auf dem eine erfolgreiche und transformative Beziehung zwischen Coach und Klient ruht. Kommunikation im Coaching-Kontext transzendiert das einfache Austauschen von Worten; es ist eine facettenreiche Kunst, die die Fähigkeit umfasst, Gedanken präzise zu artikulieren, mit empathischem Ohr zuzuhören, tiefe Verständnisschichten zu erschließen und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Akzeptanz zu kultivieren. Hierbei tauchen wir tief in die Kunst des aktiven Zuhörens und des geschickten Fragestellens ein, zwei Kernkompetenzen, die für jede Coachin und jeden Coach grundlegend sind. Aktives Zuhören geht weit über das bloße Hören hinaus; es ist ein Prozess des empathischen Verstehens, der es uns ermöglicht, unseren Klienten wirklich zu begegnen und ihre Perspektiven vollständig zu erfassen. Das Stellen kravoller Fragen ist der Schlüssel zur Eröffnung neuer Gedankenräume und zur Anregung tiefgehender Reexionen. Fragen sind das Werkzeug, mit dem wir unsere Klienten dazu einladen, über ihre Situationen, Glaubenssätze und Möglichkeiten nachzudenken, die ihnen zuvor vielleicht nicht bewusst waren. Diese Technik ist entscheidend, um Klienten dabei zu unterstützen, ihre eigenen Antworten und Lösungen zu nden, was zur Stärkung ihrer Selbstwirksamkeit beiträgt. Ein weiteres zentrales ema in diesem Kapitel ist die Bedeutung der Stille im Coaching. Stille ist nicht einfach nur das Fehlen von Lärm; sie ist ein kravolles Werkzeug, das Raum für Reexion, innere Prozesse und die Emergenz neuer Einsichten scha. Als Coaches lernen wir, wie wir Stille gezielt einsetzen können, um unseren Klienten die Möglichkeit zu geben, tiefer in ihr eigenes Erleben einzutauchen. Ebenfalls thematisiert wird die emotionale Intelligenz, die sowohl für Coaches als auch für Klienten von unschätzbarem Wert ist. Emotionale Intelligenz umfasst das Bewusstsein und die Regulation der eigenen Gefühle sowie das Verständnis und Einfühlungsvermögen für die Emotionen anderer. Diese Fähigkeit ist entscheidend für den Auau starker, empathischer 175

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Beziehungen im Coaching-Prozess. Durch praktische Übungen und Reexionen bietet dieses Kapitel eine solide Grundlage, um diese Fähigkeiten zu entwickeln und zu verfeinern. Es lädt dazu ein, die Werkzeuge nicht nur zu verstehen, sondern sie auch aktiv in die eigene Coaching-Praxis zu integrieren, um so die Kunst des Coachings professionell auszuüben. Offene und explorative Fragen Ganz allgemein soll nun folgendes vorweg erwähnt werden: Innerhalb des umfassenden Coaching-Konzepts stellt das geschickte Stellen von Fragen selbstverständlich ein zentrales Instrument der Erkenntnisgewinnung dar. Diese methodische Vorgehensweise geht Hand in Hand mit der Praxis des aktiven Zuhörens und bildet eine Säule der Coaching-Disziplin, die darauf abzielt, den 52Klienten in einem Prozess der Selbstreexion und -erkundung zu begleiten. Innerhalb des aktiven Zuhörens, eröffnet dann der gezielte Einsatz offener und explorativer Fragen seitens des Coaches dem Klienten den Raum, bestehende Grenzen des eigenen Denkens zu überschreiten, bislang unberücksichtigte Perspektiven zu erkunden und somit den Grundstein für die Entwicklung eigener, innovativer Lösungsansätze zu legen. Offene Fragen sind dabei ein entscheidendes Werkzeug, um den Klienten zur ausführlichen Auseinandersetzung mit seiner individuellen Situation, seinen Gedanken und Emotionen anzuregen. Diese Art der Fragestellung fördert eine tiefgreifende Selbstexploration und unterstützt den Klienten darin, ein umfassenderes und nuancierteres Verständnis seiner selbst und seiner Lebensumstände zu erlangen. Explorative Fragen hingegen dienen der Vertiefung des Dialogs und motivieren den Klienten, eingefahrene Denkmuster und Annahmen kritisch zu hinterfragen. Dieser Ansatz ermutigt zu einer differenzierten Betrachtung der eigenen Wirklichkeitskonstruktion und eröffnet alternative Wege des Denkens und Handelns. Siehe hierzu das nächste Kapitel, aber auch die Ausführungen zur gewaltfreien 52Kommunikation, in der bereits schon die Rede von Carl Rogers war.176

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Die synergetische Verbindung aus aktivem Zuhören und dem gezielten Einsatz von Fragen konstituiert das Fundament einer effektiven Coaching-Beziehung. Diese interaktiven Fähigkeiten ermöglichen es, eine tiefgehende empathische Verbindung zum Klienten aufzubauen, eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und der Wertschätzung zu etablieren und den Klienten in seinem individuellen Prozess der Selbstndung, Zieldenition und -realisierung nachhaltig zu unterstützen. Durch die Perfektionierung dieser kommunikativen Kompetenzen sind Coaches in der Lage, ihre Klienten auf ihrem Weg zur Überwindung von Herausforderungen, zur Klarheitsgewinnung und zur Entfaltung ihres vollen Potenzials effektiv zu begleiten. Beispiele für offene Fragen: 1. „Was bedeutet Erfolg für Dich persönlich?" Diese Frage ermutigt den Klienten, seine individuelle Denition von Erfolg zu reektieren und zu artikulieren, was zur Klärung von Zielen und Prioritäten führen kann. 2. „Wie würdest Du Deinen idealen Tag beschreiben?“ Hierdurch wird der Klient dazu angeregt, über seine Wünsche und Bedürfnisse nachzudenken, was hilfreich sein kann, um Lebensziele und Werte zu identizieren. 3. „Was hält Dich derzeit davon ab, Dein Ziel zu erreichen?“ Diese Frage hil dem Klienten, Hindernisse und Herausforderungen zu erkennen und kann den Weg für die Entwicklung von Lösungsstrategien ebnen. 4. „Wie fühlst Du Dich, wenn Du an Deine Zukun denkst?“ Dadurch wird der Klient ermutigt, seine Emotionen bezüglich seiner Zukun zu explorieren, was Einblicke in Hoffnungen, Ängste und Erwartungen geben kann. Beispiele für explorative Fragen 1. „Wenn Du auf die Situation aus einer anderen Perspektive blicken würdest, was würdest Du anders sehen?“ Diese Frage regt den Klienten dazu an, seine Situation aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, was zu neuen Einsichten führen kann. 2. „Was würdest Du einem Freund in einer ähnlichen Situation raten?“ Indem 53der Klient angehalten wird, einen Ratschlag für jemand anderen zu Man erkennt hier, dass eine explorative Frage auch gleichzeitige eine zirkuläre Frage sein 53kann. Das wird zu einem späteren Zeitpunkt erläutert.177

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formulieren, kann er seine eigenen Probleme objektiver betrachten und möglicherweise neue Lösungswege erkennen. 3. „Wie hat sich Deine Sichtweise auf dieses Problem im Laufe der Zeit verändert?“ Diese Frage fördert die Reexion über persönliches Wachstum und Veränderung in der Wahrnehmung, was dem Klienten helfen kann, Fortschritte zu erkennen und zu würdigen. 4. „Könnte es sein, dass es noch andere Erklärungen für diese Situation gibt?“ Hier wird der Klient ermutigt, seine Annahmen zu hinterfragen und die Komplexität der Situation sowie mögliche alternative Erklärungen zu berücksichtigen. Diese Beispiele zeigen, wie offene und explorative Fragen im Coaching verwendet 54werden können, um Selbstreexion zu fördern, Einsichten zu gewinnen und den Klienten auf seinem Weg zur Selbstndung und Zielerreichung zu unterstützen. Aktives Zuhören - Königsweg der Kommunikation Das Prinzip des aktiven Zuhörens, das seinen Ursprung in Carl Rogers' humanistischem Ansatz der klientenzentrierten erapie hat, ist ein wesentliches Element in der Welt des Coachings. Rogers war der Überzeugung, dass ein tiefes, empathisches Verstehen seitens des Gegenübers eine transformative Wirkung auf den Klienten haben kann. Diese Überzeugung unterstreicht die zentrale Rolle der Kommunikation im Coaching-Prozess und hebt hervor, wie entscheidend es ist, nicht nur zu hören, was gesagt wird, sondern auch zu verstehen, was gemeint ist. Aktives Zuhören im Coaching bedeutet weit mehr als das bloße Aufnehmen von Worten. Es erfordert eine vollständige emotionale und kognitive Präsenz beim Klienten. Ein Coach, der aktiv zuhört, nimmt nicht nur die Worte wahr, sondern auch die dahinter liegenden Schichten der Emotionen, Bedürfnisse und Motivationen. Diese Art des Zuhörens erlaubt es dem Coach, effektiv auf die individuelle Situation des Klienten einzugehen, indem er eine Brücke zu dessen Welt schlägt. Dies scha ein tiefgehendes Verständnis für die Perspektive des Der Vollständigkeit halber seien hier im Gegensatz zu den offenen, die geschlossene Fragen 54kurz erläutert. Das sind jene Fragen, die mit entweder mit ja oder nein beantworten kann. Diese Fragen eignen sich im Grunde nicht so sehr für eine Coachingsession.178

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Klienten und ermöglicht es dem Coach, authentische Empathie und Akzeptanz zu vermitteln. Die Kunst des aktiven Zuhörens wird durch die Fähigkeit des Coaches ergänzt, gezielte und wirksame Fragen zu stellen. Diese Fragen sind darauf ausgerichtet, den Klienten dazu anzuregen, über seine eigene Situation nachzudenken, Selbstreexion zu fördern und möglicherweise verborgene emotionale Antworten und Einsichten freizulegen. Durch solche Fragen kann der Coach den Klienten unterstützen, seine eigenen Antworten auf seine Herausforderungen zu nden, was wiederum dessen Autonomie und Selbstwirksamkeit stärkt. Ein Coach, der in der Kunst des aktiven Zuhörens und des Fragestellens versiert ist, scha eine Umgebung, in der Klienten sich sicher und verstanden fühlen. Diese Umgebung fördert Offenheit und Vertrauen, was essenziell ist, damit transformative Veränderungen stattnden können. Der Prozess des aktiven Zuhörens und des intelligenten Fragestellens bildet somit das Herzstück eines jeden erfolgreichen Coaching-Engagements. Die Säulen des aktiven Zuhörens nach Rogers: Carl Rogers' Konzept des aktiven Zuhörens basiert auf drei wesentlichen Säulen, die zusammen eine effektive und transformative Kommunikation ermöglichen. Diese Säulen sind nicht nur grundlegend für die Entwicklung einer tiefen, empathischen Beziehung zwischen Coach und Klient, sondern auch entscheidend für das Erreichen echter Veränderung und persönlichen Wachstums. Empathie: Die Grundlage empathischer Verbindung Empathie ist das Herzstück des aktiven Zuhörens nach Rogers. Ein Coach, der Empathie zeigt, in Kapitel 1 wurde darüber ausführlich berichtet, kann sich in die Lage des Klienten versetzen und dessen Erfahrungen und Emotionen intuitiv nachempnden. Diese echte empathische Verbindung ermöglicht es dem Coach, ein tiefes Verständnis für die innere Welt des Klienten zu entwickeln. Empathie im Coaching geht über das bloße Verstehen hinaus; sie erfordert ein Einfühlen in die emotionale Erfahrung des Klienten, was o bedeutet, dessen Gefühle auf einer sehr persönlichen Ebene nachzuvollziehen, ohne sie zu bewerten oder zu diagnostizieren. Dies scha eine Atmosphäre, in der sich der Klient verstanden und emotional sicher fühlt. 179

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Akzeptanz: Der Schlüssel zu einem sicheren Raum Akzeptanz, oder bedingungslose positive Wertschätzung, ist eine weitere Säule des aktiven Zuhörens. Durch die Gewährung von Akzeptanz scha der Coach einen Raum, in dem der Klient seine Gedanken und Gefühle ohne Furcht vor Urteil oder Ablehnung offenlegen kann. Diese Art der Akzeptanz bedeutet, dass der Coach den Klienten als Person wertschätzt, unabhängig von dessen Äußerungen oder Verhaltensweisen. Diese bedingungslose Wertschätzung ist fundamental, da sie dem Klienten hil, sich selbst zu akzeptieren und zu verstehen, was wiederum die Basis für positive Veränderungen und Selbstentwicklung bildet. Authentizität: Echtheit in der Kommunikation Die dritte Säule, Authentizität, bezieht sich auf die Echtheit des Coaches in der Kommunikation. Ein authentischer Coach ist in seinen Äußerungen und Emotionen ehrlich und transparent. Diese Aufrichtigkeit fördert eine vertrauensvolle Beziehung zum Klienten, in der beide Parteien ermutigt werden, ihre Gedanken und Emotionen frei und offen zu teilen. Authentizität ermöglicht eine tiefere Verbindung, weil sie zeigt, dass der Coach selbst bereit ist, sich verletzlich zu zeigen und echte Gefühle zu teilen. Diese gegenseitige Offenheit stärkt das Vertrauen und die Bindung zwischen Coach und Klient und unterstützt den Klienten darin, eigene Unsicherheiten und Herausforderungen frei zu thematisieren. Zusammen bilden diese drei Säulen des aktiven Zuhörens nach Rogers eine starke Grundlage für eine effektive und einfühlsame Coach-Klient-Beziehung. Sie ermöglichen es dem Coach, eine Umgebung zu schaffen, in der tiefgreifendes Verstehen und echtes menschliches Wachstum möglich sind. Techniken des aktiven Zuhörens Aktives Zuhören ermöglicht es nicht nur die Worte des Klienten zu hören, sondern auch tiefergehendes Verständnis für dessen emotionale Untertöne und eigentliche Bedürfnisse zu entwickeln. Diese Fähigkeit ist besonders wichtig, da sie den Grundstein für eine effektive Kommunikation und Beziehungsbildung legt. Der ‚Königsweg der Kommunikation‘, den ich im Anschluss vorstellen werde, ist ein 180

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Ansatz, der die essentiellsten Techniken des aktiven Zuhörens vereint, um eine solide und empathische Kommunikationsbasis zwischen Coach und Klient zu schaffen. Dieser Ansatz wird als besonders effektiv betrachtet, weil er sowohl das Verstehen der Inhalte als auch das Eingehen auf die emotionalen und persönlichen Aspekte der Kommunikation fördert. Nun sollen die Techniken vorgestellt werden. Spiegeln Spiegeln ist eine Technik, bei der der Coach die Worte oder den Inhalt der Aussage des Klienten genau wiederholt oder leicht paraphrasiert. Diese Methode dient dazu, dem Klienten zu zeigen, dass seine Worte gehört und verstanden wurden. Das Spiegeln bestätigt nicht nur die Aussagen des Klienten, sondern fördert auch ein klares Verständnis und eine präzise Kommunikation. Anwendungsbeispiele: -Ein Klient sagt: "Ich bin ständig gestresst und weiß nicht, was ich dagegen tun soll." Der Coach könnte erwidern: „Sie sind ständig gestresst und wissen nicht, was Sie dagegen tun sollen?.“ -Klient: „Ich habe das Gefühl, dass meine Arbeit mich völlig auslaugt, aber ich kann es mir nicht leisten, weniger zu arbeiten.“ Coach: „Sie haben das Gefühl, dass Ihre Arbeit Sie völlig auslaugt, aber Sie können es sich nicht leisten, weniger zu arbeiten.“ Paraphrasieren Paraphrasieren ist die Kunst, die Aussagen eines Klienten in eigenen Worten wiederzugeben. Diese Technik zielt darauf ab, das Verständnis zu bestätigen und sicherzustellen, dass die Coachin die Perspektive des Klienten genau erfasst hat. Durch das Paraphrasieren wird auch deutlich, dass man als Coach aktiv zuhört und sich engagiert mit den Aussagen des Klienten auseinandersetzt. Anwendungsbeispiele: -Ein Klient äußert: "Ich fühle mich bei der Arbeit überfordert." Der Coach könnte antworten: "Sie haben das Gefühl, dass die Anforderungen in Ihrem Job momentan zu hoch für Sie sind?" 181

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-Ein Klient spricht über eine schwierige familiäre Situation. Der Coach könnte reektieren: "Es klingt so, als ob Sie sich zwischen den Bedürfnissen Ihrer Familie und Ihren eigenen Wünschen hin- und hergerissen fühlen." Reflektieren von Gefühlen Das Reektieren von Gefühlen geht über das bloße Wiederholen der gesprochenen Worte hinaus. Es bezieht sich darauf, die emotionalen Untertöne in der Kommunikation des Sprechers zu erkennen und zurückzuspiegeln. Diese Technik hil dem Klienten, seine eigenen Gefühle besser zu verstehen und zu verarbeiten, und fördert eine tiefe empathische Verbindung. Anwendungsbeispiele: -Ein Klient äußert Frustration über nicht erreichte Ziele: "Ich komme einfach nicht voran." Der Coach könnte antworten: "Es scheint, als würden Sie sich wirklich entmutigt fühlen, weil Ihre Bemühungen nicht die gewünschten Ergebnisse bringen." -Bei der Beschreibung einer schwierigen persönlichen Beziehung könnte der Coach sagen: "Es hört sich so an, als ob Sie sich von dieser Person unverstanden und vielleicht sogar verletzt fühlen." Verbalisieren Verbalisieren ist die Technik, bei der der Coach das, was der Klient möglicherweise fühlt oder denkt, aber nicht direkt ausspricht, in Worte fasst. Diese Methode hil, die o unausgesprochenen oder unbewussten Gedanken und Gefühle zu erkennen und sie zu artikulieren, was das Selbstbewusstsein und die Selbstreexion des Klienten fördert. Anwendungsbeispiel -Ein Klient spricht über eine bevorstehende beruiche Veränderung und erwähnt, dass er "nicht sicher ist, wie er sich fühlt". Der Coach könnte verbalisieren: "Es klingt, als ob Sie vielleicht eine Mischung aus Aufregung und Angst empnden angesichts dieser neuen Herausforderung.“ 182

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Der Königsweg der Kommunikation Der "Königsweg der Kommunikation" im Coaching bezieht sich auf eine Kombination von Techniken, die zusammen eine umfassende und effektive Kommunikationsstrategie bilden. Diese Techniken — Paraphrasieren, Spiegeln, Reektieren von Gefühlen und Verbalisieren — ergänzen einander und schaffen eine tiefe Verbindung zwischen Coach und Klient. Jede dieser Techniken hat ihren eigenen Wert, aber in Kombination ermöglichen sie eine Kommunikation, die sowohl die Inhalte als auch die emotionalen Aspekte der Interaktion erfasst. Diese Integration der Techniken macht sie zu einem mächtigen Instrument im Coaching, das wesentlich dazu beiträgt, effektive Lösungen zu nden und die Selbstwahrnehmung des Klienten zu fördern. Beispielhaftes Coaching-Protokoll Hier ist ein Protokoll, das zeigt, wie ein Coach die verschiedenen Techniken des aktiven Zuhörens – Paraphrasieren, Spiegeln, Reektieren von Gefühlen und Verbalisieren – im Verlauf einer Coaching-Sitzung anwendet: Klient: Anna Schmidt ema der Sitzung: Arbeitsstress und beruiche Entwicklung Sitzungsverlauf: 1. Begrüßung und Einstieg Der Coach begrüßt Anna und bittet sie, ihre aktuelle Situation bei der Arbeit zu beschreiben. 2. Beschreibung der Situation durch Anna "Ich fühle mich in letzter Zeit bei der Arbeit total überfordert. Es scheint, als ob meine To-do-Liste jeden Tag länger wird." Technik - Spiegeln. Coach: "Sie fühlen sich also überwältigt, weil Ihre To-do-Liste ständig wächst." (Ziel: Bestätigung von Annas Gefühlen und Aussagen) 3. Vertiefung der Problembeschreibung Anna: "Ja, und ich weiß nicht, wie ich alles schaffen soll. Manchmal denke ich, dass ich vielleicht eine neue Stelle suchen sollte." Technik - Paraphrasieren: Coach: "Sie sind unsicher, ob Sie bei der aktuellen Arbeitslast bleiben können 183

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und überlegen, ob ein Jobwechsel eine Lösung sein könnte." (Ziel: Sicherstellen, dass der Coach die Situation korrekt verstanden hat und Annas Gedanken klärt) 4. Exploration der Gefühle Technik - Reektieren von Gefühlen: Coach: "Es klingt, als ob Sie sich nicht nur überfordert fühlen, sondern auch unsicher und besorgt über Ihre beruiche Zukun." (Ziel: Anna helfen, ihre tieferen Gefühle zu erkennen und zu verbalisieren) 5. Erörterung der Optionen Anna: "Ich weiß wirklich nicht, was die beste Entscheidung ist. Manchmal fühle ich mich so festgefahren." Technik - Verbalisieren: Coach: "Könnte es sein, dass Sie sich zwischen dem Wunsch nach Veränderung und der Angst vor dem Unbekannten gefangen fühlen?" (Ziel: Annas mögliche innere Konikte aufzeigen und zur Selbstreexion anregen) 6. Entwicklung von Strategien Der Coach und Anna diskutieren mögliche Strategien, um mit dem Arbeitsstress umzugehen und wie sie eine informierte Entscheidung über ihre beruiche Zukun treffen kann. 7. Abschluss und nächste Schritte Anna äußert Dankbarkeit für die Einsichten und fühlt sich ermutigt, konkrete Schritte zu planen. Der Coach vereinbart mit ihr ein Folgetreffen, um die Fortschritte zu überprüfen. Das Protokoll zeigt, wie der Coach durch den Einsatz von Spiegeln, Paraphrasieren, Reektieren von Gefühlen und Verbalisieren aktiv zuhört und Anna dabei unterstützt, ihre Gedanken und Gefühle zu verstehen und zu ordnen. Diese Techniken haben dazu beigetragen, eine unterstützende und verständnisvolle Atmosphäre zu schaffen, die es Anna ermöglicht, sich offen zu äußern und Lösungsansätze für ihre Probleme zu entwickeln. Die Stille im Coaching Die Stille im Coaching ist mehr als bloß eine Pause im Gespräch; sie ist ein kravolles Instrument, das den Raum für Reexion, Selbsterkenntnis und 184

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tiefgreifende Einsichten öffnet. In der hektischen Welt, in der wir leben, sind Momente der Stille selten und o ungewohnt. Doch gerade im Coaching-Kontext kann die bewusste Nutzung von Stille transformative Wirkung entfalten.. Die Bedeutung der Stille 1. Raum für Reexion: Stille scha einen sicheren Raum, in dem Coachees ihre Gedanken ordnen und vertiefen können. In der Ruhe nden sie die Möglichkeit, über das Gehörte nachzudenken, es zu verarbeiten und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dies fördert ein tieferes Verständnis der eigenen Situation und Gefühle. 2. Förderung der Selbsterkenntnis: In der Stille können Coachees innere Stimmen und unbewusste Überzeugungen wahrnehmen, die in der Alltagshektik untergehen. Diese Selbsterkenntnis ist fundamental für persönliches Wachstum und Veränderung. 3. Erhöhung der Bewusstheit: Durch den bewussten Einsatz von Stille wird die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment gelenkt. Dies hil dem Coachee, sich voll und ganz auf seine inneren Prozesse zu konzentrieren und seine Bewusstheit zu schärfen. 4. Entstehung neuer Einsichten: In Momenten der Stille können kreative und innovative Lösungen für Probleme entstehen. Der Geist nutzt diese Pausen, um Informationen neu zu ordnen und Verbindungen herzustellen, die im ständigen Fluss von Worten verborgen bleiben. Warum Stille zum Reflektieren benötigt wird Die Natur der Reexion erfordert Stille, da sie ein nach innen gerichteter Prozess ist, der Raum und Zeit braucht. In der Stille kann der innere Lärm, der durch ständige Ablenkungen und äußere Einüsse entsteht, abklingen, und die tieferen Schichten des Bewusstseins werden zugänglich. Warum die Stille so wichtig ist, soll in den folgenden Punkten erläutert werden. 1. Reduzierung von Ablenkungen: Stille minimiert äußere Ablenkungen und ermöglicht es dem Coachee, sich auf innere Prozesse zu konzentrieren. Dies ist essenziell, um effektiv zu reektieren und tiefgreifende Einsichten zu gewinnen. 185

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2. Vertiefung des emotionalen Verständnisses: Emotionen können in der Hektik des Alltags leicht übergangen werden. Stille bietet die Möglichkeit, diese Emotionen zu erkennen, zu benennen und zu verstehen, was für die persönliche Entwicklung unerlässlich ist. 3. Förderung von Achtsamkeit und Präsenz: Stille lehrt Achtsamkeit und die Fähigkeit, im Hier und Jetzt präsent zu sein. Diese Präsenz ist grundlegend für eine effektive Reexion, da sie hil, sich von vergangenen Sorgen und zukünigen Ängsten zu lösen und sich auf das aktuelle innere Erleben zu konzentrieren. 4. Erleichterung tieferer Einsichten: In der Stille kann das Unterbewusstsein ans Licht kommen und tiefergehende Einsichten und Lösungen bieten, die im normalen, geschäigen Geisteszustand nicht erreichbar wären. Insgesamt ist die Stille im Coaching nicht nur eine Technik, sondern eine Haltung, die den Coachee dazu einlädt, in die Tiefe seiner eigenen Erfahrung einzutauchen und dort Schätze an Erkenntnis und Verständnis zu bergen, die in Worten allein nicht ausgedrückt werden können. Die Herausforderung der Stille für Coaching-Anfänger Anfänger im Coaching, sowohl Coaches als auch Coachees, nden es o schwierig, Stille zu etablieren und auszuhalten. Diese Herausforderung wurzelt in verschiedenen Aspekten, die eng mit den Erwartungen und der psychologischen Verfassung von Anfängern verbunden sind. Gründe für die Schwierigkeit im Umgang mit Stille 1. Unwohlsein mit Stille: In vielen Kulturen wird Stille o als unangenehm oder sogar als Zeichen von Desinteresse oder Inkompetenz angesehen. Anfänger im Coaching können sich daher unwohl fühlen, wenn sie Stille zulassen, aus Sorge, sie könnten als unsicher oder unerfahren wahrgenommen werden. 2. Leistungsdruck: Anfänger im Coaching fühlen o einen starken Druck, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und konkrete Ergebnisse zu liefern. Dieser Druck kann dazu führen, dass sie versuchen, jede Pause mit Worten zu füllen, in der Annahme, dass dies ein Zeichen von Kompetenz und Engagement ist. 186

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3. Fehlinterpretation von Stille: Insbesondere neue Coaches können Stille als Zeichen von Stagnation oder fehlendem Fortschritt missinterpretieren, anstatt sie als wertvolles Instrument für Reexion und tiefgreifendes Verständnis zu erkennen. 4. Angst vor negativer Bewertung: Sowohl Coaches als auch Coachees können die Stille als unangenehm empnden, weil sie befürchten, dass das Schweigen als Mangel an Wissen oder Vorbereitung ausgelegt werden könnte. Diese Angst vor negativer Bewertung kann sie dazu verleiten, die Stille voreilig zu unterbrechen. 5. Unsicherheit im Umgang mit Emotionen: Stille kann starke Emotionen und unerwartete Gedanken hervorrufen. Anfänger im Coaching könnten sich unsicher fühlen, wie sie mit diesen Emotionen umgehen sollen, sowohl bei sich selbst als auch beim Coachee, und neigen daher dazu, die Stille zu meiden. Überwindung der Herausforderungen Um diese Herausforderungen zu überwinden, können einige Strategien hilfreich sein: -Bewusstsein schaffen: Die Aulärung über die Bedeutung und den Nutzen von Stille im Coaching-Prozess kann helfen, Vorbehalte abzubauen und ein besseres Verständnis für die Rolle der Stille zu entwickeln. -Praxis und Erfahrung: Wie bei vielen Aspekten des Coachings verbessert sich der Umgang mit Stille mit zunehmender Praxis und Erfahrung. Regelmäßige Übungen, in denen bewusst Stille integriert wird, können helfen, sich mit ihr vertrauter zu machen. -Selbstreexion fördern: Sich selbst zu beobachten und zu reektieren, wie man als Coach auf Stille reagiert, kann wichtige Einsichten darüber liefern, wie man eigene Unsicherheiten überwinden und Stille als Werkzeug nutzen kann. -Supervision und Austausch: Der Austausch mit erfahrenen Coaches oder die Teilnahme an Supervisionssitzungen kann neue Perspektiven eröffnen und zeigen, wie Stille effektiv in den Coaching-Prozess integriert werden kann. Durch die Überwindung dieser anfänglichen Hürden können Anfänger im Coaching lernen, die Stille nicht nur auszuhalten, sondern sie als mächtiges Instrument für Wachstum und Transformation zu schätzen und zu nutzen. 187

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Techniken zur Integration von Stille in Coaching-Sitzungen Um die Herausforderung der Stille im Coaching zu meistern und sie effektiv in deine Coaching-Sitzungen zu integrieren, könntest du folgende Techniken ausprobieren: 1. Starte mit kurzen Stille-Phasen: Beginne mit kurzen Momenten der Stille und erhöhe die Dauer allmählich, sobald du dich wohler fühlst. Dies hil dir, dich schrittweise an die Präsenz und den Wert der Stille zu gewöhnen. 2. Klare Kommunikation über die Bedeutung von Stille: Erkläre deinem Coachee zu Beginn, warum Stille ein wichtiges Werkzeug im Coaching ist und wie sie zur Reexion und zum Erkenntnisgewinn beitragen kann. Dies scha ein gemeinsames Verständnis und macht die Stille zu einem akzeptierten Teil eurer Sitzungen. 3. Achtsamkeitsübungen einbinden: Nutze Achtsamkeitsübungen, um sowohl dir als auch deinem Coachee zu helfen, präsenter zu werden und die Stille als natürlichen Zustand des Seins zu empnden. Dies kann das Unbehagen, das o mit Stille verbunden ist, verringern. 4. Reektiere über deine eigenen Reaktionen: Nimm dir Zeit, um nach jeder Sitzung zu reektieren, wie du auf Stille reagiert hast. Warst du ungeduldig? Hast du dich unwohl gefühlt? Diese Selbstreexion kann dir wertvolle Einsichten darüber geben, wie du deine Beziehung zur Stille verbessern kannst. 5. Setze Stille bewusst als Werkzeug ein: Anstatt Stille als zufälliges Ereignis anzusehen, nutze sie gezielt als Teil deiner Coaching-Strategie. Du kannst beispielsweise nach einer wichtigen Frage oder Reexion eine bewusste Pause einlegen, um deinem Coachee Raum für eigene Gedanken zu geben. 6. Suche den Austausch mit erfahrenen Coaches: Der Austausch mit Kollegen oder die Teilnahme an Supervision kann dir neue Perspektiven aufzeigen und dir dabei helfen, von den Erfahrungen anderer zu lernen. Du könntest auch spezische Techniken entdecken, die anderen geholfen haben, die Stille wirksamer zu nutzen. Indem du diese Techniken anwendest, kannst du deine Fähigkeit verbessern, Stille nicht nur zu tolerieren, sondern sie als mächtiges Werkzeug im Coaching-Prozess zu schätzen und zu nutzen. Dies wird nicht nur deine persönliche Entwicklung als 188

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Coach fördern, sondern auch deinem Coachee helfen, tiefere Einsichten und Durchbrüche zu erzielen. Die Tiefenstruktur des Wortes Die Tiefenstruktur eines Wortes im Coaching-Kontext bezieht sich auf die tieferen Bedeutungen, Konnotationen und die emotionale Resonanz, die ein Wort oder Ausdruck für eine Person haben kann. Diese Ebene geht weit über die oberächliche oder wörtliche Bedeutung (Oberächenstruktur) hinaus und berührt o unbewusste Glaubenssätze, Erfahrungen und Werte. Warum ist die Tiefenstruktur so wichtig? Worte sind wie Eisberge: Was an der Oberäche sichtbar ist, stellt nur einen kleinen Teil der gesamten Bedeutung dar. Die meiste Substanz – die Tiefenstruktur – liegt verborgen unter der Oberäche. Wenn wir als Coaches nur auf das achten, was gesagt wird, und nicht darauf, was gemeint sein könnte, könnten wir wesentliche Aspekte übersehen, die für den Coaching-Prozess und die persönliche Entwicklung des Coachees von zentraler Bedeutung sind. Durch genaues Nachfragen und Zuhören können Coaches die Tiefenstruktur der Worte ihrer Coachees erkunden und so ein tieferes, empathischeres Verständnis für deren innere Welt gewinnen. Dies ermöglicht eine gezieltere und wirksamere Unterstützung. Ein Beispiel: Ein Coachee mag das Wort ‚Erfolg’ verwenden. Auf der Oberäche könnte dies einfach bedeuten, in der Karriere voranzukommen. Aber bei näherem Hinsehen könnte ‚Erfolg‘ für diese Person bedeuten, Anerkennung von einem Elternteil zu erhalten, das Gefühl zu haben, genug zu sein, oder die Angst zu überwinden, als Versager angesehen zu werden. Jede dieser Tiefenbedeutungen eröffnet einen anderen Coaching-Pfad. Daher kann man als Coach nicht davon ausgehen, dass wir genau wüßten, was mit einem Ausdruck gemeint ist, das wäre fatal, denn bei jedem Menschen sind unterschiedliche Inhalte vorhanden, des ein und desselben Wortes. Ein weiteres Beispiel könnte die Aussage eines Coachees sein: "Ich fühle mich festgefahren." Die Oberächenstruktur lässt uns vielleicht an eine Karrieresackgasse denken. Doch die Tiefenstruktur könnte auf tiefer liegende emen hinweisen, wie etwa Angst vor Veränderung, das Gefühl, nicht die eigenen Träume zu leben, oder gar eine allgemeine Lebensunzufriedenheit. Ganz besonders gilt dies auch für 189

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Begriffe wie ‚Harmonie‘, ‚Frieden‘, etc. Hier genau nachzufragen, mit den unterschiedlichen Fragetechniken ist extrem wichtig. Das heißt es ist extrem wichtig zu fragen. Beispiele: -„Was genau bedeutet das für Sie?“ -„Sie sagen, sie wollen nur Harmonie. Was heißt Harmonie für Sie? Wie genau sieht das dann in Ihrem Leben aus?“ -„Sie sagen, sie seien ein friedliebender Mensch. Was ist friedliebend? Was genau verstehen Sie darunter?“ Als Coaches ist es unsere Aufgabe, achtsam und neugierig zu sein und die richtigen Fragen zu stellen, um die Tiefenstruktur der Worte unserer Coachees zu erforschen. Dabei helfen uns Techniken wie aktives Zuhören, Paraphrasieren und das Stellen offener Fragen. Dieser Prozess unterstützt die Coachees dabei, sich ihrer eigenen inneren Landkarte bewusster zu werden, was ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur persönlichen Entwicklung und Veränderung ist. Emotionale Intelligenz im Coaching Die Kunst des Coachings erfordert weit mehr als bloßes methodisches Wissen und Techniken. Im Herzen dieser Kunst steht die emotionale Intelligenz des Coaches, die entscheidend zur Schaffung einer vertrauensvollen und unterstützenden Beziehung zum Klienten beiträgt. Daniel Goleman , der den Begriff in den 1990er 55Jahren populär machte, betrachtet emotionale Intelligenz als grundlegend für das Verständnis und die Regulation eigener Emotionen und die sensiblen Reaktionen auf die Emotionen anderer. Die Säulen der emotionalen Intelligenz Die emotionale Intelligenz eines Coaches fußt auf mehreren Säulen: Selbstbewusstsein, Selbstregulierung, soziale Kompetenz, Empathie und effektive zwischenmenschliche Beziehungen. Diese Komponenten ermöglichen es dem Coach, nicht nur seine eigenen emotionalen Zustände zu verstehen und zu steuern, Vgl Coleman, Daniel (1997) EQ. Emotionale Intelligenz.dtv.55190

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sondern auch eine tiefe Verbindung zum Klienten aufzubauen, indem er dessen emotionale Signale aufnimmt und angemessen darauf reagiert. Selbstbewusstsein und Selbstregulierung Ein Schlüsselelement der emotionalen Intelligenz ist das Selbstbewusstsein, das es dem Coach ermöglicht, seine eigenen Emotionen zu erkennen und zu verstehen. Dieses Bewusstsein ist die Grundlage für Selbstregulierung, die Fähigkeit, eigene emotionale Reaktionen zu steuern und zu modizieren, um eine Atmosphäre der Ruhe und des Vertrauens zu schaffen. Ein Coach, der seine eigenen Emotionen im Griff hat, strahlt Sicherheit aus und scha einen Raum, in dem sich der Klient frei und ohne Angst vor Urteilen öffnen kann. Empathie: Das Herzstück der Coaching-Beziehung Empathie, das Vermögen, sich in die Gedanken und Gefühle des Klienten einzufühlen, steht im Zentrum der emotionalen Intelligenz im Coaching, und das verwundert überhaupt nicht. Denn sie ermöglicht es dem Coach, die Welt aus den Augen des Klienten zu sehen und tiefe Einblicke in dessen innere Erfahrungen zu gewinnen. Diese tiefe empathische Verbindung fördert eine vertrauensvolle Beziehung, die es dem Klienten erlaubt, sich verletzlich zu zeigen und tiefgreifende persönliche Einsichten zu gewinnen. Die Rolle der emotionalen Intelligenz im Coaching-Prozess Die emotionale Intelligenz eines Coaches beeinusst, wie der Coach kommuniziert, wie er auf emotionale Ausbrüche oder Widerstände des Klienten reagiert und wie er die Coaching-Sitzungen an die emotionalen Bedürfnisse des Klienten anpasst. Lass uns hier etwas tiefer blicken. Schaffung einer unterstützenden Umgebung Durch die Regulierung seiner eigenen Emotionen und die empathische Reaktion auf die Emotionen des Klienten scha der Coach eine Umgebung, die Sicherheit und Vertrauen ausstrahlt. Diese Atmosphäre erleichtert es dem Klienten, sich zu 191

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öffnen und über tiefgreifende, manchmal schmerzhae emen zu sprechen, ohne Angst vor Verurteilung zu haben. Umgang mit Herausforderungen Coaches begegnen häug Klienten, die sich in emotional beladenen Situationen benden oder Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken. Ein emotional intelligenter Coach kann diese Situationen erkennen und behutsam navigieren, indem er die Emotionen des Klienten validiert und angemessene Unterstützung anbietet. Diese Fähigkeit, auf die emotionale Ebene des Klienten einzugehen, kann den Unterschied zwischen einer erfolgreichen Coaching-Sitzung und einer Sitzung, die den Klienten frustriert und unerfüllt zurücklässt, ausmachen. Beispiel aus der Praxis Um die Bedeutung der emotionalen Intelligenz zu veranschaulichen, erinnere ich mich an eine Sitzung mit einem Klienten, der Schwierigkeiten hatte, über seine beruichen Herausforderungen zu sprechen, ohne von Emotionen überwältigt zu werden. Durch das Aufrechterhalten meiner eigenen emotionalen Balance und das Angebot einer empathischen, nicht wertenden Präsenz konnten wir gemeinsam einen sicheren Raum schaffen. In diesem Raum fühlte sich der Klient schließlich wohl genug, seine wahren Ängste und Hoffnungen zu teilen, was zu bedeutenden Durchbrüchen in seiner persönlichen Entwicklung führte. Techniken zur Stärkung der emotionalen Intelligenz Wir werden uns jetzt verschiedene Techniken und Strategien anschauen, die Coaches dabei unterstützen können, ihre emotionale Intelligenz zu verbessern und eine unterstützende sowie einfühlsame Coaching-Beziehung aufzubauen. Im Verlauf dieses Buches wird man feststellen, dass bestimmte Techniken in verschiedenen Kontexten wiederholt werden. Dies ist üblich und zeigt die Vielseitigkeit des Coachings. Eine wichtige Technik zur Entwicklung emotionaler Intelligenz ist die regelmäßige Selbstreexion. Coaches können und sollten unbedingt Zeit dafür einplanen, um ihre eigenen Emotionen, Reaktionen und Verhaltensweisen zu analysieren. Denn indem du dir als Coach bewusst wirst, über deine eigenen emotionalen Muster, kannst du natürlich viel besser verstehen, wie 192

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die eigenen Emotionen die Coaching-Interaktionen beeinussen und wie du deine Emotionen regulieren kannst, um eine unterstützende Umgebung für den Klienten zu schaffen. Selbstreflexionstagebuch Coaches können ein Selbstreexionstagebuch führen, in dem sie regelmäßig ihre Coaching-Sitzungen reektieren. Sie können ihre eigenen Emotionen, Reaktionen und Gedanken, die sie während der Sitzung hatten, dokumentieren und reektieren, wie sie sich auf den Coaching-Prozess ausgewirkt haben könnten. Diese Übung hil, sich bewusster über die eigenen emotionalen Muster zu werden und gezielt an der eigenen emotionalen Intelligenz zu arbeiten. Regelmäßige Selbstreexion ist der Schlüssel zur Steigerung deiner emotionalen Intelligenz. Nimm dir also Zeit, um über deine Coaching-Sitzungen nachzudenken. Du könntest dich fragen: •Wie hast du dich während der Sitzung gefühlt? •Gab es Momente, in denen du emotional reagiert hast? •Wie haben deine Emotionen deine Interaktionen mit dem Klienten beeinusst? Achtsamkeitsmeditation Achtsamkeitsübungen können uns Coaches ebenfalls dabei helfen, sich im gegenwärtigen Moment zu verankern und bewusst auf die eigenen Emotionen und die Emotionen des Klienten zu achten. Durch regelmäßige Achtsamkeitspraktiken wie Atemübungen, Meditation oder Körperwahrnehmungsübungen kann man als Coach seine Fähigkeit zur Emotionsregulation stärken und eine unterstützende und einfühlsame Präsenz im Coaching-Prozess aufrechterhalten. Als Coach hast du die wunderbare Möglichkeit, Achtsamkeitsmeditation zu einem festen Bestandteil deines Alltags zu machen, um deine Fähigkeiten in der Emotionsregulation zu meistern. Stell dir vor, wie du in ruhigen Momenten tief in dich gehst, deinen Atem als Anker nutzt und deinen inneren Ozean an Emotionen und Gedanken beobachtest. Du lässt dich nicht von den Wellen mitreißen, sondern bleibst der ruhige Beobachter. Mit jeder Meditationssession baust du eine tiefe Verbindung zu 193

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deinem inneren Selbst auf und schulst deine Fähigkeit, auch in den stürmischsten Coaching-Gesprächen die Ruhe zu bewahren. Dieser Ozean an Ruhe in dir wird nicht nur deine eigene Resilienz stärken, sondern auch eine Quelle der Kra und Gelassenheit für die Menschen sein, die du auf ihrem Weg begleitest. Übungsanleitung -Beginne damit, dass du dir einen ruhigen Ort suchst, an dem du für ein paar Minuten ungestört sein kannst. Setze dich bequem hin, entweder auf einen Stuhl mit beiden Füßen fest auf dem Boden oder auf ein Kissen im Schneidersitz. Erlaube dir, eine aufrechte Haltung einzunehmen, die Wachsamkeit und Offenheit signalisiert, ohne dabei steif oder angespannt zu sein. Schließe san deine Augen, oder wenn du es vorziehst, lasse sie leicht geöffnet mit einem weichen Blick nach unten gerichtet. -Nimm dir einen Moment, um zu deiner natürlichen Atmung zu kommen. Beobachte, ohne zu urteilen oder zu verändern, wie die Lu ein- und ausströmt. Spüre, wie sich deine Brust und dein Bauch mit jedem Atemzug san heben und senken. -Mit jeder Einatmung nimmst du Frische und Klarheit auf, mit jeder Ausatmung lässt du Anspannung und Ablenkung los. Erlaube dir, mit jedem Atemzug tiefer in einen Zustand der Ruhe und Präsenz einzutauchen. -Lenke nun deine Aufmerksamkeit auf die Empndungen in deinem Körper. Beginne bei den Füßen und arbeite dich langsam nach oben. Nimm wahr, ohne zu werten, fühle die Kontaktstellen deines Körpers mit der Unterlage, spüre die Schwere, die Wärme. -Wenn Gedanken auommen, was ganz natürlich ist, erkenne sie an und lasse sie wie Wolken am Himmel vorüberziehen. Kehre san und ohne Selbstkritik zu deinem Atem und den Körperempndungen zurück. -Verweile ein paar Minuten in dieser Präsenz. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Wenn du bereit bist, deine Meditation zu beenden, vertiefe deinen Atem langsam. Nimm die Geräusche und Empndungen um dich herum wieder bewusst wahr. Öffne deine Augen langsam und erlaube dir, diese Ruhe und Klarheit mit in den Rest deines Tages zu nehmen. 194

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Emotionale Vokabulararbeit Die Arbeit an deinem emotionalen Vokabular ist wie das Erkunden einer neuen Sprache, die die Nuancen deines inneren Erlebens und das deiner Klienten reicher und farbiger macht. Indem du dein Repertoire an Gefühlsbegriffen erweiterst, eröffnest du dir und deinen Klienten neue Wege, die Tiefe und Komplexität emotionaler Erfahrungen auszudrücken und zu verstehen. -Schritt 1: Bewusste Erkundung. Beginne damit, aktiv nach neuen Worten zu suchen, die Emotionen beschreiben. Dies kann durch das Lesen von Literatur, Poesie oder psychologischen Texten geschehen. Achte besonders auf Worte, die nuancierte oder spezische emotionale Zustände beschreiben, die über die allgemeinen Begriffe wie ‚glücklich‘, ‚traurig' oder ‚wütend' hinausgehen. - Schritt 2: Integration in den Alltag. Versuche, diese neuen Begriffe in deinen Alltag zu integrieren. Dies kann in Gesprächen mit Freunden, in deinem Journal oder sogar in Selbstgesprächen geschehen. Je öer du sie nutzt, desto vertrauter und zugänglicher werden sie dir in deiner Coaching-Praxis. - Schritt 3: Reexion und Anpassung. Reektiere regelmäßig darüber, wie die Verwendung eines reicheren emotionalen Vokabulars deine Kommunikation und dein Verständnis für Emotionen beeinusst. Passe bestimmte Begriffe an deine Bedürfnisse und die deiner Klienten an, und zögere nicht, dein Vokabular weiter zu verfeinern. Stell dir vor, ein Klient beschreibt sein Gefühl als ‚unruhig‘. Durch dein erweitertes emotionales Vokabular kannst du tiefer nachfragen: Ist es vielleicht eine ‚irrende Vorfreude‘, die er spürt, eine 'nervöse Anspannung' vor einer neuen Herausforderung oder eher eine 'diffuse Beklommenheit', die keinen klaren Fokus hat? Durch die Präzisierung der emotionalen Sprache kannst du dem Klienten helfen, sein eigenes Erleben besser zu verstehen und geeignete Strategien für den Umgang damit zu entwickeln. Diese Feinabstimmung der emotionalen Ausdrucksweise ist nicht nur für die Selbstwahrnehmung von unschätzbarem Wert, sondern stärkt auch die empathische Verbindung zwischen dir und deinem Klienten. Es demonstriert ein tiefes Verständnis und eine Wertschätzung für die Komplexität ihrer Erfahrungen, was wiederum das Vertrauen und die Offenheit in der Coaching-Beziehung fördert. 195

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Um dein emotionales Vokabular zu erweitern und so deine Fähigkeit, Emotionen präzise zu identizieren und auszudrücken, zu verbessern, könntest du folgende Übungen in deine tägliche Praxis integrieren: Übung 1: Emotionales Tagebuch Führe ein emotionales Tagebuch, in dem du täglich notierst, wie du dich gefühlt hast. Versuche, für jede Emotion, die du erlebst, spezische und nuancierte Begriffe zu nden. Vermeide allgemeine Worte wie 'gut' oder 'schlecht' und strebe nach präziseren Beschreibungen wie 'erleichtert', 'überschwänglich' oder 'melancholisch'. Übung 2: Emotionskarten Erstelle Karten, auf denen du komplexe Emotionen und ihre Denitionen notierst. Ziehe regelmäßig eine Karte und versuche, Situationen aus deinem Leben zu nden, in denen du diese Emotion erlebt hast. Dies hil dir, eine tiefere Verbindung zwischen den Begriffen und deinen eigenen Erfahrungen herzustellen. Übung 3: Literarische Erkundung Lese Gedichte, Romane oder Kurzgeschichten und achte auf die Beschreibung von Emotionen. Autoren verwenden o sehr spezische und bildhae Sprache, um Gefühle zu vermitteln. Notiere dir interessante emotionale Beschreibungen und überlege, wie du diese in deinen eigenen Wortschatz integrieren kannst. Übung 4: Emotionale Synonyme suchen Wähle ein allgemeines Emotionswort wie 'glücklich' und suche nach einer Liste von Synonymen oder verwandten Emotionen. Erforsche die feinen Unterschiede zwischen diesen Begriffen. Zum Beispiel könnten 'zufrieden', 'überglücklich' und 'befriedigt' alle Nuancen von 'glücklich' darstellen, die in unterschiedlichen Kontexten angemessen sind. Übung 5: Rollenspiele Nutze Rollenspiele, um emotionale Szenarien durchzuspielen. Arbeite mit einem Partner oder einer Gruppe und versuche, in euren Dialogen ein reichhaltiges 196

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emotionales Vokabular zu verwenden. Dies kann eine spielerische Art sein, neue Emotionsworte in einen interaktiven Kontext zu bringen. Durch die regelmäßige Anwendung dieser Übungen wirst du nicht nur dein eigenes emotionales Verständnis vertiefen, sondern auch deine Fähigkeit, empathisch und präzise auf die Emotionen deiner Klienten einzugehen, signikant verbessern. Dies führt zu einer reichhaltigeren und nuancierteren Kommunikation, die den Coaching-Prozess bereichert. Empathie-Rollenspiele Empathietraining ist ein wertvoller Bestandteil der Entwicklung emotionaler Intelligenz für Coaches. Es schär die Fähigkeit, sich tiefgehend in die Erfahrungen, Gedanken und Gefühle der Klienten einzufühlen. Durch gezieltes Training und praktische Übungen können wir lernen, echte Empathie zu zeigen, die für den Auau einer vertrauensvollen und unterstützenden Coaching-Beziehung unerlässlich ist. Empathie-Rollenspiele ermöglichen es uns als Coaches, sich in die Lage der Klienten zu versetzen und aus deren Perspektive zu denken und zu fühlen. Diese Art von Training hil Coaches nicht nur, ihre empathischen Fähigkeiten zu verbessern, sondern fördert auch ein tieferes Verständnis für die Vielfalt menschlicher Erfahrungen. Durchführung von Empathie-Rollenspielen: 1. Szenarioauswahl: Beginne mit der Auswahl eines Szenarios, das typisch für deine Coaching-Sitzungen sein könnte. Dies könnte eine beruiche Herausforderung, eine persönliche Krise oder ein Zielkonikt sein, mit dem Klienten häug zu kämpfen haben. 2. Rollenverteilung: Arbeite mit einem Kollegen oder einer Gruppe von Coaches zusammen und verteilt die Rollen. Eine Person übernimmt die Rolle des Klienten, eine andere die des Coaches. Weitere Teilnehmer können Beobachter sein, die später Feedback geben. 3. Einfühlung in die Rolle: Die Person in der Rolle des Klienten beschreibt die Situation und ihre Gefühle so detailliert wie möglich. Der Coach versucht, sich vollständig in die Lage des Klienten hineinzuversetzen, um dessen Perspektive und emotionale Landscha zu verstehen. 197

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4. Entwicklung empathischer Reaktionen: Der Coach reagiert auf den "Klienten" mit dem Ziel, Empathie und Verständnis zu zeigen. Dies könnte durch aktives Zuhören, spiegelnde Aussagen oder das Stellen einfühlsamer Fragen geschehen. 5. Feedback und Reexion: Nach dem Rollenspiel geben die Teilnehmer Feedback über die Qualität der empathischen Reaktionen und diskutieren Möglichkeiten zur Verbesserung. Dieser Reexionsprozess ist entscheidend für das Lernen und die Weiterentwicklung empathischer Fähigkeiten. Vorteile von Empathie-Rollenspielen: -Erhöhung des Bewusstseins: Empathie-Rollenspiele erhöhen das Bewusstsein für die subtilen Nuancen in der Kommunikation und die Bedeutung nicht verbaler Signale beim Ausdruck von Empathie. -Verbesserung der emotionalen Intelligenz: Durch das Üben von Einfühlungsvermögen in kontrollierten Umgebungen können Coaches ihre emotionale Intelligenz gezielt stärken, insbesondere in Bezug auf Empathie und soziale Kompetenz. -Verfeinerung der Coaching-Techniken: Empathie-Rollenspiele bieten eine sichere Umgebung, um neue Techniken und Ansätze auszuprobieren, ohne reale Klientenbeziehungen zu gefährden. Empathietraining, insbesondere durch Empathie-Rollenspiele, ist eine gute Methode, um die eigenen Fähigkeit zur Einfühlung zu verbessern und eine tiefere, unterstützende Verbindung zu den künigen Klienten aufzubauen. Diese Praxis trägt wesentlich dazu bei, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit im Coaching-Prozess zu schaffen, die es Klienten ermöglicht, sich vollständig zu öffnen und transformative Veränderungen in ihrem Leben zu erleben. Empathie-Vertiefungsübungen Übung 1: Perspektivenwechsel Das Hauptziel dieser Übung besteht darin, deine Empathiefähigkeit zu verbessern, indem du dich geistig und emotional in die Lage eines deiner Klienten versetzt. Indem du versuchst, deren Perspektive anzunehmen und ihre Erfahrungen, Gedanken und Gefühle aus ihrer Sicht zu formulieren, trainierst du deine Fähigkeit, 198

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dich in andere hineinzuversetzen. Dies fördert ein tieferes Verständnis für die individuellen Herausforderungen und emotionalen Zustände deiner Klienten. Schritt 1: Tagebuch eines Klienten •Auswahl eines Klienten: Denke an einen spezischen Klienten und ein ema oder eine Herausforderung, mit der dieser kürzlich zu kämpfen hatte. •Rollenübernahme: Versetze dich geistig in die Lage dieses Klienten. Versuche, seine Weltanschauung, seine Emotionen und seine Gedanken zu diesem ema nachzuvollziehen. •Tagebucheintrag schreiben: Schreibe aus der Perspektive des Klienten einen Tagebucheintrag über das gewählte ema. Achte darauf, die Emotionen und Gedanken, die der Klient in Bezug auf diese Situation haben könnte, so authentisch wie möglich zu erfassen. Wie würde der Klient das Problem beschreiben? Welche Emotionen könnten dabei im Vordergrund stehen? Wie geht der Klient mit der Situation um? Schritt 2: Reexion •Perspektivwechsel bewerten: Nachdem du den Tagebucheintrag verfasst hast, nimm dir Zeit, über den Prozess und das Ergebnis zu reektieren. Hat das Schreiben deine Sichtweise auf die Herausforderungen des Klienten verändert oder erweitert? •Neue Einsichten: Überlege, ob dir durch das Verfassen des Tagebucheintrags neue Einsichten oder Empndungen in Bezug auf die Situation des Klienten gekommen sind. Gab es Aspekte der Erfahrung des Klienten, die dir vorher vielleicht nicht so bewusst waren? Wie könnten diese neuen Einsichten deine Herangehensweise an zukünige Sitzungen mit dem Klienten oder anderen Klienten mit ähnlichen Herausforderungen beeinussen? Diese Übung ermöglicht es dir, dein empathisches Verständnis zu vertiefen und deine Coaching-Ansätze möglicherweise anzupassen, um besser auf die individuellen Bedürfnisse und emotionalen Zustände deiner Klienten einzugehen. Durch das praktische Erleben der Welt aus der Sicht des Klienten kannst du eine stärkere Verbindung und ein tieferes Vertrauensverhältnis auauen. 199

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Übung 2: Emotionale Spiegelung 1. Partnerübung: Arbeite mit einem Kollegen zusammen und erzählt euch abwechselnd von einer persönlichen Erfahrung, die eine starke emotionale Reaktion hervorgerufen hat. 2. Spiegelung: Versuche, die Emotionen deines Gegenübers so genau wie möglich widerzuspiegeln, sowohl verbal als auch nonverbal. Achte auf feine Nuancen in der Stimme, Mimik und Gestik. 3. Feedback: Erhaltet gegenseitig Feedback darüber, wie genau und einfühlsam die emotionale Spiegelung war. Diskutiert, welche Aspekte besonders herausfordernd oder aufschlussreich waren. Übung 3: Aktives Zuhören 1. Übungssitzung: Führe eine Übungssitzung durch, in der du dich voll und ganz auf das Zuhören konzentrierst, ohne Unterbrechungen oder sofortige Lösungsvorschläge. 2. Kernemotionen identizieren: Versuche, die zugrundeliegenden Emotionen in den Erzählungen des "Klienten" zu identizieren und benenne diese, um dein Verständnis zu zeigen. 3. Reexion: Besprich anschließend, wie es war, sich so intensiv auf das Zuhören zu konzentrieren und welche neuen Einsichten dadurch gewonnen wurden. Übung 4: Empathie in der Alltagskommunikation 1. Tägliche Praxis: Integriere empathisches Zuhören und Reagieren in deine täglichen Interaktionen, sowohl im beruichen als auch im privaten Umfeld. 2. Bewusstsein schärfen: Mache dir Notizen darüber, wie sich deine Beziehungen und Gespräche verändern, wenn du bewusst empathische Techniken anwendest. 3. Selbstreexion: Reektiere regelmäßig über deine Fortschritte und Herausforderungen bei der Anwendung von Empathie in der Kommunikation. Diese vertiefenden Empathie-Übungen können dir helfen, ein tieferes Verständnis und eine stärkere Verbindung zu deinen Klienten aufzubauen. Indem du kontinuierlich an deiner Fähigkeit arbeitest, dich in andere hineinzuversetzen und 200

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authentisch auf ihre Emotionen zu reagieren, wirst du zu einem noch effektiveren und einfühlsameren Coach. Kollegiales Feedback und Supervision Das Einholen von Feedback von Kollegen und die Inanspruchnahme von Supervision sind zwei essenzielle Methoden, die Coaches dabei unterstützen, ihre Praxis kontinuierlich zu verbessern und ihre emotionalen und professionellen Fähigkeiten zu schärfen. Kollegiales Feedback Das primäre Ziel des kollegialen Feedbacks im Coaching besteht darin, die Fertigkeiten von Coaches durch direktes und konstruktives Feedback von Kollegen kontinuierlich zu verbessern. In einem Umfeld des gegenseitigen Austauschs präsentieren Coaches einander ihre Coaching-Sitzungen, diskutieren diese und bieten einander wertvolle Einsichten sowie Vorschläge zur Verbesserung. Dies fördert nicht nur die individuelle Kompetenz, sondern auch das kollektive Verständnis und die Anwendung effektiver Coaching-Techniken. Der Prozess des kollegialen Feedbacks ndet häug in einer lockeren oder halbformellen Atmosphäre statt, wie beispielsweise in Peer-Coaching-Gruppen oder in speziellen Coaching-Zirkeln. Innerhalb dieser Gruppen üben Coaches aktiv ihre Coaching-Methoden, präsentieren spezische Fälle oder Herausforderungen und erhalten darauin gezieltes Feedback. Diese Rückmeldungen beziehen sich auf di e an g e w an d te n Te chn i k en , di e He r a nge hen swe is e s owi e d ie Interaktionsdynamiken mit den Klienten. Durch diesen Prozess können Coaches ihre Methoden verfeinern und ihre beruiche Praxis weiterentwickeln. Der Fokus im kollegialen Feedback liegt auf der persönlichen und professionellen Entwicklung der Coaches. Besonderes Augenmerk wird auf die Verbesserung spezischer Coaching-Techniken und -Ansätze gelegt. Das Feedback, das in diesen Sitzungen gegeben wird, ist typischerweise sehr zielgerichtet und konstruktiv, orientiert sich eng an den vorgestellten Coaching-Situationen und zielt darauf ab, praktische und sofort umsetzbare Verbesserungen zu fördern. Kollegiales Feedback im Coaching bietet zahlreiche Vorteile. Es stärkt das kollegiale Netzwerk, indem es eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Wissen 201

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bietet. Durch den regelmäßigen Dialog und die gemeinsame Reexion von Coaching-Praktiken fördert es nicht nur das persönliche Lernen jedes Einzelnen, sondern trägt auch zum professionellen Wachstum der gesamten Coaching-Community bei. Darüber hinaus ermöglicht es den Coaches, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, neue Perspektiven zu gewinnen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies trägt zur Qualitätssicherung und zur Erhöhung der Wirksamkeit in der Coaching-Praxis bei. Supervision Das Hauptziel der Supervision besteht darin, die professionelle Praxis kritisch zu reektieren und kontinuierlich zu verbessern, potenzielle Risiken zu identizieren und zu managen sowie die Einhaltung ethischer Standards sicherzustellen. Supervisoren sind in der Regel erfahrene Fachkräe oder Experten, die nicht nur tiefergehende Einsichten bieten, sondern auch richtungsweisende Anleitungen geben, um die Fachkompetenz ihrer Supervisanden zu fördern. Supervision etabliert eine formelle und strukturierte Beziehung und ndet in regelmäßigen, geplanten Sitzungen statt. Supervisanden, wie Coaches, Berater oder erapeuten, bringen spezische Fälle, beruiche Herausforderungen oder Fragen in die Supervision ein. Diese emen werden gemeinsam mit dem Supervisor tiefgehend analysiert und reektiert. Dieser Prozess ermöglicht es dem Supervisanden, aus einer objektiven Perspektive über seine Arbeit nachzudenken und von der Erfahrung und dem Wissen des Supervisors zu protieren. Der Fokus in der Supervision liegt auf der umfassenden beruichen Praxis des Supervisanden und umfasst mehr als nur die Verbesserung spezischer Fähigkeiten oder Techniken. Im Mittelpunkt stehen das Verständnis und die Analyse der Interaktionen zwischen dem Praktiker und seinen Klienten, einschließlich der Bewältigung von Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen und der Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen. Supervision bietet eine tiefgreifende, o durch 202

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psychodynamische eorien bereicherte Perspektive auf die beruiche Arbeit des 56Praktikers. Sie trägt zur Qualitätssicherung bei, schützt die Interessen der Klienten und fördert die beruiche Weiterentwicklung durch eine reexive Praxis. Diese strukturierte Reexion hil den Praktikern, ihre professionelle Identität weiterzuentwickeln, ihre Methoden zu verfeinern und ihre therapeutischen Beziehungen effektiver zu gestalten. Durch Supervision werden nicht nur individuelle Fähigkeiten gestärkt, sondern auch die professionellen Standards innerhalb der gesamten Branche gehoben. Während kollegiales Feedback im Coaching o eine peer-basierte, gegenseitige Unterstützungsform ist, die spezisch auf die Verbesserung von Coaching-Techniken abzielt, ist Supervision eine umfassendere, formellere Beziehung, die auf die gesamte professionelle Praxis und ethische Reexion ausgerichtet ist. Beide Formen der professionellen Unterstützung sind meist unerlässlich für eine wirksame Praxis und tragen dazu bei, dass Praktiker in beratenden Berufen ihre Arbeit verantwortungsbewusst und effektiv ausführen können. Durch die Kombination von kollegialem Feedback und professioneller Supervision erhältst du ein umfassendes Bild deiner Stärken und Entwicklungsbereiche als Coach. Diese Praktiken fördern nicht nur deine fachliche Kompetenz, sondern stärken auch deine emotionale Resilienz und deine Fähigkeit, authentische und transformative Coaching-Beziehungen aufzubauen. Emotionsregulation Emotionsregulation ist ein weiterer Bestandteil der emotionalen Intelligenz eines Coaches, da sie ihm hil, seine eigenen Emotionen effektiv zu erkennen, zu verstehen und zu steuern. Ein Coach, der in der Lage ist, seine eigenen Emotionen angemessen zu regulieren, kann besser mit den Emotionen seiner Klienten umgehen und eine unterstützende Coaching-Beziehung auauen. Durch die In diesem Zusammenhang beziehen sich 'psychodynamische eorien' auf Ansätze, die 56unbewusste Prozesse und Konikte im Individuum untersuchen, um deren Auswirkungen auf das Verhalten und die Beziehungen zu verstehen. Diese eorien, die ihren Ursprung in der Psychoanalyse haben, betonen die Bedeutung früherer Erfahrungen und innerer Dynamiken für das aktuelle Erleben und Handeln. In der Supervision bereichern sie die Reexion beruicher Praxis, indem sie tiefere Einblicke in die zwischenmenschlichen Dynamiken und persönlichen Motivationen der Praktiker ermöglichen. Dies trägt zur Verbesserung der beruichen Kompetenzen und zur Sicherstellung hoher professioneller Standards bei.203

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Fähigkeit, Emotionen bewusst wahrzunehmen und zu kontrollieren, kann der Coach seine Reaktionen in Coaching-Situationen gezielt lenken und die Qualität der Interaktion mit dem Klienten verbessern. Eine gut regulierte emotionale Reaktion ermöglicht es dem Coach auch, objektivere Entscheidungen zu treffen und eine professionelle Distanz zu wahren, was insgesamt zu einer effektiveren und erfolgreichen Coaching-Praxis führt. Strategien zur Emotionsregulation entwickeln Coaches können Übungen durchführen, um ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation zu stärken und konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Zum Beispiel können sie sich auf die Identizierung und den Umgang mit stressigen Situationen konzentrieren oder Techniken zur Entspannung und Stressbewältigung erlernen. Durch die Entwicklung effektiver Emotionsbewältigungsstrategien können wir Coaches besser in der Lage sein, Ruhe und Gelassenheit in schwierigen Coaching-Situationen zu bewahren. Hier sind einige Beispiele für Emotionsbewältigungs-strategien: 1. Atemtechniken: Coaches können Atemtechniken verwenden, um sich im Moment zu verankern und Stress abzubauen. Dies kann einfaches tiefes Ein- und Ausatmen oder gezielte Atemübungen wie die 4-7-8-Methode beinhalten. 57Durch bewusstes Atmen können Coaches ihre Emotionen beruhigen und eine ruhige und gelassene Präsenz im Coaching-Prozess aufrechterhalten. 2. Achtsamkeit: Achtsamkeitspraktiken können Coaches dabei helfen, sich bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und sich von störenden Gedanken und Emotionen zu lösen. Durch regelmäßige Die 4-7-8-Methode ist eine Atemtechnik, die von Dr. Andrew Weil, einem Arzt und Pionier 57der integrativen Medizin, entwickelt wurde. Sie basiert auf der Pranayama-Tradition aus dem Yoga und dient dazu, das Nervensystem zu beruhigen, Stress abzubauen und einen entspannten Zustand zu fördern. Die Methode folgt einem einfachen Rhythmus: Einatmen durch die Nase für 4 Sekunden - Atem anhalten für 7 Sekunden - Langsames Ausatmen durch den Mund für 8 Sekunden. Durch die bewusste Regulierung der Atmung wird das parasympathische Nervensystem aktiviert, wodurch sich der Puls verlangsamt und der Körper in einen Zustand tiefer Entspannung versetzt wird. Diese Technik kann insbesondere bei Stress, Angstzuständen oder Einschlafproblemen hilfreich sein. Siehe Weil, A. (2011). Spontaneous Happiness. Little, Brown and Company. 204

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Achtsamkeitsmeditationen oder Achtsamkeitsübungen können Coaches lernen, ihre Emotionen zu akzeptieren, ohne von ihnen überwältigt zu werden, und eine unterstützende und einfühlsame Präsenz im Coaching-Prozess aufrechterhalten. 3. Stressmanagement: Coaches können verschiedene Stressmanagement-techniken einsetzen, um mit stressigen Situationen umzugehen und ihre Emotionen zu regulieren. Dies kann körperliche Aktivität wie Sport oder Yoga, Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder kognitive Umstrukturierungstechniken wie das Herausfordern von negativen Gedanken beinhalten. Durch den Einsatz von Stress-managementtechniken können Coaches ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation stärken und eine unterstützende Umgebung für den Klienten aufrechterhalten. 4. Selbstfürsorge: Selbstfürsorge ist entscheidend für Coaches, um ihre eigenen emotionalen Ressourcen aufzufüllen und sich vor Überlastung zu schützen. Coaches können sich Zeit für Selbstpegeaktivitäten wie Entspannung, Hobbys, soziale Interaktionen oder Ruhepausen nehmen, um ihre eigene emotionale Gesundheit zu fördern. Indem sie für sich selbst sorgen, können Coaches ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation stärken und eine unterstützende und einfühlsame Coaching-Beziehung aufrechterhalten. 5. Grenzen setzen: Coaches können lernen, klare Grenzen zu setzen und ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu kommunizieren, um sich vor Überlastung zu schützen. Dies kann bedeuten, Nein zu sagen zu zusätzlichen Aufgaben oder Verpichtungen, Zeit für Erholung und Regeneration einzuplanen oder Unterstützung von Kollegen oder Vorgesetzten zu suchen, wenn nötig. Durch das Setzen und Durchsetzen von Grenzen können Coaches ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation stärken und eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Leben aufrechterhalten. 6. Kognitive Umstrukturierung:Die kognitive Umstrukturierung wird noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt betrachtet. Sie ist eine Technik aus der kognitiven Verhaltenstherapie, die darauf abzielt, unproduktive oder negative Denkmuster zu identizieren und in konstruktivere Gedanken umzuwandeln. Diese Technik basiert auf der Erkenntnis, dass nicht die Ereignisse selbst, sondern unsere Gedanken über diese Ereignisse unsere Emotionen und Verhaltensweisen bestimmen. 205

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7. Entspannungsübungen: Entspannungsübungen sind eine weitere effektive Methode, um die körperlichen und emotionalen Reaktionen auf Stress zu mildern. Techniken wie tiefe Atmung, progressive Muskelentspannung oder geführte Visualisierungen können dazu beitragen, das Nervensystem zu beruhigen und ein Gefühl der Ruhe wiederherzustellen. Beispiele für Entspannungsübungen: •Tiefe Atmung: Konzentriere dich auf deine Atmung, indem du tief durch die Nase einatmest, einen Moment hältst und dann langsam durch den Mund ausatmest. Dies hil, den Parasympathikus zu aktivieren, der Teil des Nervensystems, der für Entspannung zuständig ist. •Progressive Muskelentspannung: Spanne gezielt einzelne Muskelgruppen für einige Sekunden an und entspanne sie dann bewusst. Beginne bei den Füßen und arbeite dich bis zum Kopf vor. Diese Technik reduziert körperliche Anspannung und fördert die Entspannung. •Geführte Visualisierung: Stelle dir in deinem Geist einen Ort vor, der für dich Ruhe und Frieden symbolisiert. Konzentriere dich auf die Details dieses Ortes – die Geräusche, die Farben, die Empndungen. Diese Technik kann eine schnelle Flucht aus dem Stress des Moments bieten und dir helfen, innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Entwicklung effektiver Emotionsregulationstechniken erfordert Zeit und Praxis. Es ist wichtig, diese Techniken regelmäßig zu üben, damit sie in stressigen Momenten instinktiv zur Verfügung stehen. Beginne mit kurzen täglichen Übungen und integriere sie in deinen Alltag, um ihre Wirksamkeit zu maximieren. Indem du als Coach effektive Emotionsregulationstechniken beherrschst, stärkst du nicht nur deine eigene Resilienz, sondern bietest auch ein wertvolles Modell für deine Klienten. Diese Fähigkeiten ermöglichen es dir, auch in den herausforderndsten Coaching-Situationen eine Quelle der Stabilität und Unterstützung zu sein. Die transformative Kraft von Feedback und Feedforward Im Coaching spielen Feedback und Feedforward eine entscheidende Rolle bei der Förderung der persönlichen und beruichen Entwicklung von Klienten. Im 206

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Gegensatz zum traditionellen Feedback, das o bewertend ist und sich auf die Beurteilung der Leistung konzentriert, bietet Coaching-Feedback tiefergehende Einsichten, die auf Wachstum und zukünige Entwicklung ausgerichtet sind. Während Feedback einen reektierenden Blick auf vergangene Erfahrungen und deren Auswirkungen wir, richtet Feedforward den Fokus auf zukünige Möglichkeiten und die Erreichung von Zielen. Beide Methoden sind kravolle Instrumente, die Klienten dabei unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten und proaktiv an ihrer eigenen Entwicklungsgeschichte zu schreiben. Dieser Ansatz ermöglicht Coaches, eine nachhaltige Wirkung auf das Leben ihrer Klienten zu haben, indem sie sie befähigen, sowohl aus der Vergangenheit zu lernen als auch aktiv ihre Zukun zu gestalten. Feedback im Coaching: Ein Werkzeug zur Reflexion und Entwicklung Im Coaching-Kontext ist Feedback mehr als nur eine einfache Rückmeldung oder Bewertung. Es ist ein zentrales Werkzeug, das dazu dient, Klienten ein tieferes Verständnis ihrer eigenen Handlungen, Gedanken und Reaktionen zu ermöglichen. Coaching-Feedback fokussiert sich auf konstruktive Entwicklung und Wachstum, nicht auf Kritik oder Bewertung im traditionellen Sinne. Es dient dazu, die Selbstwahrnehmung zu schärfen und den Klienten zu motivieren, ihre persönlichen und beruichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Feedback im Coaching wird strategisch eingesetzt, um spezische Lern- und Entwicklungsziele zu unterstützen: -Reexionsförderung: Durch Feedback werden Klienten ermutigt, über ihre vergangenen Erfahrungen nachzudenken und daraus zu lernen. Coaches helfen dabei, diese Erfahrungen in Kontext zu setzen und verständlich zu machen, welche Lektionen daraus gezogen werden können. -Stärkung der Stärken: Feedback hebt nicht nur Bereiche für potenzielle Verbesserung hervor, sondern betont auch die Stärken des Klienten. Dies fördert das Selbstvertrauen und die Motivation. -Entwicklung von Handlungsstrategien: Auf Basis des Feedbacks entwickeln Klienten zusammen mit ihrem Coach konkrete Handlungspläne, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Fähigkeiten zu verbessern. 207

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Das Feedback im Coaching ist immer spezisch, messbar und auf den individuellen Kontext des Klienten zugeschnitten. Es vermeidet allgemeine oder vage Kommentare und konzentriert sich stattdessen auf konkrete Beispiele und Situationen. Coaches nutzen dabei Techniken wie offene Fragen, aktives Zuhören und Paraphrasieren, um den Dialog zu fördern und den Klienten zur Selbstreexion anzuregen. Beispiel für effektives Coaching-Feedback: Ein Coach könnte beispielsweise sagen: "Als du in der letzten Sitzung über deine Herausforderungen sprachst, habe ich bemerkt, dass du lösungsorientiert gedacht hast. Das zeigt deine Fähigkeit, proaktiv Probleme anzugehen. Wie könntest du diese Stärke nutzen, um die aktuelle Situation zu verbessern?" Feedforward im Coaching: Navigation in die Zukunft Feedforward, als zukunsorientierter Coaching-Ansatz, unterscheidet sich deutlich von Feedback, indem es nicht vergangene Handlungen bewertet, sondern proaktiv auf die Erreichung zuküniger Ziele ausgerichtet ist. Es handelt sich um eine vorwärtsgerichtete Methode, die darauf abzielt, den Klienten klare Wege und Strategien aufzuzeigen, wie sie ihre persönlichen und beruichen Ziele erreichen können. Die Anwendung von Feedforward im Coaching-Prozess beinhaltet: -Zielsetzung: Gemeinsam mit dem Klienten deniert der Coach spezische, messbare und erreichbare Ziele. Dieser Prozess hil, eine klare Richtung und Motivation für die zukünige Entwicklung zu schaffen. -Aktionsplanung: Auf Basis der gesetzten Ziele entwickeln Klient und Coach einen detaillierten Aktionsplan, der Schritte und Meilensteine zur Zielerreichung enthält. -Ressourcenidentikation: Feedforward beinhaltet auch das Erkennen und Nutzbarmachen von Ressourcen, die dem Klienten zur Verfügung stehen, um seine Ziele zu erreichen. Feedforward ermutigt Klienten, Eigeninitiative zu ergreifen und ein positives, zukunsorientiertes Denken zu entwickeln. Durch diesen Ansatz werden Klienten aktiv in den Prozess ihrer eigenen Entwicklung einbezogen und dazu motiviert, sich Herausforderungen zu stellen und Chancen zu nutzen. 208

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Beispiel für effektives Feedforward: Ein Coach könnte beispielsweise anregen: "Angenommen, du möchtest deine Führungsqualitäten verbessern. Lass uns überlegen, welche konkreten Schritte du in den nächsten drei Monaten unternehmen könntest, um dieses Ziel zu erreichen. Welche Ressourcen stehen dir zur Verfügung, und wie könnten wir diese am besten nutzen?" Unterschied: Coaching-Feedback und traditionellem Feedback Der fundamentale Unterschied zwischen Coaching-Feedback und traditionellem Feedback liegt in den jeweiligen Zielen, Kontexten und Ansätzen, die in beiden Formen Anwendung nden. Diese Unterschiede sind entscheidend, um die einzigartige Rolle des Coachings in der Förderung von persönlichem und beruichem Wachstum zu verstehen. Bewertung vs. Entwicklung -Traditionelles Feedback wird o in evaluativer Form gegeben, mit dem Ziel, Leistung oder Verhalten zu beurteilen. In organisatorischen oder akademischen Settings dient es häug als Instrument zur Leistungsbeurteilung, wobei der Schwerpunkt auf der Bewertung von Ergebnissen liegt. -Coaching-Feedback hingegen ist auf die Förderung und Unterstützung der persönlichen und beruichen Entwicklung des Klienten ausgerichtet. Es ist darauf angelegt, Bewusstsein und Einsicht zu schaffen und den Klienten zu ermutigen, eigenständig Lösungswege und Entwicklungsmöglichkeiten zu erkunden. Rückblickend vs. Zukunftsorientiert -Traditionelles Feedback konzentriert sich o auf vergangene Aktionen und Ergebnisse, um bereits erfolgte Leistungen oder Verhaltensweisen zu bewerten. -Coaching-Feedback ist, obwohl es auch vergangene Erfahrungen reektiert, hauptsächlich zukunsorientiert. Es unterstützt den Klienten bei der Planung zuküniger Aktionen und der Verbesserung seiner zukünigen Leistungen. 209

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Kritik vs. Konstruktivität -Traditionelles Feedback kann o kritische Elemente enthalten, die Fehler oder Dezite hervorheben und wird manchmal als negativ empfunden. -Coaching-Feedback legt den Fokus auf konstruktive Rückmeldungen, die den Klienten ermutigen, indem Stärken hervorgehoben und positive Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Autorität vs. Partnerschaft -Traditionelles Feedback wird o von einer autoritären Position aus gegeben, wie von einem Vorgesetzten oder Lehrer, wodurch ein hierarchisches Verhältnis zwischen dem Feedbackgeber und -empfänger entsteht. -Coaching-Feedback basiert auf einer gleichwertigen Partnerscha, in der der Coach den Klienten dazu ermutigt, eigene Erkenntnisse und Lösungen zu entwickeln. Dieses Verhältnis stärkt die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung des Klienten. Einseitig vs. Dialogorientiert -Traditionelles Feedback ist o einseitig und lässt wenig Raum für Interaktion oder Diskussion. Der Empfänger ist in der Regel ein passiver Teilnehmer im Feedbackprozess. -Coaching-Feedback ist inhärent dialogorientiert und interaktiv. Coach und Klient arbeiten zusammen daran, das Feedback zu erkunden, zu verstehen und praktische Schritte für die Entwicklung abzuleiten. Diese Unterschiede sollen verdeutlichen, was das Feedback im Coaching bedeutet, nämlich den Klienten aktiv in seiner Entwicklung zu unterstützen und zu inspirieren. Durch die klientenzentrierte Kommunikation, die auf Paraphrasieren und Verbalisieren ohne Einbringen persönlicher Meinungen des Coaches basiert, fördert Coaching-Feedback eine tiefe Selbstreexion und ermöglicht den Klienten, eigenständig Wege zur persönlichen und beruichen Weiterentwicklung zu nden. 210

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Nonverbale Kommunikation und Körpersprache Nonverbale Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil menschlicher Interaktion. Studien aus der Kommunikationswissenscha zeigen, dass bis zu 93 % der Informationen, die in einem Gespräch vermittelt und interpretiert werden, nonverbal sind. Tonfall, Körpersprache und Gesichtsausdrücke ergänzen nicht nur die gesprochenen Worte, sondern können diese auch dominieren. Lediglich 7 % der übermittelten Informationen erfolgen durch Worte. Diese Aspekte sind besonders 58im Coaching von großer Bedeutung, da sie tiefere emotionale Zustände und Einstellungen eines Klienten offenbaren können, die über verbale Äußerungen hinausgehen. Im Präsenz-Coaching bietet die physische Anwesenheit von Coach und Klient die Möglichkeit, ein breites Spektrum an nonverbalen Signalen zu nutzen und zu interpretieren, von Mimik und Gestik bis hin zur Körperhaltung und dem räumlichen Verhalten. Die direkte Interaktion ermöglicht eine unmittelbare und intuitive Erfassung dieser Signale, die eine tiefe und nuancierte Kommunikation fördert. Im Gegensatz dazu erfordert das Online-Coaching eine Anpassung der nonverbalen Kommunikationsstrategien, da die visuellen und auditiven Informationen durch die technischen Medien geltert und möglicherweise eingeschränkt werden. Die Beschränkung auf das, was durch die Kamera sichtbar ist, und die Abhängigkeit von der Tonqualität erfordern vom Coach ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und Sensibilität, um die subtilen nonverbalen Hinweise des Klienten zu erfassen und entsprechend darauf zu reagieren. In beiden Settings ist die bewusste Anwendung und Interpretation nonverbaler Kommunikation entscheidend, um eine effektive und empathische Coaching-Beziehung aufzubauen. Coaches müssen die Besonderheiten jedes Settings erkennen und ihre Kommunikationsstrategien entsprechend anpassen, um eine optimale Unterstützung und Förderung ihrer Klienten zu gewährleisten. Lass uns hier noch ein wenig tiefer schauen und mit dem Präsenzcoaching beginnen. Siehe hierzu Mehrabian, A., & Wiener, M. (1967). Decoding of inconsistent 58communications. Journal of Personality and Social Psychology, 6(1), 109–114. Und Mehrabian, A., & Ferris, S. R. (1967). Inference of attitudes from nonverbal communication in two channels. Journal of Consulting Psychology, 31(3), 248–252. 211

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Präsenzcoaching Die Bedeutung nonverbaler Kommunikation im Coaching ist nicht zu unterschätzen, da sie essentielle Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt des Klienten bietet und die Grundlage für eine effektive und empathische Coaching-Beziehung scha. Nonverbale Signale, die eine Vielzahl von Ausdrucksformen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Augenkontakt und räumliche Dynamik umfassen, ergänzen die verbale Kommunikation und ermöglichen eine ganzheitliche Verständigung zwischen Coach und Klient. Folgende Aspekte sind nun bezüglich der nonverbalen Kommunikation beim Präsenzcoaching wichtig. -Ganzheitliche Kommunikation: Nonverbale Kommunikation trägt entscheidend zu einer ganzheitlichen Botschasübermittlung bei und bietet o tiefergehende Einblicke in die wahren Gefühle und Intentionen eines Individuums. Ein erfahrener Coach, der aufmerksam nonverbale Hinweise wie Mimik oder Körperdynamik aber auch Tonfall und -dynamik beobachtet, kann so ein umfassendes Verständnis des kommunikativen Ausdrucks des Klienten gewinnen. Dies ermöglicht eine effektivere Interpretation der gesamten Kommunikation, die über die reinen Worte hinausgeht. -Auau von Vertrauen und Rapport: Die bewusste Nutzung und Interpretation 59nonverbaler Signale im Coaching trägt maßgeblich zum Auau von Vertrauen und einer positiven Beziehung zwischen Coach und Klient bei. Offene Körpersprache, angemessener Augenkontakt und empathische Gesten signalisieren Verständnis und Respekt, was eine vertrauensvolle und unterstützende Atmosphäre scha, die für ein produktives Coaching-Umfeld unerlässlich ist. -Erkennung von Emotionen und Bedürfnissen: Die sorgfältige Beobachtung nonverbaler Ausdrücke liefert wertvolle Einsichten in die emotionalen Zustände und Bedürfnisse des Klienten. Ein Coach, der fähig ist, subtile nonverbale Hinweise zu erkennen und darauf einzugehen, kann eine angemessene und gezielte Unterstützung bieten, die den Klienten in seiner Entwicklung maßgeblich unterstützt. Siehe hierzu auch das aktive Zuhören. 59212

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-Anpassung der Coaching-Methode: Die Beachtung nonverbaler Kommunikation ermöglicht eine individuelle Anpassung der Coaching-Strategien an den Klienten. Die Feinabstimmung von Elementen wie Tonfall, Sprechtempo und nonverbaler Ausdrucksweise an die Bedürfnisse und den emotionalen Zustand des Klienten trägt zur Schaffung einer maßgeschneiderten Coaching-Umgebung bei. -Klärung von Missverständnissen: Nonverbale Signale können wesentlich zur Aulärung von Missverständnissen oder Unklarheiten im Coaching-Prozess beitragen. Ein Coach, der in der Lage ist, Diskrepanzen zwischen dem verbalen Ausdruck und nonverbalen Verhalten zu identizieren und anzusprechen, kann Missverständnisse klären und ein klares Verständnis fördern. In der Gesamtschau erweist sich die genaue Betrachtung und Einbeziehung der nonverbale Kommunikation als unverzichtbares Werkzeug im Coaching, das nicht nur die verbale Kommunikation ergänzt, sondern auch eine tiefe, empathische Verbindung zwischen Coach und Klient fördert. Sie ermöglicht es dem Coach, eine umfassende Perspektive auf die kommunikativen Ausdrücke des Klienten zu erhalten und bietet somit eine fundamentale Basis für eine effektive und klientenzentrierte Unterstützung. Die sorgfältige Beachtung und Einbindung nonverbaler Kommunikation im Coaching trägt somit maßgeblich zur Schaffung einer unterstützenden und wirkungsvollen Coaching-Beziehung bei. Online-Coaching In der Domäne der Online-Beratung stellt die Anpassung an die eingeschränkte Verfügbarkeit nonverbaler Kommunikationssignale eine Herausforderung dar. Nonverbale Signale wie Körpersprache, Mimik und Tonfall sind, wie wir besprochen haben, wesentliche Bestandteile der zwischenmenschlichen Kommunikation, die im digitalen Kontext häug reduziert oder anders wahrgenommen werden. Diese veränderte Wahrnehmung visueller und auditiver Elemente erfordert vom Coach eine besonders sorgfältige Berücksichtigung und Anpassung, um die Qualität der Beratung aufrechtzuerhalten und eine positive und konstruktive Atmosphäre zu fördern. Um diese Herausforderungen besser zu verstehen, ist es wichtig, die folgenden Aspekte zu betrachten: 213

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-Auditive Kommunikation: Im Rahmen von Beratungssitzungen, die ausschließlich auf audiovisuellen Medien basieren, gewinnen paraverbale Elemente wie Tonfall, Betonung und Sprechgeschwindigkeit eine verstärkte Bedeutung. Diese akustischen Signale können, in Ermangelung visueller Hinweise, wesentlich zur Übermittlung emotionaler Zustände und zur Schaffung einer Atmosphäre des Vertrauens beitragen. Ein bewusst modulierter, empathischer Tonfall kann eine wichtige Rolle spielen, indem er dem Klienten ein Gefühl von Sicherheit und Akzeptanz vermittelt und somit eine essenzielle Basis für eine offene und ehrliche Kommunikation scha. -Visuelle Aspekte im Online-Coaching: Trotz der Einschränkungen, die Online-Beratungen hinsichtlich der Übertragung nonverbaler Signale mit sich bringen, bieten visuelle Elemente wie Prolbilder oder die Gestaltung des digitalen Raumes Möglichkeiten, eine professionelle und vertrauenserweckende Präsenz zu etablieren. Ein sorgfältig gewähltes Prolbild und ein ansprechender gestalteter Hintergrund können signikant zur Wahrnehmung der Professionalität des Coaches beitragen und somit die Grundlage für eine positive Beziehung zum Klienten stärken. -Strategien für eine effektive Online-Kommunikation: Um die spezischen Herausforderungen der Online-Kommunikation zu adressieren und die Integrität des Beratungsprozesses zu wahren, sollte der Coach: 1. Tonfall und Betonung bewusst einsetzen: Die gezielte Modulation der Stimme kann dazu dienen, Empathie und Verständnis zu signalisieren und den Klienten in seiner Ausdrucksfähigkeit zu unterstützen. 2. Sprechtempo anpassen: Ein angepasstes Sprechtempo trägt zur Klarheit der Kommunikation bei und ermöglicht dem Klienten, die Informationen vollständig zu erfassen und zu verarbeiten. 3. Professionelle Präsentation: Die Wahl eines professionellen Prolbildes und eines ungestörten, ansprechenden Hintergrunds unterstützt die Schaffung einer seriösen und angenehmen Beratungsumgebung. 4. Empathie und Präsenz vermitteln: Selbst in einem virtuellen Setting ist es essentiell, Präsenz und Einfühlungsvermögen zu kommunizieren, um die Beratungsbeziehung zu stärken. Die bewusste Anpassung an die spezischen Bedingungen der Online-Kommunikation und der gezielte Einsatz audiovisueller Elemente sind 214

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entscheidend, um eine unterstützende, empathische und effektive Beratungsumgebung zu schaffen. Durch diese Maßnahmen kann man als Coach sicherstellen, dass der Klient auch in einem virtuellen Raum sein volles Potenzial entfalten und positive Entwicklungen in seinem Leben initiieren kann. Individualität im Coaching: Die Essenz der Einzigartigkeit In der Kunst des Coachings manifestiert sich die Prämisse der Individualität als unverzichtbarer Grundsatz, der tief in der menschlichen Natur verwurzelt ist. Jeder Mensch ist ein Universum für sich – reich an einzigartigen Erfahrungen, Gefühlen, Gedanken und Perspektiven. Diese unverwechselbare Beschaffenheit des Individuums erfordert im Coaching einen maßgeschneiderten Ansatz, der die Einzigartigkeit jedes Coachees in den Mittelpunkt stellt. Die Wissenschaft hinter der Individualität Die Anerkennung der Individualität eines jeden Menschen ist nicht nur eine philosophische, sondern auch eine wissenschalich fundierte Notwendigkeit. Die Humanbiologie und Psychologie liefern zahlreiche Belege dafür, dass, obwohl Menschen ähnliche genetische Strukturen teilen, die Variabilität in der Expression dieser Gene, beeinusst durch Umwelt, Erziehung und persönliche Erfahrungen, zu einer beeindruckenden Diversität innerhalb der Spezies führt. Diese biologische und psychologische Diversität bedingt, dass standardisierte Coaching-Methoden nur bedingt wirksam sind und o einer individuellen Anpassung bedürfen. Die Rolle der Genetik in der Individualität ist fundamental, da sie die Grundbausteine des menschlichen Seins liefert. Jedoch ist es die Interaktion dieser genetischen Ausstattung mit der Umwelt, die letztlich die Persönlichkeit, Vorlieben und Verhaltensweisen eines Individuums formt. Diese dynamische Wechselwirkung macht jeden Menschen zu einem einzigartigen Wesen mit individuellen Bedürfnissen und Herausforderungen, was im Coaching berücksichtigt werden muss. Aus psychologischer Sicht trägt das Verständnis der individuellen kognitiven Prozesse, Emotionen und Verhaltensmuster wesentlich zur Effektivität des Coachings bei. Jeder Mensch verarbeitet Informationen, tri Entscheidungen und 215

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reagiert auf Stress oder Konikte auf seine Weise. Ein tiefes psychologisches Verständnis ermöglicht es dem Coach, maßgeschneiderte Techniken und Strategien zu entwickeln, die auf die spezischen mentalen Muster und emotionalen Bedürfnisse des Coachees abgestimmt sind. 60Die Individualität in der Coaching-Praxis Im Herzen des Coaching-Prozesses steht das tiefe Verständnis für den Coachee – seine Werte, Überzeugungen, Emotionen und seine einzigartige Lebensgeschichte. Nur ein Coach, der die Individualität seines Coachees erkennt und wertschätzt, kann zusammen mit diesem maßgeschneiderte Strategien entwickeln, die genau auf dessen Bedürfnisse, Ziele und Herausforderungen zugeschnitten sind. Diese Personalisierung ermöglicht es, maximales Wachstum und Entwicklung zu erreichen, denn sie spiegelt seine individuelle Weltanschauung und sein einzigartiges Potenzial wider. Lass und hier einige Aspekte betrachten. -Der Wert der maßgeschneiderten Ansätze: Die Entwicklung von individuell angepassten Coaching-Strategien erfordert ein hohes Maß an Empathie, Zuhören und Flexibilität seitens des Coaches. So kann man als Coachin nicht nur die spezischen Bedürfnisse und Ziele des Coachees adressieren, sondern auch eine tiefere Verbindung und Vertrauensbasis auauen. Diese individuelle Herangehensweise fördert eine stärkere Engagement und Eigenverantwortung des Coachees im Entwicklungsprozess. -Die Fallstricke der Generalisierung: Ein Kernaspekt des individuellen Ansatzes im Coaching ist die Vermeidung von Generalisierungen. Jeder Coachee sollte als einzigartiges Individuum betrachtet werden, ohne ihn auf Grundlage früherer Coaching-Erfahrungen zu beurteilen oder in Schubladen zu stecken. Die Genetische und umweltbedingte Einüsse auf die Persönlichkeit: Eine Studie des Max-60Planck-Instituts für Ornithologie zeigt, dass sowohl Gene als auch Umweltfaktoren das Verhalten und die neuronale Entwicklung beeinussen. Siehe hierzu Leitner, Stefan (2013), Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (Standort Seewiesen), Gene und Umwelt: Wie beeinussen sie Verhalten und Physiologie bei Singvögeln? Epigenetische Einüsse auf die Intelligenz: Forschungen der Charité – Universitätsmedizin Berlin belegen, dass Umweltfaktoren über epigenetische Veränderungen des Erbguts die Intelligenz beeinussen können.Charité (Pressemitteilung am 13.09.2018) Nimmt die Umwelt Einuss auf die Gene im Gehirn? 216

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Annahme, dass eine bestimmte Methode, die bei einem anderen Coachee erfolgreich war, auch in einem neuen Kontext funktionieren wird, kann irreführend sein und dem individuellen Entwicklungsprozess des Coachees sogar schaden. -Die Bedeutung der individuellen Anliegenklärung: Bevor ein Coaching-Prozess beginnt, ist eine gründliche und individuelle Aniegenklärung entscheidend. Diese beinhaltet das Verständnis der einzigartigen Situation, der psychologischen Muster, der Lebensgeschichte und der aktuellen Herausforderungen des Coachees. Eine solche umfassende Bewertung ermöglicht es dem Coach, einen wirklich individuellen Coaching-Plan zu entwickeln, der auf den einzigartigen Bedürfnissen und Zielen des Coachees basiert. Die Kunst des Coachings erfordert also ein tiefes Verständnis und eine Wertschätzung für die Individualität jedes Menschen. Indem Coaches die Einzigartigkeit ihrer Coachees erkennen und respektieren, können sie maßgeschneiderte Strategien entwickeln, die echtes Wachstum und positive Veränderungen bewirken. Dieser individuelle Ansatz stellt sicher, dass das Coaching nicht nur effektiv, sondern auch tiefgreifend und nachhaltig ist, da es die spezischen Bedürfnisse, Ziele und Potenziale jedes Einzelnen berücksichtigt. Verstehen heißt nicht einverstanden sein In der Coaching-Praxis ist ein grundlegendes Prinzip von entscheidender Bedeutung: 'Verstehen heißt nicht einverstanden sein.’ Diese Maxime unterstreicht die Notwendigkeit, eine tiefe Empathie und ein umfassendes Verständnis für die Perspektiven, Gefühle und Handlungen der Klienten zu entwickeln, ohne diese notwendigerweise gutheißen oder billigen zu müssen. In diesem Abschnitt erörtern wir, warum dieses Prinzip für effektives Coaching, aber auch für jedes andere Miteinander, unerlässlich ist und wie es in der Praxis umgesetzt werden kann. 217

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Die Bedeutung der empathischen Neutralität Das Konzept der ‚empathischen Neutralität‘ ist zentral für das Verständnis dieser Maxime. Es verlangt vom Coach, eine Position einzunehmen, in der er die Welt durch die Augen des Klienten sieht, dessen Gefühle nachempndet und dessen Gedankengänge versteht, ohne dabei eigene Urteile, Meinungen oder Lösungen einzubringen. Das ist nicht immer einfach und erfordert: -Aktives Zuhören: Vollständige Aufmerksamkeit auf das, was der Klient sagt und wie er es sagt, mit dem Ziel, die zugrunde liegenden Emotionen und Überzeugungen zu verstehen. -Reektierendes Feedback: Spiegeln von Gefühlen und Inhalten, die der Klient zum Ausdruck bringt, um zu demonstrieren, dass er verstanden wurde, ohne dabei eine Bewertung vorzunehmen. Schaffung eines sicheren Raumes Einverständnis impliziert o Zustimmung oder Billigung, was in einem Coaching-Kontext zu einer Machtdynamik führen kann, in der sich der Klient beurteilt oder missverstanden fühlt. Um dies zu vermeiden, ist es wichtig, einen sicheren und unterstützenden Raum zu schaffen, in dem der Klient frei von Urteilen und mit Mitgefühl verstanden wird. Dies beinhaltet: -Nichtwertendes Verhalten: Bewusstes Unterlassen von Urteilen, Kritik oder persönlichen Meinungen. -Validierung: Anerkennung der Gefühle und Erfahrungen des Klienten als real und bedeutsam, unabhängig davon, ob der Coach sie persönlich billigt oder nicht. Förderung der Selbstreflexion und des Wachstums Das Prinzip ‚Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ ‚ fördert Selbstreexion und persönliches Wachstum, indem es dem Klienten ermöglicht, seine eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen zu untersuchen, ohne Angst vor Bewertung oder Ablehnung. Dies unterstützt den Klienten bei folgenden Punkten: 218

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-Selbstbewusstsein zu entwickeln: Erkennung eigener Muster, Werte und Überzeugungen durch den Spiegel, den der Coach bietet. -Eigenverantwortung zu übernehmen: Ermutigung zur Übernahme von Verantwortung für eigene Entscheidungen und Handlungen, indem der Klient dazu angeleitet wird, Lösungen und Wege zur Selbstverbesserung zu erkunden. Validieren im Coaching-Kontext Validieren ist eine zentrale Technik im Coaching, die dazu dient, die Gefühle, Gedanken und Erfahrungen eines Klienten mittels unterschiedlicher Techniken anzuerkennen und zu bestätigen. Es geht darum, dem Klienten zu vermitteln, dass seine inneren Erlebnisse verstanden und als gültig erachtet werden, unabhängig davon, ob der Coach sie persönlich nachvollziehen kann oder nicht. Diese Anerkennung ist entscheidend für die Schaffung einer vertrauensvollen und unterstützenden Beziehung zwischen Coach und Klient. Im Folgenden werden die Schlüsselaspekte des Validierens im Coaching-Kontext detailliert beschrieben. Anerkennung der individuellen Wahrnehmung Das Validieren beginnt mit der Anerkennung, dass die Wahrnehmung und emotionale Reaktion jedes Klienten auf seine Situation einzigartig und selbstbestimmt ist. Dies beinhaltet: -Akzeptanz verschiedener Perspektiven: Verstehen, dass unterschiedliche Menschen Situationen aufgrund ihrer individuellen Lebensgeschichten und Wertesysteme unterschiedlich erleben. -Empathie zeigen: Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelt des Klienten, selbst wenn der Coach eine andere Sichtweise hat. Verbale und nonverbale Validierung Validierung kann sowohl durch verbale als auch durch nonverbale Kommunikation erfolgen. Wichtige Aspekte sind: 219

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-Verbale Validierung: Direktes Aussprechen von Verständnis und Akzeptanz für die Gefühle und Gedanken des Klienten. Beispiele können sein: "Es klingt, als wäre das eine wirklich herausfordernde Situation für Sie" oder "Ich kann nachvollziehen, warum Sie sich so gefühlt haben“. -Nonverbale Validierung: Einsatz von Körpersprache und Mimik, um Interesse, Anteilnahme und Verständnis zu zeigen. Zuhören ohne Unterbrechung, Blickkontakt halten und eine offene Körperhaltung sind hierfür essenziell. Die Grenzen der Validierung Während Validierung im Coaching wichtig ist, hat sie auch ihre Grenzen. Nicht jede Situation erfordert oder protiert von Validierung, und es ist wichtig, dass der Coach: -Echtheit bewahrt: Validierung sollte immer ehrlich und authentisch sein. Ein Klient kann inauthentische Versuche der Validierung o erkennen, was das Vertrauen untergraben kann. -Unterstützung statt Zustimmung bietet: Validierung bedeutet nicht, dass der Coach alle Handlungen oder Entscheidungen des Klienten gutheißt. Es geht vielmehr darum, die emotionalen Erfahrungen des Klienten zu würdigen. Abschließend kann gesagt werden, dass Validierung eine fundamentale Technik im Coaching ist, die dazu beiträgt, eine Umgebung des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen. Durch die Anerkennung und Bestätigung der Gefühle und Gedanken des Klienten fördert der Coach dessen Bereitscha, sich zu öffnen, was wiederum den Coaching-Prozess vertie und bereichert. Psychoedukation im Coaching Psychoedukation beschreibt den Prozess, in dem Klienten grundlegendes Wissen über psychologische Konzepte, Emotionen und Verhaltensweisen vermittelt wird. Sie ist ein integraler Bestandteil vieler Coaching-Prozesse, da sie den Klienten befähigt, seine eigenen Denkmuster, Emotionen und Verhaltensweisen besser zu verstehen und zu reektieren. Dieses Verständnis scha die Grundlage dafür, dass Klienten bewusster und eigenverantwortlicher mit ihren Herausforderungen 220

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umgehen können. Im Coaching kann Psychoedukation auf verschiedene Arten eingesetzt werden: durch die Erklärung von Stressmechanismen, die Bedeutung emotionaler Intelligenz oder das Erkennen von kognitiven Verzerrungen, die unser Denken und Handeln beeinussen. Indem Klienten diese psychologischen Konzepte verstehen, gewinnen sie neue Perspektiven und entwickeln eine größere Selbstwirksamkeit. Sie lernen, wie sie ihre Emotionen regulieren, alte Denkmuster hinterfragen und neue, konstruktive Verhaltensweisen entwickeln können. Ein wichtiger Aspekt der Psychoedukation ist, dass sie Klienten dazu befähigt, nicht nur kurzfristige Veränderungen zu bewirken, sondern langfristig resilienter und selbstbewusster mit Problemen umzugehen. Dies fördert ein tieferes Selbstverständnis, was wiederum die Effektivität des Coachings erhöht. Studien haben gezeigt, dass Psychoedukation insbesondere bei Stressbewältigung und emotionaler Selbstregulation eine signikante Rolle spielt, da sie Klienten hil, die psychischen und physischen Auswirkungen von Stress besser zu verstehen und angemessene Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Jedoch gibt es auch Grenzen 61der Psychoedukation im Coaching. Ein Coaching-Gespräch sollte stets dialogisch und interaktiv bleiben und keine Vorlesung werden. Das Wissen wird dem Klienten auf eine Art und Weise vermittelt, die ihn befähigt, selbst zu reektieren und eigene Lösungen zu entwickeln. Ziel ist es nicht, den Klienten mit zu viel eorie zu überfrachten, sondern ihm das nötige Verständnis zu vermitteln, um die Werkzeuge, die er benötigt, selbst anzuwenden. Coaching bleibt eine Begleitung, bei der der Coach den Klienten unterstützt, statt ihn zu belehren. Dennoch bleibt unbenommen, dass Psychoedukation die Autonomie und Selbstverantwortung des Klienten stärkt, was im Einklang mit dem humanistischen Menschenbild steht, das Coaching als einen Prozess sieht, der den Menschen in seiner Ganzheit stärkt und ihm ermöglicht, eigene Lösungen zu entwickeln. 62 Siehe auch Greif, S., Schmidt, A. M., & amm, A. (2017). Coaching und Beratung: 61Wissenschaliche Grundlagen und praktische Anwendung. Springer. Vgl. Bachkirova, T., Spence, G., & Drake, D. R. (2019). e SAGE Handbook of Coaching.62221

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RAIN-Methode – Achtsame Selbstwahrnehmung, emotionale Regulation Im Coaching ist es, wie du bereits weißt, entscheidend, dass Klienten lernen, mit schwierigen Gefühlen und Gedanken auf konstruktive Weise umzugehen. Eine besonders wirkungsvolle Methode zur emotionalen Selbstregulation und Achtsamkeit ist die RAIN-Methode. Ursprünglich aus der Achtsamkeitspraxis stammend, bietet RAIN einen strukturierten Ansatz, um belastende Emotionen oder innere Blockaden zu erkennen, zu erforschen und zu transformieren. Diese Methode lässt sich hervorragend in Coaching-Prozesse integrieren, um Klienten in emotional herausfordernden Situationen zu begleiten. RAIN steht für: •Recognize (Erkennen): Zunächst geht es darum, innezuhalten und die auauchenden Emotionen oder Gedanken bewusst wahrzunehmen. Dies ist der erste Schritt zur Selbstreexion, bei dem der Klient die Gefühle nicht verdrängt oder übergeht, sondern sie klar benennt und anerkennt. •Allow (Zulassen): In diesem Schritt wird der Klient ermutigt, die Emotionen so anzunehmen, wie sie sind, ohne sie zu bewerten oder zu unterdrücken. Dieses Akzeptieren scha Raum, in dem Gefühle existieren dürfen, ohne dass sofortige Veränderungen angestrebt werden müssen. •Investigate (Erforschen): Nun wird die emotionale Erfahrung tiefer erkundet. Der Coach kann den Klienten unterstützen, Fragen wie „Wo spüre ich dieses Gefühl im Körper?“ oder „Was löst dieses Gefühl aus?“ zu reektieren. Ziel ist es, die Ursachen und den Kontext der Emotionen besser zu verstehen, ohne zu urteilen. •Nurture (Nähren): Abschließend wird der Fokus auf Selbstmitgefühl und Fürsorge gelegt. Der Klient lernt, sich selbst mit Freundlichkeit und Akzeptanz zu begegnen, auch wenn schwierige Emotionen im Vordergrund stehen. Dies fördert eine innere Haltung des Mitgefühls und der Selbstfürsorge. Die RAIN-Methode ist eine hervorragende Interventionsmethode, um Klienten achtsam in ihren emotionalen Prozessen zu begleiten. Sie hil ihnen, bewusster mit ihren Gefühlen umzugehen, innere Blockaden zu lösen und sich selbst mit mehr 222

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Empathie zu begegnen. Indem sie lernen, ihre Emotionen zu erkennen und zu akzeptieren, statt sie zu unterdrücken oder überanalysieren, gewinnen sie mehr emotionale Stabilität und Klarheit. Diese Methode kann besonders in Momenten emotionaler Überforderung oder in Phasen der Selbstndung eine wertvolle Unterstützung bieten. Integration der RAIN-Methode im Coaching-Prozess Die RAIN-Methode lässt sich exibel in den Coaching-Prozess einbinden. Sie kann sowohl als eigenständige Übung eingesetzt werden als auch ergänzend zu anderen Achtsamkeits- oder Reexionstechniken. Besonders hilfreich ist sie in Sitzungen, in denen Klienten mit unangenehmen Gefühlen konfrontiert sind oder Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen einzuordnen. Der Coach kann den Klienten durch den RAIN-Prozess führen und dabei gezielt Fragen stellen, die ihn dazu anregen, die Methode selbst anzuwenden. Für Coaches ist es wichtig, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wann und wie die RAIN-Methode eingesetzt werden kann. Sie ist nicht nur eine Technik, sondern eine Einladung, den emotionalen Raum des Klienten zu respektieren und zu nähren. Beispiel: RAIN-Methode im Coaching Stell dir vor, ein Klient kommt zu dir, weil er in seiner Arbeit immer wieder das Gefühl hat, von seinem Team nicht wertgeschätzt zu werden. Er beschreibt Situationen, in denen seine Ideen ignoriert werden und er sich zunehmend frustriert fühlt. Diese Frustration führt dazu, dass er sich emotional zurückzieht und beginnt, die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen zu meiden. In einer Coaching-Sitzung könntest du die RAIN-Methode einsetzen, um den Klienten dabei zu unterstützen, seine Gefühle und inneren Reaktionen achtsam zu erkunden und zu reektieren: • Recognize (Erkennen): Zunächst hilfst du dem Klienten, seine Emotionen bewusst wahrzunehmen. Du könntest ihn fragen: "Was genau fühlst du in diesen Momenten, wenn du das Gefühl hast, nicht gehört zu werden?" Der Klient erkennt seine Frustration und Enttäuschung und benennt diese Gefühle klar. • Allow (Zulassen): Im nächsten Schritt bittest du den Klienten, diese Gefühle zuzulassen, ohne sie zu bewerten oder sofort etwas daran ändern zu wollen. Du sagst vielleicht: "Erlaube dir, diese Frustration einfach zu fühlen, ohne sie 223

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wegdrücken zu wollen. Sie hat eine Berechtigung und darf jetzt da sein." Der Klient spürt nach, lässt die Emotionen zu und erkennt, dass es in Ordnung ist, frustriert zu sein. • Investigate (Erforschen): Nun geht es darum, diese Emotionen tiefer zu erforschen. Du könntest fragen: "Was löst diese Frustration aus? Was genau passiert in dir, wenn du dich nicht gehört fühlst?" Der Klient beginnt, die zugrunde liegenden Gedanken und Überzeugungen zu reektieren – vielleicht, dass er glaubt, nicht wichtig genug zu sein oder dass seine Arbeit nicht geschätzt wird. Er untersucht auch, wie diese Gedanken ihn körperlich und emotional beeinussen. • Nurture (Nähren): Schließlich leitest du den Klienten dazu an, sich selbst Mitgefühl entgegenzubringen. Du könntest ihn ermutigen: "Wie könntest du jetzt mit dir selbst umgehen, wenn du diese Frustration spürst? Was könntest du dir selbst in diesem Moment sagen, um dich zu unterstützen?" Der Klient lernt, sich selbst zu beruhigen und positive, nährende Gedanken zu entwickeln – etwa: "Es ist okay, dass ich mich so fühle. Es bedeutet nicht, dass ich weniger wert bin." Durch diese achtsame Reexion kann der Klient seine Emotionen besser verstehen und in einem neuen Licht sehen. Die RAIN-Methode ermöglicht es ihm, seine Gefühle anzuerkennen, ohne von ihnen überwältigt zu werden, und unterstützt ihn dabei, neue Handlungsmöglichkeiten zu nden. 224

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Kapitel 3: Das Handwerkszeug - Grundlagen II!In diesem Kapitel widmen wir uns einem zentralen Element der Coaching-Praxis: den Interventionen. Interventionen sind spezische Techniken und Methoden, die Coaches einsetzen, um den Entwicklungsprozess ihrer Klienten zu unterstützen und zu fördern. Du hast bereits schon einige kennengelernt. Sie sind das Handwerkszeug, das Coaches ermöglicht, effektiv auf die Bedürfnisse und Herausforderungen ihrer Klienten einzugehen und gezielte Veränderungsprozesse anzustoßen. Interventionen im Coaching sind, wie du bereits schon weißt, vielfältig und reichen von gezielten Fragen, die zum Nachdenken und Reektieren anregen, über die Anwendung spezischer Modelle und Frameworks bis hin zu kreativen Techniken, die neue Perspektiven eröffnen. Jede Intervention hat das Ziel, den Klienten dabei zu unterstützen, eigene Lösungen zu entwickeln, persönliche Einsichten zu gewinnen und letztendlich ihre individuellen Ziele zu erreichen. Angesichts der Breite und Tiefe dieses emas ist es wichtig zu verstehen, dass es unmöglich ist, alle existierenden Interventionstechniken, die in der Coaching-Branche verwendet werden, umfassend darzustellen und zu erklären. Die Vielfalt der Techniken ist enorm, und sie entwickelt sich ständig weiter, da Coaches weltweit neue Ansätze erforschen und anwenden, um die Wirksamkeit ihrer Arbeit zu verbessern. In diesem Kapitel konzentrieren wir uns daher auf eine Auswahl weiterer grundlegender Interventionen, die sich als besonders effektiv und bewährt erwiesen haben. Diese Interventionen dienen als solide Basis für die Entwicklung von Coaching-Fähigkeiten und können von neuen wie erfahrenen Coaches gleichermaßen genutzt werden, um ihre Praxis zu bereichern und zu vertiefen. Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis für die Art und Weise zu schaffen, wie Interventionen konzipiert und angewandt werden, sowie ihre potenziellen Auswirkungen auf den Coaching-Prozess zu beleuchten. Indem wir diese Grundlagen erkunden, legen wir das Fundament für eine tiefere und effektivere Anwendung des Coaching-Handwerkszeugs, das es ermöglicht, den vielfältigen und o komplexen Anforderungen im Coaching gerecht zu werden. 225

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Effektive Interventionsstrategien Interventionen im Coaching sind also zielgerichtete Maßnahmen und Techniken, die darauf abzielen, den Klienten bei der Erreichung ihrer persönlichen und beruichen Ziele zu unterstützen. Damit öffnen Coaches Erfahrungsräume, die es den Klienten ermöglichen, neue Perspektiven zu erkunden, Bewusstsein zu schärfen und letztendlich transformative Veränderungen in ihrem Leben zu bewirken. Im Folgenden werden die Grundlagen und Voraussetzungen effektiver Interventionen im Coaching-Kontext erörtert, die vor allem zu beachten sind, wenn man eigene Interventionen entwickelt. Voraussetzungen für wirksame Interventionen Um maximale Effektivität zu gewährleisten, müssen Interventionen auf soliden methodologischen Grundlagen basieren und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Im Folgenden werden diese Prämissen ausführlich erläutert. Förderung des Bewusstseins Die primäre Zielsetzung von Interventionen im Coaching-Kontext ist die Förderung eines erweiterten Bewusstseins bei den Klienten. Durch gezielte 63Techniken und Übungen sollen die Klienten dazu angeleitet werden, ihre eigenen Verhaltensmuster, Glaubenssätze und Emotionen zu erkennen und zu hinterfragen. Diese erhöhte Selbstwahrnehmung ist entscheidend, da sie die Grundlage für tiefgreifende Selbstreexion und daraus resultierende persönliche Entwicklungsprozesse bildet. Interventionen, die auf die Erhöhung des Bewusstseins abzielen, beinhalten häug Reexionsfragen, Feedbackschleifen und Selbstbeobachtungsaufgaben, die die Klienten dazu ermutigen, ihre innere Unter einem erweiterten Bewusstsein wird im Coaching-Kontext die Fähigkeit verstanden, 63über die gewohnte Selbstwahrnehmung hinauszugehen und tiefere Einsichten in die eigenen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen zu gewinnen. Dies umfasst eine gesteigerte Achtsamkeit für innere Prozesse, eine differenziertere Perspektive auf die eigene Lebenssituation und eine reektierte Haltung gegenüber automatisierten Mustern und Glaubenssätzen. Ziel ist es, durch diese Bewusstwerdung neue Handlungsspielräume zu eröffnen und persönliche Entwicklungsprozesse gezielt zu fördern.226

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Erlebniswelt kritisch zu betrachten und daraus Erkenntnisse für ihr Handeln zu ziehen. Freiwilligkeit und Transparenz Die Wirksamkeit von Coaching-Interventionen hängt maßgeblich von der freiwilligen Teilnahme und dem Engagement der Klienten ab. Daher ist es unerlässlich, dass jeder Schritt innerhalb des Coaching-Prozesses auf Freiwilligkeit basiert und durch eine transparente Kommunikation seitens des Coachs unterstützt wird. Die Klienten müssen über den Zweck, die angewandten Methoden und die potenziellen Ergebnisse jeder Intervention vollständig aufgeklärt sein. Diese Offenheit scha Vertrauen und ermöglicht es, sich aktiv und bewusst in den Prozess einzubringen, was die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit darstellt. Orientierung am Coachingkonzept Jede Intervention muss nahtlos in das übergeordnete Coachingkonzept integriert sein, das individuell auf die Bedürfnisse und Ziele des Klienten zugeschnitten ist. Diese Kohärenz gewährleistet, dass alle angewandten Techniken und Methoden direkt zur Erreichung der festgelegten Ziele beitragen. Die Orientierung am Coachingkonzept erfordert eine sorgfältige Planung und Anpassung der Interventionen durch den Coach, um sicherzustellen, dass sie den spezischen Herausforderungen und Entwicklungswünschen des Klienten gerecht werden. Ein Beispiel für eine fehlerhae Anwendung des Coachingkonzepts, das die Bedeutung der Orientierung am Coachingkonzept illustriert, könnte wie folgt aussehen: Beispiel für eine inkohärente Anwendung im Coaching: Stell dir vor, du hast mit deinem Klienten ein klares Coachingkonzept entwickelt, das darauf abzielt, dessen Führungsfähigkeiten zu verbessern, insbesondere in den Bereichen Teamkommunikation und Koniktmanagement. Das festgelegte Ziel ist, dass der Klient effektiver mit seinem Team kommuniziert und Konikte konstruktiv lösen lernt. Trotz dieser klaren Ziele führst du in einer der Sitzungen eine ausgedehnte Meditationseinheit durch, um deinem Klienten zu helfen, Stress abzubauen. Obwohl Stressmanagement durchaus wichtig sein kann, ist es in diesem 227

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spezischen Fall nicht direkt auf die primären Coachingziele ausgerichtet. Diese Intervention trägt nicht unmittelbar zur Verbesserung der Führungsfähigkeiten deines Klienten bei, insbesondere nicht zu den spezischen Zielen der Teamkommunikation und des Koniktmanagements. Dieses Beispiel zeigt eine mangelnde Kohärenz zwischen der durchgeführten Intervention und dem übergeordneten Coachingkonzept. Du hast eine Technik angewandt, die zwar generell nützlich sein könnte, aber nicht optimal auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele deines Klienten abgestimmt war. Es fehlte die erforderliche Sorgfalt in der Planung und Anpassung der Interventionen, was zu einer ineffektiven Nutzung der Coachingzeit und Ressourcen führt und möglicherweise das Vertrauen deines Klienten in den Prozess mindert. Eine effektive Anpassung hätte sein können, spezische Übungen zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten einzuführen oder Rollenspiele zu nutzen, die direkt auf die Handhabung von Koniktsituationen im Team abzielen. Dies würde sicherstellen, dass jede Intervention nahtlos in das Coachingkonzept integriert ist und direkt zur Erreichung der festgelegten Ziele beiträgt. Berücksichtigung der äußeren Bedingungen Die Effektivität von Interventionen kann durch äußere Faktoren erheblich beeinusst werden. Eine adäquate physische Umgebung, die frei von Ablenkungen, lärmgeschützt und komfortabel ist, ermöglicht eine tiefere Konzentration und fördert eine ungestörte Interaktion zwischen Coach und Klient. Darüber hinaus muss ausreichend Be wegungsf reiheit ge gebe n s ei n , u m d iverse Interventionstechniken, wie etwa Rollenspiele oder körperorientierte Übungen, effektiv durchführen zu können. Die sorgfältige Auswahl und Gestaltung des Raumes trägt somit wesentlich zum Gelingen der Coaching-Sitzungen bei. Orientierung am Zeitrahmen Zeitmanagement ist ein kritischer Aspekt bei der Durchführung von Coaching-Interventionen. Jede Maßnahme muss innerhalb des verfügbaren Zeitrahmens sorgfältig geplant und umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass ausreichend Raum für Reexion, Diskussion und Integration der gewonnenen Erkenntnisse besteht. Eine effiziente Zeitnutzung ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung 228

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mit den Kernthemen und unterstützt eine zielgerichtete und ergebnisorientierte Arbeitsweise im Coaching-Prozess. Einordnung und Differenzierung von Interventionstechniken Im Coaching werden vielfältige Interventionstechniken eingesetzt, um die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Klienten zu adressieren. Diese Techniken variieren in ihrer Herangehensweise, ihrem theoretischen Hintergrund und ihren Anwendungsgebieten. Im Folgenden wird ein Überblick über die gängigsten Interventionsansätze und deren spezische Anwendungen im Coaching-Kontext gegeben, ergänzt um Ansätze aus dem transpersonalen und integralen Coaching. Systemische Ansätze Die systemischen Ansätze im Coaching stellen einen fundamentalen Pfeiler in der Kunst des Coachens dar. Sie basieren auf der Erkenntnis, dass Individuen nicht isoliert betrachtet werden können, sondern als integrative Bestandteile eines größeren Ganzen zu verstehen sind. Dieses "Ganze" kann die Familie, das Arbeitsumfeld, soziale Netzwerke oder jede andere Form von Gemeinscha sein, in der der Klient eingebunden ist. Die systemische Perspektive eröffnet ein tiefgreifendes Verständnis für die Dynamiken und Wechselwirkungen, die das Verhalten, die Überzeugungen und die emotionalen Reaktionen des Einzelnen beeinussen. Fragetechniken im systemischen Coaching Innerhalb der systemischen Ansätze spielen Fragetechniken eine zentrale Rolle, diese werden zu einem späteren Zeitpunkt genauer betrachtet. Sie dienen nicht nur der Informationsgewinnung, sondern sind vielmehr als Katalysatoren für Reexionsprozesse konzipiert. Durch den gezielten Einsatz verschiedener Fragetypen wird der Klient angeregt, seine Situation aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und somit zu einem tieferen Verständnis seiner selbst und seiner Einbettung in das System zu gelangen. 229

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Vorweg eine Auswahl: -Offene Fragen ermutigen den Klienten, ausführlicher über seine Gedanken und Gefühle zu sprechen, was dem Coach ermöglicht, ein umfassendes Bild der Situation zu erhalten. -Zirkuläre Fragen zielen darauf ab, Beziehungen und Unterschiede zwischen Systemmitgliedern zu erkunden, indem der Klient gebeten wird, die Perspektiven anderer Personen einzunehmen. -Hypothetische Fragen regen den Klienten an, über mögliche Zukunsszenarien nachzudenken, was die Erkennung von Wünschen, Befürchtungen und Erwartungen fördert. -Skalierende Fragen helfen, graduelle Veränderungen in Wahrnehmungen oder Gefühlen zu erkennen und Fortschritte sichtbar zu machen. Eine differenzierte Fragetechnik ermöglicht es, den Klienten auf eine Reise der Selbstreexion und des Perspektivwechsels zu führen, was o zu neuen Einsichten und der Eröffnung bisher unerkannter Lösungswege führt. Aktionsverfahren und Psychodrama Beim Coaching nehmen Aktionsverfahren und das Psychodrama eine wertvolle Rolle ein, besonders innerhalb der systemischen Ansätze. Diese Methoden, entwickelt aus den eorien von Jacob L. Moreno , dem Begründer des 64Psychodramas, ermöglichen es Klienten, durch Rollenspiele und Stellvertretertechniken (Surrogate Techniques) konkrete Situationen nicht nur nachzustellen, sondern auch emotional und kognitiv zu durchleben. -Rollenspiele: Rollenspiele sind eine dynamische Methode, um zwischen-menschliche Konikte, kritische Interaktionen oder zukünige Heraus-forderungen innerhalb des Systems eines Klienten zu simulieren. Der Klient übernimmt dabei verschiedene Rollen, was ihm hil, die Perspektiven und Emotionen anderer Personen zu verstehen. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, dass ein tiefgreifendes Verstehen anderer Standpunkte und Vgl. Moreno, J. L. (1946). Psychodrama, Volume 1. Beacon House.64230

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emotionaler Zustände zu effektiveren und empathischeren Interaktionen führen kann. -Wissenschalicher Hintergrund: Rollenspiele unterstützen so die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten und fördern die emotionale Intelligenz, indem sie den Teilnehmern ermöglichen, Konikte und deren Lösungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Forschungen, etwa von Daniel Goleman , zeigen, 65dass solche empathischen Fähigkeiten zentral für erfolgreiche Führung und zwischenmenschliche Beziehungen sind. -Stellvertretertechniken im Psychodrama: Das Psychodrama nutzt Stellvertreter-techniken, um innere Konikte, ungelöste emotionale Zustände und unterbewusste Dynamiken zu externalisieren und zu verarbeiten. Klienten stellen dabei Aspekte ihrer Persönlichkeit oder andere Personen durch andere Teilnehmer oder Objekte dar, was eine visuelle und physische Dimension in die Bearbeitung psychischer Konikte bringt. eoretischer Rahmen: Jacob Moreno entwickelte das Psychodrama, um Menschen eine Bühne zu bieten, auf der sie ihr eigenes Leben inszenieren und alternative Enden zu ihren Lebensgeschichten erkunden können. Diese Technik hil, Einsichten in bisher unbewusste innere Konikte zu gewinnen und bietet einen sicheren Raum, in dem neue Lösungsansätze erprobt werden können. Vorteile und Anwendungen: Die Anwendung von Aktionsverfahren und Psychodrama im Coaching bietet nicht nur die Möglichkeit zur emotionalen Entlastung, sondern auch zur kognitiven Umstrukturierung. Indem Klienten in einem geschützten Rahmen neue Verhaltensweisen und Reaktionen auf problematische Situationen erproben, können sie effektive Strategien für den Umgang mit Herausforderungen in ihrem sozialen und beruichen Umfeld entwickeln. Praktische Umsetzung: Durch den Einsatz dieser Techniken in einem kontrollierten Umfeld können Coaches ihren Klienten helfen, ihre Reaktionen in realen Situationen vorherzusehen und anzupassen. Dies trägt zur persönlichen Entwicklung und zur Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen bei. Siehe Goleman, D., Boyatzis, R., & McKee, A. (2003). Emotionale Führung: Wie Sie Teams 65und Unternehmen mit Emotionaler Intelligenz zum Erfolg führen. Ullstein Taschenbuch.231

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Analytische und strukturierte Verfahren Im Kontext des Coachings sind es auch analytische und strukturierte Verfahren, die eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere wenn es um die Bearbeitung konkreter und zielorientierter emen wie Karriereplanung, Zeitmanagement und persönliche Zielsetzung geht. Diese Verfahren bieten einen systemischen Rahmen, innerhalb dessen Klienten ihre gegenwärtige Situation analysieren, spezische Ziele denieren und effektive Strategien zur Zielerreichung entwickeln können. Im Folgenden werden die Kernaspekte dieser Verfahren und ihre Anwendung im Coaching detailliert beschrieben. SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse ist ein leistungsstarkes Instrument, das ursprünglich aus dem Bereich des strategischen Managements stammt, aber auch im individuellen Coaching effektiv eingesetzt werden kann. SWOT steht für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und reats (Bedrohungen). Durch die Anwendung der SWOT-Analyse im Coaching können Klienten: -Stärken identizieren: Erkennung individueller Fähigkeiten, Ressourcen und positiver Aspekte, die als Grundlage für die Zielerreichung dienen. -Schwächen analysieren: Bewusstwerdung persönlicher Herausforderungen, Kompetenzlücken oder hinderlicher Verhaltensmuster, die der Zielerreichung im Weg stehen könnten. -Chancen erkunden: Identikation externer Möglichkeiten, die genutzt werden können, um die gesetzten Ziele zu erreichen oder die persönliche Entwicklung voranzutreiben. -Bedrohungen bewerten: Analyse externer Faktoren oder Risiken, die die Zielerreichung potenziell gefährden könnten. Diese umfassende Analyse ermöglicht es Klienten, eine realistische Einschätzung ihrer Ausgangslage vorzunehmen und auf dieser Basis zielgerichtete Handlungspläne zu entwickeln. 232

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SMART-Ziele Das Konzept der SMART-Ziele ist ein weiteres fundamentales Werkzeug im Rahmen analytischer und strukturierter Verfahren. SMART steht für Spezisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert. Durch die Denition von SMART-Zielen können Klienten: -Spezität erreichen: Konkretisierung der Zielsetzung, um Klarheit über das angestrebte Ergebnis zu schaffen. -Messbarkeit sicherstellen: Festlegung von Kriterien, anhand derer der Fortschritt und die Zielerreichung gemessen werden können. -Attraktivität gewährleisten: Sicherstellung, dass das Ziel motivierend und bedeutsam für den Klienten ist. -Realität beachten: Überprüfung, ob das Ziel angesichts der vorhandenen Ressourcen und Rahmenbedingungen erreichbar ist. -Terminierung vornehmen: Festlegung eines klaren Zeitrahmens, innerhalb dessen das Ziel erreicht werden soll. Die Formulierung von SMART-Zielen fördert eine zielorientierte und strukturierte Herangehensweise im Coaching-Prozess und unterstützt Klienten dabei, ihre Bestrebungen in konkrete und umsetzbare Pläne zu überführen. Anwendung strukturierter Methoden Neben der SWOT-Analyse und der Denition von SMART-Zielen können im Coaching weitere strukturierte Methoden und Werkzeuge zum Einsatz kommen, um die Analyse und Planung zu unterstützen. Dazu zählen unter anderem Z e i t m a n a g e m e n t - To o l s , E n t s c h e i d u n g s  n d u n g s m a t r i z e n u n d Priorisierungstechniken, die Klienten dabei helfen, ihre Ressourcen effektiv einzusetzen und ihre Handlungen bewusst auf die Erreichung ihrer Ziele auszurichten. Imaginative Techniken in der Förderung von Veränderungsprozessen Imaginative Techniken stellen im Rahmen des Coachings eine spannende und wirksame Methode dar, um transformative Veränderungsprozesse durch die 233

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Mobilisierung der mentalen Vorstellungskra zu unterstützen. Diese Techniken beruhen auf der Prämisse, dass die geistige Vorstellungskra ein kravolles Werkzeug zur Einleitung von inneren Veränderungen und zur Aktivierung unbewusster Ressourcen darstellt. Im Folgenden werden die wesentlichen imaginative Techniken und ihre spezische Anwendung im Coaching-Kontext detailliert erörtert. Fantasiereisen und geleitete Meditationen Fantasiereisen und geleitete Meditationen sind zentrale Elemente innerhalb der 66imaginativen Techniken, die darauf abzielen, den Klienten in einen Zustand tiefer Entspannung und fokussierter Aufmerksamkeit zu versetzen. In diesem Zustand wird der Klient angeleitet, sich auf innere Bilder und Szenarien einzulassen, die sowohl aus dem bewussten als auch aus dem unbewussten Geist hervorgehen können. Diese Technik ermöglicht es den Klienten, in einen Dialog mit ihrem inneren Selbst zu treten, verborgene Ressourcen und Potenziale zu entdecken und kreative Lösungen für bestehende Herausforderungen zu entwickeln. Die Wirksamkeit dieser Methode beruht auf der Fähigkeit, durch imaginative Prozesse neue neuronale Verbindungen zu schaffen und positive emotionale Zustände zu induzieren, die förderlich für die Persönlichkeitsentwicklung und Problemlösung sind. Zeitreisen Die Technik der Zeitreisen im Coaching ermöglicht es den Klienten, imaginativ in die Vergangenheit oder in die Zukun zu reisen. Diese Methode wird genutzt, um vergangene Erfahrungen mit neuen Perspektiven zu rekapitulieren oder um sich zukünige Szenarien vorzustellen, die als motivierende Vision für den Veränderungsprozess dienen können. Durch die mentale Auseinandersetzung mit vergangenen Ereignissen können Klienten ungelöste Konikte aufarbeiten, aus ihren Erfahrungen lernen und dadurch ein tieferes Verständnis für ihre gegenwärtige Situation entwickeln. Die Exploration zuküniger Möglichkeiten Siehe hierzu weiterführend Kirch, D. (2012). Geführte Meditationen: Fantasiereisen & 66Imaginationen. Ein Handbuch zum fachgerechten Planen, Schreiben und Anleiten. Junfermann Verlag.234

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wiederum eröffnet einen Raum für die Visualisierung von Zielen und Wünschen, was die Zielorientierung und die Entwicklung von Handlungsstrategien unterstützt. Trance und Hypnose Trance- und Hypnosetechniken bieten auch im Coaching einen Zugang zu tieferen Schichten des Unterbewusstseins, wo tief verwurzelte Überzeugungen, Emotionen und Verhaltensmuster gespeichert sind. Durch die gezielte Anleitung in einen tranceähnlichen Zustand kann der Klient einen Zustand erhöhter Suggestibilität erreichen, in dem Veränderungen auf der Ebene des Unterbewusstseins möglich werden. Diese Techniken ermöglichen die Umstrukturierung limitierender Glaubenssätze, die Transformation negativer Emotionen und die Modikation von Verhaltensmustern. Die Wirksamkeit von Trance und Hypnose im Coaching-Kontext beruht auf der gezielten Nutzung suggestiver Sprachmuster und der Aktivierung der inneren Heilungskräe des Klienten. Weitere Ansätze im Coaching: EMDR, AuditiveCoaching©, NLP Im Coaching etablierten und etablieren sich in den letzten Jahren immer mehr innovative Ansätze, die neue Perspektiven und Methoden in die Praxis einbringen. Drei bedeutende Techniken, die sich durch ihre Effektivität und Anpassungsfähigkeit an diverse Coaching-Kontexte auszeichnen, sind die Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) Methode und das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP). Beide Ansätze bieten einzigartige Herangehensweisen zur Förderung von Veränderungsprozessen und zur Unterstützung der Klienten in ihrer persönlichen und beruichen Entwicklung. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) EMDR ist eine formative Technik, die ursprünglich zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt wurde, aber zunehmend auch im Coaching zur Anwendung kommt. Diese Methode beruht auf der Prämisse, dass traumatische oder belastende Erfahrungen im Gehirn unzureichend verarbeitet und gespeichert werden, was zu anhaltenden psychischen Belastungen führen kann. EMDR nutzt bilaterale Stimulation – o durch Augenbewegungen – um den Informationsverarbeitungsprozess des Gehirns anzustoßen und eine Neubewertung 235

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und Integration der belastenden Erfahrungen zu ermöglichen. Im Coaching-Kontext wird EMDR eingesetzt, um Klienten dabei zu unterstützen, sich von den emotionalen Lasten vergangener Ereignisse zu befreien und neue Perspektiven auf ihre aktuellen Herausforderungen zu gewinnen. Die Technik fördert eine tiefgreifende emotionale Verarbeitung und ermöglicht es den Klienten, festgefahrene Denk- und Verhaltensmuster zu überwinden und ihre Resilienz zu stärken. Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP) NLP steht als Sammlung von Methoden und Modellen, die darauf abzielen, die Kommunikation zu verbessern und persönliche Entwicklung zu fördern. Grundlegend ist die Annahme, dass Sprache und Gedanken unsere Realität konstruieren und beeinussen. NLP-Techniken konzentrieren sich darauf, wie wir unsere Erfahrungen codieren und welche sprachlichen und kognitiven Muster unsere Wahrnehmungen und Verhaltensweisen prägen. Im Coaching bietet NLP eine breite Palette an Werkzeugen, um Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, effektive Ziele zu setzen und zu erreichen sowie hinderliche Glaubenssätze zu identizieren und zu transformieren. Durch die Anwendung von NLP können Klienten lernen, ihre Gedanken und Sprachmuster bewusst zu steuern, um positive Veränderungen in ihrem Leben herbeizuführen. NLP unterstützt die Klienten darin, ihre inneren Ressourcen zu aktivieren, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihre persönlichen und beruichen Ziele effektiver zu verfolgen. AuditiveCoaching© - ein klangvoller Ansatz Die Entwicklung des Coachings ist sehr dynamisch, es wird ständig nach innovativen Ansätzen gesucht, um die Wirksamkeit von Coaching-Sitzungen zu steigern. Mit AuditiveCoaching© präsentiert sich eine neue Methode, die besonders darauf abzielt, das Zuhören und die auditive Verarbeitung, die hauptsächlich das ganzheitliche Empnden ausdrückt, zu nutzen, um tiefgreifende Veränderungen und Entwicklungen im Klienten zu fördern. Dieser Ansatz beruht auf der Prämisse, dass das gezielte Hören, Hineinspüren und die Verarbeitung von spezischen auditiven Stimuli das Potenzial haben, kognitive, emotionale und 236

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verhaltensbezogene Veränderungen zu unterstützen und zu beschleunigen. Ich möchte hier mit dir ein bisschen genauer hinschauen. AuditiveCoaching© integriert Elemente der Musiktherapie, der kognitiven Neurowissenscha und der traditionellen Coaching-Praktiken in einem einzigartigen Rahmen. Der Ansatz basiert auf der wissenschalichen Erkenntnis, dass Musik und bestimmte Klangmuster das Gehirn auf vielfältige Weise stimulieren können, unter anderem durch die Beein ussung der Gehirnwellenaktivität, die Förderung der neuroplastischen Veränderungen und die Verbesserung der emotionalen Regulation. Die Kernkomponenten von AuditiveCoaching© sind folgende: 1. Einsatz von Instrumenten und Stimme: Eine zentrale Säule von AuditiveCoaching© ist die Verwendung von musikalischen Instrumenten und der menschlichen Stimme. Dies umfasst eine breite Palette von Percussions, Streichinstrumenten, Blasinstrumenten und elektronischen Klangerzeugern, die aktiv eingesetzt werden, um eine tiefe emotionale und kognitive Resonanz zu erzeugen. Der bewusste Einsatz der Stimme ist ebenfalls entscheidend und wird durch spezische stimmliche Übungen gefördert, die darauf abzielen, die kommunikative Kompetenz und die emotionale Ausdruckskra der Klienten zu steigern. 2. Spezialisierte Audio-Tools: AuditiveCoaching© nutzt eine sorgfältig kuratierte Auswahl von Musikstücken und Klängen, die spezisch dafür entwickelt wurden, bestimmte emotionale Zustände zu evozieren oder zu modulieren. Diese Audio-Tools sind nicht nur auf Entspannung ausgerichtet, sondern auch darauf, Motivation, Kreativität und Konzentration zu fördern. Die Auswahl und Anwendung dieser Tools erfolgen mit dem Ziel, den Coaching-Prozess durch maßgeschneiderte auditive Erlebnisse zu bereichern. 3. Gezielte auditive Übungen: Der Ansatz beinhaltet spezische Übungen, die das aktive Zuhören und die auditive Diskrimination schulen. Diese Praktiken sind entscheidend für die Verbesserung der sozialen und emotionalen Intelligenz der Klienten, indem sie lernen, subtile Unterschiede in Ton und Klang wahrzunehmen und zu interpretieren. Solche Übungen verstärken das Verständnis der Klienten für die Nuancen der Kommunikation und unterstützen die Entwicklung ihrer empathischen Fähigkeiten. 237

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4. Integration in traditionelle Coaching-Sitzungen: Auditive Elemente werden nahtlos in traditionelle Coaching-Methoden integriert, wodurch die Interaktionen zwischen Coach und Klient vertie werden. Die Nutzung von Musik, Instrumenten und Stimme erfolgt in einer Weise, die die Klienten ermutigt, tiefer in ihre eigenen Gedanken und Gefühle einzutauchen und kritische emen auf eine Art und Weise zu erkunden, die über verbale Kommunikation hinausgeht. Diese Integration ermöglicht eine reichhaltige, multisensorische Erfahrung, die den Coaching-Prozess bereichert und die Selbstreexion fördert. Lass uns nun aus den vielen Vorteilen AuditiveCoaching© die drei wichtigsten betrachten: -Verbesserte emotionale Wahrnehmung: Durch den Einsatz von Musik und Klang kann AuditiveCoaching© dazu beitragen, dass Klienten eine verbesserte Wahrnehmung ihrer eigenen Gefühlswelten entwickeln. Dies ist besonders wertvoll in der Bearbeitung von emen wie Angst, Depression oder Selbstwertproblemen. -Steigerung der kreativen Ausdrucksfähigkeit: Auditive Stimuli können die kreative Denkfähigkeit anregen, was besonders nützlich ist für Klienten in kreativen Berufen oder solchen, die innovative Lösungen in ihrem Arbeitsumfeld suchen. -Förderung der Entspannung und Stressreduktion: Die therapeutischen Eigenschaen von Musik sind gut dokumentiert, und ihre Integration in das Coaching bietet eine effektive Methode zur Stressreduktion, was wiederum die allgemeine Leistungsfähigkeit und das Wohlbenden verbessern kann. AuditiveCoaching© repräsentiert einen spannenden und vielversprechenden neuen Ansatz im Bereich des Coachings, der die Kra der auditiven Verarbeitung nutzt, um tiefe persönliche Einsichten und Veränderungen zu fördern. Während dieser Ansatz weiter erforscht und entwickelt wird, bietet er bereits jetzt eine wertvolle Erweiterung des Werkzeugkastens von Coaches, die nach neuen Wegen suchen, ihre Klienten zu unterstützen und zu fördern. 67 Vgl. Schuster, M. M. (2015). AuditiveCoaching©: Coaching mit Musik, Klang und Gesang. 67Epubli.238

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Kreative und künstlerische Methoden im Coaching Kreative und künstlerische Methoden im Coaching bieten eine innovative und tiefgreifende Herangehensweise, die nicht nur die kreative Entfaltung fördert, sondern auch einen starken Fokus auf die emotionale Expression legt. Diese Methoden nutzen die transformative Kra der Künste, um tiefgehende individuelle Reexionsprozesse zu unterstützen, emotionale Blockaden zu lösen und neue Perspektiven auf persönliche und beruiche Herausforderungen zu eröffnen. Zentral für das Verständnis ihrer Wirksamkeit ist die Rolle des limbischen Systems, des Teils des Gehirns, der für die Verarbeitung und Regulation von Emotionen verantwortlich ist. Durch den Einsatz kreativer Medien wie Musik, bildender Kunst und anderen Ausdrucksformen werden spezische Areale im limbischen System stimuliert. Dies führt zu einer intensiveren emotionalen Resonanz und Engagement, was besonders hilfreich ist, um auf tiefer liegende emotionale Zustände zuzugreifen und sie artikulierbar zu machen. Die Aktivierung dieser Gehirnregionen kann helfen, verfestigte emotionale Muster zu durchbrechen und die neuroplastischen Fähigkeiten des Gehirns zu aktivieren, was die Entwicklung neuer, gesünderer emotionaler Reaktionen und Verhaltensweisen fördert. Im Folgenden werden zwei zentrale kreative Methoden — eine weitere Ausführung zum AuditiveCoaching© und Kunst- und Ausdruckstherapie — und ihre Anwendung im Coaching-Kontext ausführlich erläutert. Beide Ansätze illustrieren, wie künstlerische Aktivitäten gezielt eingesetzt werden können, um das emotionale und kognitive Wachstum zu unterstützen und einen nachhaltigen persönlichen Wandel zu ermöglichen. AuditiveCoaching© AuditiveCoaching©, wie bereits zuvor angesprochen, ist ein innovativer Ansatz, der die Elemente Musik, Klang und Gesang gezielt einsetzt, um die kreative Problemlösung und emotionale Expression zu fördern. Musik und Klang haben eine tiefgreifende Wirkung auf das menschliche Bewusstsein und können Emotionen, Erinnerungen und Assoziationen hervorrufen, die über traditionelle 239

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verbale Kommunikationsformen hinausgehen. In der Praxis ermöglicht AuditiveCoaching© den Klienten, durch das Hören oder Erzeugen von Musik und Klanglandschaen in einen Zustand vertieer Selbstreexion einzutreten. Dies kann die Identikation und Verarbeitung von Emotionen erleichtern, die kreative Ideenndung unterstützen und zur Entwicklung neuer Lösungsansätze beitragen. Gesang und stimmliche Expression können zudem helfen, Selbstvertrauen zu stärken und die persönliche Ausdruckskra zu fördern. 68Kunst- und Ausdruckstherapie Die Kunst- und Ausdruckstherapie nutzt kreative Aktivitäten wie Malen, Zeichnen, Bildhauerei und andere Formen visueller Kunst als Medium zur Selbsterkundung und emotionalen Entlastung. Diese Methode basiert auf der Annahme, dass der kreative Schaffensprozess und das daraus resultierende Kunstwerk tiefe Einsichten in innere Gedanken, Gefühle und Konikte ermöglichen können. Im Coaching-Prozess bietet die Kunst- und Ausdruckstherapie den Klienten einen sicheren und wertfreien Raum, in dem sie ihre Emotionen und inneren Prozesse visualisieren und externalisieren können. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Kunstwerk erlaubt eine Reexion aus einer neuen Perspektive und kann zu einem besseren Verständnis persönlicher emen und zur Entwicklung alternativer Handlungsoptionen führen. Körperorientierte Techniken Körperorientierte Techniken im Coaching umfassen ein breites Spektrum an Methoden, die darauf abzielen, das Bewusstsein für die körperlichen Manifestationen emotionaler und psychischer Zustände zu schärfen und durch gezielte Interventionen energetische Blockaden zu lösen sowie das körperliche und emotionale Wohlbenden zu verbessern. Zu den prominenten Techniken in diesem Bereich zählen insbesondere Muskeltests und Klopechniken, die sowohl in therapeutischen als auch in Coaching-Kontexten Anwendung nden. Aber auch hier ist das AuditiveCoaching© nochmals zu nennen, denn auch diese Form bietet eine körperorientierte Dimension, denn Musik bewegt. All diese Ansätze beruhen Schuster, M. M. (2015). AuditiveCoaching©: Coaching mit Musik, Klang und Gesang. 68Epubli.240

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auf der Annahme, dass körperliche und psychische Prozesse eng miteinander verknüp sind und sich gegenseitig beeinussen. 69Muskeltests Muskeltests, bekannt aus der Kinesiologie, basieren auf der Idee, dass der Körper auf wahrheitsgemäße oder nicht wahrheitsgemäße Aussagen mit einer Veränderung der Muskelkra reagiert. In der Praxis kann der Coach oder erapeut durch sanen Druck auf einen ausgestreckten Arm des Klienten testen, wie der Körper auf bestimmte Aussagen oder Gedanken reagiert. Ein nachlassender Widerstand oder eine Schwächung des Muskels wird dabei o als Indikator für energetische Blockaden oder Stress im Zusammenhang mit dem getesteten ema interpretiert. Im Coaching wird der Muskeltest als Werkzeug eingesetzt, um unbewusste Überzeugungen, Emotionen oder Stressfaktoren zu identizieren, die der Zielerreichung oder dem persönlichen Wohlbenden des Klienten im Wege stehen könnten. Die Identizierung solcher Blockaden ist der erste Schritt zur Entwicklung von Strategien, um diese zu überwinden und das energetische Gleichgewicht wiederherzustellen. 70 Weiterführend: Feldenkrais, M. (1996). Bewusstheit durch Bewegung: Der aufrechte Gang. 69Suhrkamp Verlag. Für alle, die sich tiefer mit dem ema Muskeltests und deren Anwendung im Coaching 70auseinandersetzen möchten, gibt es zahlreiche Fortbildungsangebote und Fachliteratur. Renommierte Ausbildungsinstitute bieten Seminare in Kinesiologie, angewandter Kinesiologie und energetischen Testverfahren an, die speziell auf den Coaching-Kontext ausgerichtet sind. Besonders empfehlenswert sind Weiterbildungen, die sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisorientierte Übungseinheiten vermitteln. Als weiterführende Lektüre eignen sich Werke wie "Gesund durch Berühren" von John ie, das einen praxisnahen Einstieg in die Kinesiologie bietet, oder "Der Körper lügt nicht" von John Diamond. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem ema ist ebenso wichtig, um Muskeltests verantwortungsvoll und im Einklang mit ethischen Coaching-Richtlinien einzusetzen. Zahlreiche Institute bieten darüber hinaus Zertizierungen an, die die Professionalität in der Anwendung solcher Methoden unterstreichen. Für aktuelle Kursangebote lohnt sich ein Blick auf Plattformen wie die Deutsche Gesellscha für Angewandte Kinesiologie (DGAK) oder internationale Kinesiologie-Vereinigungen. 241

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Klopftechniken (EFT-orientiert) Klopechniken, wie die Emotional Freedom Technique (EFT), nutzen das Beklopfen spezischer Meridianpunkte am Körper, um emotionale Belastungen und energetische Blockaden zu adressieren. Diese Technik kombiniert Elemente aus der Akupunktur, der Energiemedizin und der kognitiven Verhaltenstherapie. Während des Klopfens konzentrieren sich die Klienten auf ein spezisches Problem oder einen negativen emotionalen Zustand und beklopfen dabei rhythmisch bestimmte Punkte am Körper. Die Wirksamkeit von Klopechniken wird darauf zurückgeführt, dass durch das Beklopfen der Meridianpunkte das Energiesystem des Körpers harmonisiert und Stress reduziert wird. Dies kann zu einer deutlichen Linderung emotionaler Belastungen führen und somit das allgemeine Wohl benden verbessern. Klopechniken werden im Coaching eingesetzt, um Klienten bei der Bewältigung von Angstzuständen, Stress, Traumata und anderen emotionalen Herausforderungen zu unterstützen. 71Die körperorientierte Dimension des AuditiveCoaching© Auch innerhalb des Spektrums körperorientierter Techniken im Coaching nimmt das AuditiveCoaching© eine besondere Stellung ein. Während es primär durch den Einsatz von Musik, Klang und Gesang charakterisiert ist und auf die Förderung kreativer Problemlösung sowie emotionaler Expression abzielt, birgt es zugleich eine wesentlich körperorientierte Komponente. Die Einbeziehung des auditiven Elements in den Coaching-Prozess beruht auf der tiefen Verwobenheit musikalischer Erfahrungen mit körperlichen Resonanzen und Empndungen. Musik und Klang sind nicht nur auditive Erlebnisse, sondern auch zutiefst körperlich. Die Schwingungen und Frequenzen, die durch Musik erzeugt werden, können physisch im Körper gefühlt werden und haben das Potenzial, energetische Blockaden zu lösen und das körperliche sowie emotionale Wohlbenden zu steigern. Dies liegt daran, dass Musik direkt auf das zentrale Nervensystem einwirkt und somit die emotionale und physiologische Verfassung des Menschen beeinussen kann. Vibrationen und Rhythmen können somit eine direkte Der gesamte Prozess der Klopechniken (EFT) kann hier nicht vollständig dargestellt 71werden. Für eine fundierte Anwendung im Coaching empfehle ich weiterführende Literatur wie "Klopf dich frei!" von Gary Craig oder "Die EFT-Klopechnik" von Dawson Church. Zahlreiche Institute und Online-Plattformen bieten zudem zertizierte Fortbildungen an.242

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Auswirkung auf Muskelspannung, Herzfrequenz und Atemmuster haben. Im Kontext des AuditiveCoaching© wird Musik als ein körperorientiertes Werkzeug genutzt, um den Klienten auf verschiedenen Ebenen anzusprechen. Durch den gezielten Einsatz von Musik, die speziell auf die individuellen Bedürfnisse und Zustände des Klienten abgestimmt ist, kann eine harmonisierende und heilende Wirkung auf den Körper erzielt werden. Die körperliche Resonanz auf Musik ermöglicht es den Klienten, in einen Zustand vertieer Entspannung einzutreten, Stress abzubauen und energetische Blockaden zu lösen. Darüber hinaus kann das aktive Musizieren oder Singen im Rahmen des AuditiveCoaching© die körperliche Bewusstheit und Expression fördern. Die physische Beteiligung am musikalischen Prozess – sei es durch das Spielen eines Instruments, Singen oder auch rhythmisches Bewegen zum Takt der Musik – verstärkt die körperliche Verankerung des Coaching-Erlebnisses und unterstützt die Integration emotionaler und kognitiver Einsichten. Das AuditiveCoaching© repräsentiert somit eine innovative Mischform innerhalb der körperorientierten Techniken im Coaching. Es vereint die transformative Kra der Musik mit der körperlichen Erfahrung und bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung des Wohlbendens. Die körperliche Resonanz auf musikalische Elemente spielt eine zentrale Rolle in der Wirksamkeit des AuditiveCoaching© und unterstreicht die Bedeutung körperorientierter Ansätze in der Förderung von Gesundheit, Wohlbenden und persönlicher Entwicklung. Transpersonale und integrale Coaching-Techniken Im Spektrum moderner Coaching-Methoden nehmen transpersonale bzw. integrale Ansätze eine besondere Stellung ein. Sie erweitern das traditionelle Verständnis von Coaching, indem sie spirituelle und ganzheitliche Dimensionen des menschlichen Daseins einbeziehen. Zentrale Elemente dieser Ansätze sind Achtsamkeitstraining und Meditation, die darauf abzielen, das Bewusstsein der Klienten zu schärfen und eine tiefere Verbindung zu ihren inneren Ressourcen herzustellen. Diese Techniken unterstützen nicht nur die individuelle Selbstentwicklung, sondern fördern auch eine umfassendere Sichtweise auf das Leben und dessen vielfältige Zusammenhänge. 243

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Achtsamkeitstraining Achtsamkeitstraining ist eine Praxis, die ihre Wurzeln in buddhistischen Traditionen hat und darauf abzielt, die Aufmerksamkeit gezielt auf den gegenwärtigen Moment zu lenken. Im Kontext des transpersonalen und 72 Transpersonales Coaching ist ein Ansatz im Bereich des Coachings, der sich auf die 72transpersonale Psychologie stützt. Diese Richtung der Psychologie erweitert das traditionelle Verständnis der menschlichen Psyche um spirituelle und transzendente Aspekte. Transpersonales Coaching zielt darauf ab, nicht nur die mentalen und emotionalen, sondern auch die spirituellen Dimensionen des menschlichen Seins zu erkunden und zu integrieren. Es unterstützt Klienten darin, ein tieferes Verständnis für sich selbst und ihre Beziehungen zum Leben und zur Welt zu entwickeln. Dabei werden o  emen wie Sinnndung, Selbstverwirklichung und die Erweiterung des Bewusstseins adressiert. Transpersonales Coaching verwendet Techniken, die darauf abzielen, die Selbstwahrnehmung zu erweitern und den Klienten zu helfen, über das individuelle Selbst hinaus zu wachsen und eine Verbindung zu größeren, o als universell oder heilig empfundenen Werten und Kräen herzustellen. Siehe auch Dängeli, J. (2023). Transpersonal Coaching Psychology: An introduction to the theory and practice. e Alef Field: theeld.alerust.org; Scotton, B. W. (1996). Textbook of Transpersonal Psychiatry and Psychology.244

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integralen Coachings wird Achtsamkeit als Werkzeug eingesetzt, um Klienten 73dabei zu unterstützen, sich ihrer Gedanken, Gefühle und körperlichen Empndungen bewusst zu werden, ohne diese zu bewerten. Durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen können Klienten lernen, stressauslösende Gedankenmuster zu erkennen und zu durchbrechen, was zu einer verbesserten emotionalen Regulation und einem erhöhten Wohlbenden führt. Achtsamkeitstraining fördert zudem die Entwicklung einer nicht-wertenden Haltung sich selbst und anderen gegenüber, was die Grundlage für Mitgefühl und tiefgreifende persönliche Einsichten bildet. Meditation Meditation, eine weitere zentrale Praxis im transpersonalen und integralen Coaching, ist eine Technik zur Förderung der inneren Ruhe und Konzentration. Meditation kann in verschiedenen Formen praktiziert werden, einschließlich konzentrativer, kontemplativer und bewegungsorientierter Techniken. Im Coaching Integrales Coaching basiert auf dem integralen Ansatz, der von dem amerikanischen 73Philosophen Ken Wilber entwickelt wurde. Dieser Ansatz ist darauf ausgerichtet, verschiedene Perspektiven und Dimensionen menschlichen Seins – wie körperliche, geistige, emotionale, soziale und spirituelle Aspekte – in ein kohärentes System zu integrieren. Integrales Coaching nutzt diesen umfassenden Rahmen, um eine ganzheitliche Sicht auf die individuellen Erfahrungen und Herausforderungen des Klienten zu ermöglichen. Im Gegensatz zum transpersonalen Coaching, das sich hauptsächlich auf die Erweiterung des Bewusstseins und die spirituellen Aspekte des Lebens konzentriert, umfasst das integrale Coaching eine breitere Palette von menschlichen Entwicklungsdimensionen. Es berücksichtigt nicht nur die spirituelle Ebene, sondern auch die körperliche Gesundheit, psychologische Muster, soziale Beziehungen und die Umweltbedingungen, in denen eine Person lebt und arbeitet. Integrales Coaching zielt darauf ab, das Wachstum und die Entwicklung des Klienten in all diesen Bereichen zu fördern, indem es ein tiefes Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen ihnen entwickelt. Coaches, die diesen Ansatz verwenden, helfen ihren Klienten, Bewusstsein und Fähigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen zu entwickeln, die Balance zwischen ihnen zu verbessern und so ein erfüllteres und effektiveres Leben zu führen. Zusammengefasst bietet das integrale Coaching einen strukturierten Rahmen, um verschiedene Aspekte der menschlichen Erfahrung systematisch zu adressieren und zu integrieren, während das transpersonale Coaching sich stärker auf die Erweiterung der spirituellen Dimension und die Verbindung des Individuums zu transzendenten Aspekten des Daseins konzentriert. Beide Ansätze ergänzen sich jedoch in der Praxis o, da sie das Ziel verfolgen, das Potenzial des Klienten umfassend zu entfalten. Vgl. Quellen: Wilber, K. (2000). A eory of Everything: An Integral Vision for Business, Politics, Science, and Spirituality. Shambhala Publications; Esbjörn-Hargens, S. (2010). Integral eory in Action: Applied, eoretical, and Constructive Perspectives on the AQAL Model. SUNY Press.245

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wird Meditation eingesetzt, um Klienten dabei zu helfen, einen Zustand tiefer Entspannung zu erreichen und Zugang zu ihrem inneren Selbst zu nden. Regelmäßige Meditationspraxis kann zu einer signikanten Reduktion von Stress und Angst führen, die Selbstwahrnehmung verbessern und die geistige Klarheit erhöhen. Darüber hinaus unterstützt Meditation die Klienten dabei, eine Verbindung zu transpersonalen Aspekten ihres Seins herzustellen, was zu einem erweiterten Bewusstsein und einer integrativen Lebensperspektive beitragen kann. Transpersonale und integrale Coaching-Techniken wie Achtsamkeitstraining und Meditation bieten kravolle Werkzeuge zur Förderung der persönlichen Entwicklung und des Wohlbendens. Diese Ansätze betonen die Bedeutung des gegenwärtigen Moments und die Verbindung zu inneren Ressourcen, was den Klienten hil, ein tieferes Verständnis für sich selbst und ihre Beziehung zur Welt zu entwickeln. Durch die Integration dieser Techniken in den Coaching-Prozess können Klienten ihre Selbstwahrnehmung und Selbstregulation verbessern, was sie befähigt, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und ein erfülltes Leben zu führen. Die Auswahl und Anwendung geeigneter Interventionstechniken erfordert vom Coach ein tiefes Verständnis der individuellen Bedürfnisse und Ziele der Klienten. Durch den Einsatz eines breiten Spektrums an Methoden, von systemischen Ansätzen über imaginative Techniken bis hin zu transpersonalen Praktiken, können Coaches ihre Klienten effektiv auf ihrem Weg zur persönlichen und beruichen Entfaltung begleiten. Eine fundierte Analyse, sorgfältige Planung und eine empathische, klientenzentrierte Haltung sind dabei entscheidend für den Erfolg der Interventionen. Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Interventionstechniken vorgestellt und detailliert erläutert. In der Diskussion dieser Interventionen verzichte ich bewusst auf eine starre Einordnung in spezische Coaching-Ansätze wie das transpersonale oder integrale Coaching. Der Grund dafür liegt in der Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit der Interventionen, die es ermöglicht, sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und je nach Kontext und Bedürfnissen des Klienten exibel anzuwenden. 246

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Fragetechniken allgemein Fragetechniken sind natürlich grundlegende Werkzeuge im Coaching, die dazu dienen, den Klienten dabei zu helfen, die eigenen Gedanken, Gefühle und Ziele zu klären und zu reektieren. Offene Fragen, geschlossene Fragen, reexive Fragen, Skalierungsfragen und zirkuläre Fragen sind nur einige Beispiele für Fragetechniken, die Coaches verwenden können, um den Coaching-Prozess zu lenken und den Klienten dabei zu unterstützen, seine eigenen Lösungen zu nden. Lass uns jetzt auf die unterschiedlichen Fragetechniken einen genaueren Blick werfen. Offene Fragen Offene Fragen verwenden wir ständig in unserem Leben, sie sind generell ein zentrales Werkzeug in der Kommunikation, das ebenfalls in Bereichen wie Coaching, Beratung und erapie häug Anwendung ndet. Diese Art von Fragen ist so gestaltet, dass sie nicht einfach mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können, das wären geschlossene Fragen, die im Coaching eher nicht vorkommen. Stattdessen ermutigen offene Fragen den Gesprächspartner dazu, ausführlichere Antworten zu geben, die Gedanken, Gefühle, Erfahrungen und Perspektiven umfassen. Was zeichnet nun offene Fragen aus? Merkmale offener Fragen -Erweiterung des Gesprächs: Offene Fragen fördern ein tieferes Nachdenken und regen zu ausführlichen Antworten an, die über einfache Fakten hinausgehen. -Erkundung von Gedanken und Gefühlen: Sie ermöglichen es dem Fragenden, ein besseres Verständnis für die innere Welt des Gesprächspartners zu erlangen. -Keine Vorgabe von Antworten: Im Gegensatz zu geschlossenen Fragen, die o suggestiv sein können, lassen offene Fragen den Raum für eine Vielzahl von Antworten und legen dem Befragten keine spezische Antwort nahe. -Förderung der Selbstreexion: Durch das Beantworten offener Fragen werden Personen dazu angehalten, über ihre eigenen Ansichten, Gefühle und Erfahrungen zu reektieren. 247

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Beispiele offener Fragen - "Wie fühlst du dich bezüglich der aktuellen Situation?" - "Was waren die Schlüsselmomente in deiner Karriere?" - "Wie gehst du üblicherweise mit Herausforderungen um?" - "Kannst du mir mehr über deine Erfahrungen mit ... erzählen?" Nutzen im Coaching Offene Fragen sind ein fundamentales Instrument im Coaching, da sie es dem Coach ermöglichen, ein tieferes Verständnis für die Klientin zu entwickeln. Hier sind einige Gründe, warum offene Fragen besonders hilfreich sind, um die Klientin besser zu verstehen: -Förderung der Selbstexploration: Offene Fragen regen die Klientin an, über ihre Gedanken, Gefühle, Erfahrungen und Werte nachzudenken. Diese Art der Selbstreexion kann Einsichten offenbaren, die sowohl für die Klientin als auch für den Coach neu und aufschlussreich sind. Sie ermöglichen es der Klientin, Aspekte ihres Lebens zu erkunden und zu artikulieren, die vielleicht noch nicht vollständig bewusst oder verstanden waren -Ermöglichung detaillierter Antworten: Im Gegensatz zu geschlossenen Fragen, die o nur kurze Antworten wie "Ja" oder "Nein" hervorrufen, ermutigen offene Fragen die Klientin dazu, ausführlicher und detaillierter zu antworten. Diese ausführlichen Antworten bieten dem Coach einen tieferen Einblick in die Gedankenwelt und die emotionalen Zustände der Klientin. - Aufdeckung zugrundeliegender Überzeugungen und Werte: Durch offene Fragen kann der Coach die zugrundeliegenden Überzeugungen, Werte und Motivationen der Klientin besser verstehen. Das Verständnis dieser tieferen Schichten ermöglicht es dem Coach, die Coaching-Sitzungen besser auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Klientin abzustimmen. -Erkennung von Mustern und Zusammenhängen: Die Antworten auf offene Fragen können Muster im Denken und Verhalten der Klientin offenlegen. Der Coach kann diese Muster nutzen, um Zusammenhänge zwischen verschiedenen Lebensbereichen und Herausforderungen der Klientin zu identizieren. Dieses Verständnis ist entscheidend für die Entwicklung effektiver Coaching-Strategien. 248

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-Auau einer vertrauensvollen Beziehung: Die Verwendung offener Fragen signalisiert Interesse und Empathie seitens des Coaches. Indem der Coach aktiv zuhört und die Klientin ermutigt, ihre Geschichte in ihren eigenen Worten zu erzählen, wird eine Atmosphäre des Vertrauens und der Akzeptanz geschaffen. Eine solche Beziehung ist grundlegend für ein effektives Coaching. -Ermächtigung der Klientin: Offene Fragen ermöglichen es der Klientin, eine aktive Rolle im Coaching-Prozess einzunehmen. Indem sie ihre eigenen Gedanken und Gefühle ausdrückt, wird sie in die Lage versetzt, über Lösungen nachzudenken und eigene Entscheidungen zu treffen. Dies stärkt das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit der Klientin. Offene Fragen sind also ein Schlüsselelement im Coaching, das den Coach nicht nur dabei unterstützt, die Klientin und ihre Situation besser zu verstehen, sondern auch eine Umgebung fördert, in der Wachstum, Selbstentdeckung und positive Veränderungen gedeihen können. Du wirst im Laufe der nächsten Seiten feststellen, dass offene Fragen unterschiedliche Ausprägungen haben können. So können sie reexiv, zirkulär, hypothetisch etc. sein. Reflexive Fragen Reexive Fragen im Coaching sind speziell formulierte Fragen, die darauf abzielen, tiefe Selbstreexion und Einsichten bei der Klientin zu fördern. Sie ermutigen die Klientin, über ihre eigenen Gedanken, Gefühle, Erfahrungen und Verhaltensweisen nachzudenken und ermöglichen es ihr, ihre eigene Situation aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Diese Art von Fragen ist ein mächtiges Werkzeug im Coaching, da sie die Klientin dazu anregt, über die Oberäche hinaus zu schauen und tiefere, manchmal unbewusste Aspekte ihrer eigenen Wahrnehmungen und Überzeugungen zu erkunden. Nutzen für den Coach -Erweitertes Verständnis: Reexive Fragen helfen dem Coach, ein umfassenderes und tieferes Verständnis für die Situation, die Bedürfnisse und die Herausforderungen der Klientin zu entwickeln. 249

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-Förderung der aktiven Beteiligung: Durch die Aufforderung zur Selbstreexion wird die Klientin aktiv in den Coaching-Prozess einbezogen, was die Effektivität des Coachings erhöht. -Identizierung von Mustern: Die Antworten auf reexive Fragen können wiederkehrende Muster im Denken und Verhalten der Klientin offenlegen, die für den Coaching-Prozess relevant sind. Nutzen für die Klientin -Förderung der Selbstwahrnehmung: Reexive Fragen regen die Klientin dazu an, ihre eigenen Gedanken und Emotionen zu erkennen und zu verstehen, was eine wesentliche Grundlage für persönliches Wachstum ist. -Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten: Indem die Klientin dazu angehalten wird, über ihre eigenen Herausforderungen nachzudenken, kann sie eigene Lösungsansätze entwickeln und somit ihre Autonomie stärken. -Bewältigung von Herausforderungen: Durch die tiefere Auseinandersetzung mit ihren eigenen Situationen können Klientinnen neue Wege nden, um mit ihren Herausforderungen umzugehen und positive Veränderungen in ihrem Leben zu bewirken. -Emotionale Entlastung: Die Möglichkeit, über belastende emen zu reektieren und zu sprechen, kann an sich schon eine befreiende und heilende Wirkung haben. Beispiele reflexiver Fragen -"Was bedeutet diese Erfahrung für dich persönlich?“ -"Wie wirkt sich diese Überzeugung auf deine Entscheidungen aus?“ - "Kannst du eine Situation beschreiben, in der du anders reagiert hast, als du es jetzt tun würdest? Was hat sich seitdem verändert?" Skalierungsfragen Skalierungsfragen entfalten im Coaching eine magische Wirkung, indem sie den Klienten einladen, ihre gegenwärtige Lage oder ihr emotionales Empnden auf einer Skala von 1 bis 10 zu verorten – wobei die 10 das Idealbild, das angestrebte 250